Deutschland Grosser Gefangenenaustausch – Moskau lässt Kremlkritiker frei

SDA

1.8.2024 - 17:03

HANDOUT - Putin steht in der Kritik, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen. Foto: Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
HANDOUT - Putin steht in der Kritik, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen. Foto: Vyacheslav Prokofyev/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Keystone

Russland, die USA, Deutschland und weitere Länder tauschen nach Angaben des türkischen Geheimdienstes MIT Gefangene aus. Unter den insgesamt 26 Gefangenen sei auch der sogenannte russische Tiergartenmörder Wadim K., der in Deutschland in Haft war. Russland liess nach Vermittlung des MIT unter anderem die wegen Spionage verurteilten US-Amerikaner Evan Gershkovich und Paul Whelan sowie zahlreiche Kremlkritiker frei. In Freiheit kam auch der nach einem Todesurteil begnadigte Deutsche Rico K. in Belarus.

Der türkische Geheimdienst MIT teilte mit, dass insgesamt sieben Flugzeuge beteiligt gewesen seien. Ausgetauscht wurden demnach in der türkischen Hauptstadt Ankara Gefangene, die auch in Gefängnissen in Polen und Slowenien, Norwegen und Belarus sassen. Der Geheimdienst MIT hat den Deal nach eigenen Angaben selbst organisiert. Er sprach von einem historischen Gefangenenaustausch.

Unter den freigelassenen Russen waren laut MIT prominente Oppositionspolitiker wie Wladimir Kara-Mursa und Ilja Jaschin. Im Gegenzug erhielt Russland im Westen inhaftierte Landsleute.

Der Austausch war seit längerem erwartet worden – Kremlchef Wladimir Putin hatte zuletzt wiederholt die Bereitschaft dazu erklärt. Putin steht in der Kritik, politische Gefangene als Geiseln zu nutzen, um Russen aus westlichen Gefängnissen freizupressen. Die USA hatten etwa auf Freilassung des wegen Spionage verurteilten Reporters Gershkovich vom «Wall Street Journal» bestanden.

Putin wollte «Tiergarten-Mörder» nach Russland holen

Putin hatte wiederum besonders grosses Interesse an dem in Deutschland inhaftierten Russen. Der sogenannte Tiergartenmörder hatte in einer Parkanlage in Berlin einen Georgier getötet, der in Deutschland Schutz gesucht hatte. Der russische Präsident nahm den Mörder öffentlich in Schutz, weil er aus russischer Sicht einen Staatsfeind beseitigt hatte. Das Opfer nannte Putin einen «Banditen», «Mörder» und «blutrünstigen Menschen».

Ein Gericht in Berlin sah es 2021 als erwiesen an, dass der Russe im staatlichen Auftrag den Georgier am 23. August 2019 in der Parkanlage heimtückisch erschoss. Der Mann habe seit langem im Visier Moskaus gestanden, weil ihm vorgeworfen worden sei, während des zweiten Tschetschenien-Krieges mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt zu haben. Er war nach Moskauer Darstellung für Dutzende Tote unter russischen Sicherheitskräften verantwortlich.

Prominente Kremlgegner in Freiheit

In Russland hatten sich vor Bekanntwerden des Gefangenenaustauschs Nachrichten einer ungewöhnlichen Verlegung von politischen Gefangenen gehäuft. Sie waren offenbar für den Gefangenenaustausch nach Moskau gebracht worden. Unter den freigelassenen Russen sollen auch der Menschenrechtler Oleg Orlow von der Organisation Memorial und die Künstlerin Alexandra Skotschilenko sein.

Alle sind Gegner des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine, sie hatten langjährige Haftstrafen erhalten. Der Westen hatte die Urteile als Justizwillkür kritisiert und die Freilassung der Gefangenen gefordert.

Schon früher trotz Krieg Gefangene ausgetauscht

Die nun freigelassenen Russen könnten in ihrer Heimat nun wie frühere zurückgekehrte Gefangene auf Ehrungen und politische Posten etwa als Abgeordnete in der Staatsduma hoffen, meinte die Politologin Tatjana Stanowaja. Sie hatte bereits zuvor mitgeteilt, dass sich ein grosser Austausch anbahne.

Stanowaja meinte, dass für den Austausch die Zeit gedrängt habe, weil US-Präsident Joe Biden seine Amtszeit würdig beenden wolle. Putin wiederum habe Interesse an dem Tauschhandel gehabt, um die langen Vorbereitungen durch die Wahlen in den USA nicht zu gefährden. Für den Kreml sei dies ein Beweis, dass die Amerikaner sehr flexibel und praktisch sein können, wenn sie etwas wollten. «Das heisst, dass sie auch bei der Ukraine zu einem Deal in der Lage sind, wenn sie wollen natürlich.»

Die USA und Russland haben trotz ihrer gespannten Beziehungen in der Vergangenheit immer wieder Gefangene ausgetauscht. Im Dezember 2022 und damit schon im laufenden russischen Angriffskrieg gegen Ukraine kam die wegen eines Drogenvergehens verurteilte US-amerikanische Basketballspielerin Brittney Griner frei. Moskau erhielt dafür den in den USA verurteilten russischen Waffenhändler Viktor But. But hatte nach der Rückkehr seine Unterstützung für Russlands Angriffskrieg in der Ukraine geäussert und ist nun Politiker.