EU-Ökolabel für Investoren Grüner Atomstrom spaltet die Gemüter

lpe

6.7.2022

Gegner von grünem Label für Atom und Gas scheitern in der EU

Gegner von grünem Label für Atom und Gas scheitern in der EU

In der EU werden Investitionen in bestimmte Gas- und Atomkraftwerke aller Voraussicht nach als klimafreundlich eingestuft werden können. Im Europaparlament gelang es Gegnern am Mittwoch nicht, entsprechende Pläne mit einer Abstimmung zu stoppen.

06.07.2022

Gas und Atomkraft gelten in der EU künftig aller Voraussicht nach als klimafreundlich. Das polarisiert auch in der Schweiz: Bei den Grünen sorgt der Entscheid für Kopfschütteln, bei der SVP fühlt man sich bestätigt. 

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«Klimafreundliche Energie»: So soll in der EU ab 2023 nicht nur Solar-, Wind- und Sonnenenergie beworben werden dürfen, sondern unter gewissen Voraussetzungen auch Erdgas und Atomstrom. Das will das EU-Parlament. Am Mittwoch hat sich die Mehrheit der Abgeordneten für einen entsprechenden Kommissionsvorschlag ausgesprochen – trotz erheblicher Kritik von Umweltschützer*innen.

Zwar besteht noch eine Möglichkeit, den Vorschlag zu kippen, und zwar durch ein Veto von 20 der 27 EU-Mitgliedsstaaten. Dies gilt jedoch wegen des Interesses von vielen Staaten an der Nutzung von Kernkraft als ausgeschlossen.

«Es macht keinen Sinn, in Technologien zu investieren, die keine Zukunft haben.»

Kurt Egger, Nationalrat GP-TG, portraitiert am 3. Dezember 2019 in Bern. (KEYSTONE/Alessandro della Valle)

Kurt Egger

Nationalrat (Grüne/TG)

Das Ziel dieses Klassifizierungssystems, der sogenannten Taxonomie: Die EU will Geld von privaten Investor*innen möglichst in nachhaltige Energiefelder lenken, was dem Klimaschutz zugutekomme. Was als «grün» gilt, ist daher von entscheidender Bedeutung, und der Entscheid des EU-Parlaments polarisiert – auch in der Schweiz.

Der grüne Nationalrat Kurt Egger kann nur den Kopf schütteln: «Es macht keinen Sinn, in Technologien zu investieren, die keine Zukunft haben.» Natürlich sei es angesichts der drohenden Energieknappheit nötig, zugunsten der Strom- und Gasversorgung im Winter Abstriche bei den CO2-Emissionen einzugehen. Doch mit dem Entscheid des EU-Parlaments würden auf lange Sicht falsche Anreize gesetzt, sagt der Thurgauer Energiepolitiker.

«Lieber sollten sie den Anlegern das Signal senden, dass es sich lohnt, auf erneuerbare Energien zu setzen.» Sonst drohe eine finanzielle Blockade bei den zukunftsträchtigeren Ressourcen wie Sonne und Wind, das könne sich auch bis in die Schweiz auswirken.

«Kernenergie ist die sauberste Energie.»

Christian Imark, Nationalrat SVP-SO portraitiert am 3. Dezember 2019 in Bern. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Christian Imark

Nationalrat (SVP/SO)

SVP-Nationalrat Christian Imark – der mit Egger in der Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie sitzt – sieht die Zukunft hingegen nach wie vor in der Atomenergie: «Die Kernenergie ist die sauberste Energie», dies sage die SVP schon lange. «Es ist höchste Zeit, dass dies auch jemand anders merkt.»

Beim Gas sei es jedoch eine andere Ausgangslage. Aus Perspektive der EU, die nach wie vor auf Kohlenenergie setze, sei Gas zwar eine klimafreundlichere Variante. In der Schweiz sei dies aber nicht der Fall. «Alles andere als Atomkraft und Wasserkraft ist de facto eine Verschlechterung der CO2-Bilanz», lautet Imarks Auffassung.

Frankreich hat sich für den EU-Kommissionsvorschlag, Gas und Atomkraft als grüne Energien einzustufen, starkgemacht. Zwei Atomkraftwerke im Südwesten Frankreichs. 
Frankreich hat sich für den EU-Kommissionsvorschlag, Gas und Atomkraft als grüne Energien einzustufen, starkgemacht. Zwei Atomkraftwerke im Südwesten Frankreichs. 
Bild: Keystone