Politik Heftige Gefechte an Israels Grenze zum Libanon

SDA

17.7.2024 - 04:42

Ein Mann zeigt die Überreste einer Rakete eines israelischen Kampfflugzeugs, die in ein Haus einschlug und einen Hisbollah-Kämpfer und zwei seiner zivilen Familienmitglieder tötete. Foto: Mohammad Zaatari/AP/dpa
Ein Mann zeigt die Überreste einer Rakete eines israelischen Kampfflugzeugs, die in ein Haus einschlug und einen Hisbollah-Kämpfer und zwei seiner zivilen Familienmitglieder tötete. Foto: Mohammad Zaatari/AP/dpa
Keystone

Ein nächtlicher Raketenhagel der libanesischen Hisbollah auf den Norden Israels schürt die Sorge vor dem Ausbruch eines neuen Krieges. Die proiranische Schiitenmiliz feuerte bis in die Morgenstunden Dutzende Raketen in mehreren Angriffswellen ab. Die Hisbollah reagierte damit nach ihren eigenen Angaben auf den Tod von fünf Syrern bei israelischen Angriffen im Süden des Libanon, darunter drei kleine Kinder. Es gab zunächst keine Berichte über mögliche Opfer des Beschusses auf israelischer Seite.

Israels Armee fing einige Raketen der Hisbollah nach eigenen Angaben ab, andere seien auf offenes Gelände gefallen. Bis zum späten Abend habe es keine Verletzten gegeben. In den frühen Morgenstunden meldete die Armee dann erneuten Raketenalarm. Die israelische Luftwaffe griff in Reaktion auf den Raketenbeschuss Stellungen der Hisbollah im Süden des Libanon an, wie das Militär mitteilte. Keine der Angaben konnte unabhängig geprüft werden.

Berichte über Tote im Südlibanon

Die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtete zuvor, dass bei einem israelischen Drohnenangriff auf ein Agrargebiet im Süden des Libanon drei syrische Kinder im Alter zwischen fünf und zehn Jahren getötet worden seien. Bei einem weiteren israelischen Drohnenangriff auf ein Motorrad seien zudem zwei syrische Männer getötet worden. Israel und die Hisbollah liefern sich seit Beginn des Gaza-Kriegs nahezu täglich Gefechte. Es besteht die wachsende Sorge, dass es zu einem regelrechten Krieg kommt.

Israel will, dass sich die Hisbollah hinter den 30 Kilometer von der Grenze entfernten Litani-Fluss zurückzieht – so wie es eine UN-Resolution vorsieht. Die Schiitenmiliz will mit dem Beschuss Israels aber erst aufhören, wenn es zu einem Waffenstillstand im Gaza-Krieg zwischen Israel und der mit ihr verbündeten radikalislamischen Hamas kommt. Danach sieht es jedoch im Moment nicht aus. Die indirekten Verhandlungen, bei denen die USA, Katar und Ägypten vermitteln, sollen in dieser Woche in Doha oder in Kairo fortgesetzt werden.

Befreite Geisel berichtet von Folter

Dabei geht es um den Austausch der noch rund 120 verbliebenen Geiseln in der Gewalt der Hamas gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen sowie eine Waffenruhe. Israel lehnt bislang die Forderung der Hamas nach einer dauerhaften Waffenruhe ab. Der am 8. Juni bei einem dramatischen Militäreinsatz Israels zusammen mit drei anderen Geiseln befreite Andrey Kozlov berichtete kürzlich in Interviews von Folter und Bestrafungen während seiner acht Monate langen Geiselhaft im abgeriegelten Gazastreifen.

Er habe geglaubt, dass seine Entführer ihn ermorden und dies filmen würden, erzählte er laut der «Times of Israel». «In den ersten drei Monaten hatten wir Angst vor jeder Bombe, die wir hörten», sagte der 27-Jährige. Die Entführer hätten sie dafür ausgelacht. Neben Psychoterror habe einer der Wächter sie geschlagen und an sehr heissen Tagen mit vielen Decken zugedeckt. Der aus Russland stammende Mann war beim Terrorüberfall am 7. Oktober vom Nova-Musikfestival entführt worden, wo er als Sicherheitsmitarbeiter tätig war.

Hamas-Anführer in Gaza angeblich unter Druck

Die Militärbefehlshaber der Hamas im umkämpften Gazastreifen drängen einem Medienbericht zufolge nach US-Erkenntnissen ihren Anführer Jihia al-Sinwar inzwischen zu einem Waffenstillstandsabkommen mit Israel. Das habe CIA-Direktor Bill Burns auf Basis von US-Geheimdienstinformationen auf einer Unternehmerkonferenz in den USA hinter verschlossenen Türen gesagt, zitierte der US-Sender CNN eine informierte Quelle. Demnach dürfte sich Al-Sinwar derzeit in Tunneln unter Chan Junis im Süden Gazas versteckt halten.

Al-Sinwar gilt als massgeblicher Planer des Massakers in Israel vom 7. Oktober. Dabei wurden rund 1.200 Israelis getötet und rund 250 Menschen nach Gaza verschleppt. Der Überfall war Auslöser des Krieges. Al-Sinwar ist für die Hamas der wichtigste Entscheidungsträger, wenn es darum geht, ein Abkommen zu akzeptieren. Burns sagte der Quelle zufolge, Al-Sinwar sei nicht «besorgt um seine Sterblichkeit». Er stehe aber unter Druck angesichts wachsenden Unmuts seiner Leute über das enorme Leiden, das der Krieg über die Palästinenser bringe.

Al-Sinwars eigene Befehlshaber würden ihren Anführer dazu drängen, einem auf dem Tisch liegenden Vorschlag für ein Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge in israelischen Gefängnissen zuzustimmen, berichtete CNN. Unabhängig liess sich das nicht überprüfen. Israels Armee hatte Al-Sinwars Stellvertreter, Militärchef Mohammed Deif, am Samstag bei Chan Junis angegriffen. Dutzende Menschen wurden dabei getötet. Ob Deif darunter ist, ist noch unklar.

Israel: Hälfte der Hamas-Führungsriege tot

Die israelische Armee hat nach eigenen Angaben inzwischen die Hälfte der Führungsriege des militärischen Hamas-Flügels getötet. Seit Kriegsbeginn vor mehr als neun Monaten seien «etwa 14.000 Terroristen eliminiert und festgenommen» worden, teilte das Militär mit. Ob es sich dabei ausschliesslich um Mitglieder der Hamas oder aber auch um Mitglieder anderer Terrorgruppen handelte, gab die Armee nicht bekannt. Vor Kriegsbeginn soll es nach Schätzungen des Militärs rund 30.000 Hamas-Kämpfer gegeben haben.

Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Beginn des Krieges mindestens 38.713 Menschen getötet. Auch diese Angaben, die nicht zwischen Zivilisten und Kämpfer unterscheiden, lassen sich derzeit nicht unabhängig verifizieren. Israel steht wegen der vielen Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung und der immensen Schäden in dem abgeriegelten Küstenstreifen international stark in der Kritik.