Besorgnis wegen Satellitenbild Besitzt Saudi-Arabien nukleare Sprengköpfe?

Von Jon Gambrell, AP

28.1.2019

Diese Bilder sind bereits im November aufgetaucht. In dieser Militärbasis in Saudi-Arabien sollen ballistische Raketen hergestellt werden.
Diese Bilder sind bereits im November aufgetaucht. In dieser Militärbasis in Saudi-Arabien sollen ballistische Raketen hergestellt werden.
Keystone

Mit einem eigenen Atomraketen-Programm würde Saudi-Arabien eine weitere Zündschnur für die ohnehin schon explosive Lage in der Region legen. Bei der Frage, woher das Königreich das Know-how für solche Technologien haben könnte, haben die Experten einen Verdacht.

Von offizieller saudi-arabischer Seite gibt es keine Bestätigung, doch Satelliten-Fotos und die Einschätzung von Experten legen den Schluss nahe: Saudi-Arabien testet auf einer Militärbasis ballistische Raketen und entwickelt diese Waffen womöglich sogar selbst.

Dabei hat das Königreich lange seinem Erzrivalen Iran zum Vorwurf gemacht, ein solches Raketenprogramm zu verfolgen. Doch im vergangenen März hatte der mächtige Kronprinz Mohammed bin Salman erklärt, sein Land werde nicht zögern, Atomwaffen zu entwickeln, wenn der Iran das tue. Mit ballistischen Raketen können Atomsprengköpfe auf Ziele geschossen werden, die Tausende Kilometer entfernt sind.

Jeffrey Lewis, Raketen-Experte beim Middlebury Institute of International Studies in Monterey in Kalifornien sagt, grosse Investitionen in Raketen korrelierten häufig mit dem Interesse an Atomwaffen. «Ich wäre ein bisschen besorgt, dass wir hier die Ambitionen der Saudis unterschätzen», sagt Lewis mit Blick auf die Satelliten-Fotos.

Verdächtige Militärbasis

Die Fotos vom November, von denen die «Washington Post» zuerst berichtet hatte, zeigen eine Militärbasis in der Nähe der Stadt Al-Dawadmi, die etwa 230 Kilometer westlich der Hauptstadt Riad liegt. Darauf sind Gebäude zu erkennen, die gross genug sind, um ballistische Raketen zu bauen und zu befüllen.

Am Rande der Basis steht ein mutmasslicher Raketenteststand, der laut Experten entscheidend ist für Länder, die funktionierende Raketen bauen wollen. Michael Elleman vom International Institute for Strategic Studies in Washington hat die Fotos ebenfalls untersucht. Er sagt, für ihn deute alles auf ein Raketenprogramm hin.

Die Frage ist, wie Saudi-Arabien an das Know-how gelangt ist, um eine solche Einrichtung zu bauen. Lewis verweist darauf, dass der Aufbau einem Design ähnele, das von China verwendet werde, auch wenn es etwas kleiner sei.

Eine militärische Unterstützung des Königreichs durch China wäre keine Überraschung. Die Chinesen haben vermehrt Kampfdrohnen an Saudi-Arabien und andere Staaten in Nahost verkauft. Zudem hat China dem Land auch Varianten seiner Dongfeng-Raketen verkauft, die bislang einzigen ballistischen Raketen, die man im Besitz Saudi-Arabiens wähnte.

Logistische Unterstützung aus den USA?

Das Verteidigungsministerium in Peking wollte sich auf Anfrage nicht äussern. Eine Sprecherin des Aussenministeriums erklärte, sie habe nie etwas davon gehört, dass China Saudi-Arabien helfe, eine Raketenbasis zu bauen.

Weder Saudi-Arabien noch China sind Mitglieder des Raketentechnologie-Kontrollregimes MTCR. Dieses besteht seit drei Jahrzehnten und hat das Ziel, die Verbreitung von Raketen zu begrenzen, die mit Massenvernichtungswaffen bestückt werden können.

Saudi-Arabien war lange zusammen mit Israel und den USA entschiedener Gegner des iranischen Raketenprogramms, sah darin eine regionale Bedrohung. Das iranische Atomprogramm ist seit dem internationalen Abkommen von 2015 weitgehend eingeschränkt. Ohnehin verfolgt es laut Teheran nur friedliche Ziele. Der Westen befürchtet jedoch, dass das Land hinter der Fassade friedlicher Forschung weiter ein Atomwaffenprogramm verfolgt.

Mit konventionellen Waffen scheint Saudi-Arabien seinem Erzfeind weit überlegen. Der grösste Teil der iranischen Luftwaffe stammt aus der Zeit vor der Islamischen Revolution im Jahr 1979. Saudi-Arabien hat dagegen eine moderne Kampfflotte mit F-15-Maschinen, Typhoons und Tornados.

Doch nach Einschätzung von Verteidigungsexperte Elleman benötigt Saudi-Arabien noch immer logistische Unterstützung aus den USA. «Es gibt keine absolute Garantie, dass US-Kräfte und Unterstützungsdienste bei einem saudi-arabischen Angriff auf iranische Ziele helfen werden», sagt er. «Ballistische Raketen wären da eine plausible Absicherung gegen solche Sorgen.»

Saudi-Arabien selbst ist zuletzt mehrfach Ziel ballistischer Raketen geworden, die von schiitischen Huthi-Rebellen aus dem Jemen abgefeuert wurden. Einige erreichten sogar Riad. Wissenschaftler, westliche Staaten und Experten der Vereinten Nationen sehen den Iran als Lieferanten dieser Raketen. Teheran und die Rebellen weisen das zurück.

Deutliche Antwort der USA erwartet

Der private US-Informationsdienst für Sicherheitsfragen, Stratfor, befürchtet, dass ein saudi-arabisches Raketenprogramm die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft untergraben werde, das iranische Programm zu begrenzen. Sollte Saudi-Arabien in die Phase mit Testabschüssen eintreten, würden die USA unter Druck geraten, um Sanktionen auszusprechen, wie sie es beim Iran getan hätten.

Im US-Kongress ist die Stimmung gegen Saudi-Arabien ohnehin schlecht. Das hängt zum einen mit der Ermordung des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi zusammen, die mutmasslich von Personen aus dem Umfeld von Prinz Mohammed begangen wurde. Aber auch der Krieg im Jemen, den Riad seit Jahren führt, hat die Abgeordneten verärgert.

Wenn Saudi-Arabien ein atomwaffenfähiges Mittelstrecken-System baut, wird es nach Einschätzung von Elleman eine deutliche Antwort der USA geben. Der Kongress werde dann womöglich nicht mehr so zurückhaltend sein und das als Affront gegen die Vereinigten Staaten und die regionale Stabilität sehen, sagt er.

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