Nord-Stream-Sabotage Ein Hobbysegler kam der verdächtigen Yacht auf die Spur

tjnj

11.3.2023

Bilder des Gaslecks in der Pipeline gingen im vergangenen September um die Welt.
Bilder des Gaslecks in der Pipeline gingen im vergangenen September um die Welt.
Bild: Danish Defence Command/dpa

Deutsche Ermittler sind auf eine verdächtige Segelyacht gestossen, die die Nord-Stream-Saboteure genutzt haben sollen. Auf die heisse Spur sollen sie durch einen glücklichen Zufall gekommen sein.

tjnj

11.3.2023

Die Sprengung der Erdgas-Pipelines Nord Stream 1 und 2 gibt fast sechs Monate nach der Sabotageaktion vom 26. September immer noch Rätsel auf. Der amerikanische Investigativjournalist Seymour Hersh benannte unter Berufung auf eine anonyme Quelle die CIA als ausführende Kraft. Russland beschuldigte zwischenzeitlich auch die britische Navy.

Nun heisst es aus US-Geheimdienstkreisen, sechs pro-ukrainische Partisanen hätten die Pipelines sabotiert. Viele Expert*innen zweifeln auch an dieser Darstellung, denn: Nur staatliche Akteure hätten die notwendigen technischen Ressourcen für eine solch aufwändige Operation.

Ukraine dementiert Beteiligung

Die ukrainische Regierung weist jede Beteiligung an einer solchen Aktion jedoch zurück. Bei einer gemeinsamen Medienkonferenz mit der finnischen Ministerpräsidentin Sanna Marin bezeichnete der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj dementsprechende Vorwürfe am Freitag als «lächerlich».

Das Boot, das die Partisanen laut Ermittler*innen benutzt haben sollen, um den Sprengstoff zu transportieren, wurde jetzt von Reporter*innen des deutschen Magazins «Spiegel» ausgemacht: eine Segelyacht namens «Andromeda».

«Wahrscheinlich liegt die Yacht im Winterlager, vielleicht wurde sie beschlagnahmt, keiner, den man fragen kann, sagt etwas dazu», berichtet das Magazin. Entdeckt wurde das Boot im norddeutschen Rostock-Warnemünde. Im September kann sie für umgerechnet 2950 Franken pro Woche gemietet werden.

Geschäftsführer plauderte in Skat-Runde

Bei ihren Recherchen stiessen die «Spiegel»-Reporter*innen auf viel Verschwiegenheit und einige Kuriositäten. Die Geschäftsführer der Charterfirma verweigern ihnen jegliche Auskunft. Dafür trafen die Journalist*innen auf der Ostsee-Insel Rügen, wo die Firma ihren Sitz hat, auf Menschen, die behaupten, schon vor Wochen in ihrer Skat-Runde von Ermittlungen wegen einer Geheimoperation gehört zu haben.

Teil dieser Skat-Runde soll auch einer der beiden schweigsamen Geschäftsführer gewesen sein. Und der habe einmal während einer Partie ganz nebenbei erwähnt, dass die Behörden mit ihm wegen der Sprengungen der Pipelines gesprochen hätten.

Dass die «Andromeda» überhaupt in den Fokus der Ermittlungen gerückt ist – derzeit wird versucht zu klären, wo sie sich zu welchem Zeitpunkt genau befunden hat –, soll dem Privatinteresse eines Beamten zu verdanken sein. Schliesslich ist es sehr ungewöhnlich, eine solche Operation mit einem Segelboot durchzuführen.

Glücklicher Zufall

Einer der Ermittler jedoch sei ein Hobbysegler gewesen. Aufgrund seines Privatinteresses sei er auf die Idee gekommen, «verdächtige Charterbuchungen in der Ostsee zu überprüfen», wie der «Spiegel» schreibt.

Die von diesem Zufall profitierenden Ermittlungen werden nun schwerpunktmässig von Deutschland aus fortgeführt. Schliesslich ist die verdächtige Yacht dort angemietet worden.

Doch trotz der neuen Theorie arbeiten nur wenige Beamte an dem Fall – aus Personalmangel. Denn der Fall, den das deutsche Bundeskriminalamt gerade am meisten bewegt, ist nicht die «Andromeda», sondern «Carsten L.» – der mutmassliche Spion Putins in den Reihen des deutschen Nachrichtendienstes.