Konflikt mit Iran In der Aussenpolitik geht Trump voll auf Risiko

Zeke Miller, AP

7.1.2020

Trumps Anhänger feiern ihn für seine Bereitschaft zu handeln, wo andere zögerten.
Trumps Anhänger feiern ihn für seine Bereitschaft zu handeln, wo andere zögerten.
Bild: Evan Vucci/AP/dpa

Der US-Präsident setzt nicht zum ersten Mal ganz auf den kurzfristigen Erfolg. Nicht nur die Demokraten fürchten, er habe keinen Blick für die späteren Konsequenzen seines Handelns.

US-Präsident Donald Trump ist nicht der erste Oberkommandierende der amerikanischen Streitkräfte, der den iranischen General Kassem Soleimani im Visier hatte. Aber er ist der erste, der den Abzug drückte. Es ist ein Muster, das sich durch die bisherige Präsidentschaft Trumps zieht: Wo seine Vorgänger, egal ob Republikaner oder Demokraten, Risiken abwogen und zögerten, ignoriert er dieselben Warnungen und handelt.

Manchmal scheint es, als sei Trump einfach risikobereiter als seine Vorgänger im Amt. In anderen Fällen zweifelte er die Stichhaltigkeit der Warnungen selbst von Experten aus den eigenen Reihen an. Trump setzt ganz auf sein Bauchgefühl.

So auch, als er die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegte. Andere hatten diesen Umzug immer wieder zugesagt, aber dann einen Rückzieher gemacht. Trump zog die Botschaftsverlegung durch, gegen den Rat von Experten, die eine Verschärfung des Konflikts im Nahen Osten befürchteten. Auch als Trump als erster US-Präsident nordkoreanischen Boden betrat, tat er das, obwohl Kritiker warnten, er werde Pjöngjang einen symbolischen Sieg verschaffen, ohne eine Gegenleistung zu bekommen.

«Trump hält die Aussenpolitik für eine Reality-Show»

Trumps Anhänger feiern ihn für seine Bereitschaft zu handeln, wo andere zögerten. Ihrer Ansicht nach hat der Geschäftsmann einen anderen Blickwinkel auf langjährige Probleme und Konflikte mit ins Weisse Haus gebracht. Die Demokraten und auch einige republikanische Parteikollegen des Präsidenten fürchten dagegen, dass Trump sich zu stark auf kurzfristige Ergebnisse konzentriert und dabei blind ist für die langfristigen Folgen seines Handelns.

«Trump hält die Aussenpolitik für eine Reality-Show», erklärt Ben Rhodes, der unter Trumps Vorgänger Barack Obama stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater war. «Er glaubt, wenn es am nächsten Tag keine verheerenden Folgen gibt, dann werden sie auch nicht kommen. Aber sie werden kommen — in einigen Fällen ist das schon passiert, in anderen verschlechtert sich die Lage immer mehr.»

Trumps Bereitschaft, sich allen konventionellen Überlegungen zu entziehen, windet sich wie ein roter Faden durch sein politisches Leben. Zu Beginn des letzten Jahres seiner ersten Amtszeit ist er nach Einschätzung seiner Mitarbeiter immer stärker bereit, ganz seinen Instinkten zu folgen. Den Zirkel von Beratern, die sich selbst als Damm gegen die Impulse des Präsidenten betrachteten, hat er inzwischen ausgeschlossen. Andere wie der frühere Verteidigungsminister Jim Mattis sind freiwillig gegangen, weil sie mit der Entscheidungspraxis im Weissen Haus nicht einverstanden waren.

Trumps Umgang mit der nationalen Sicherheit ist teilweise beeinflusst von der Reaktion auf eine seiner ersten wichtigen Entscheidungen: Luftangriffe in Syrien als Vergeltung für den Einsatz von chemischen Waffen dort 2017, wenige Monate nach seiner Amtsübernahme. Er fand Gefallen daran, dass Republikaner und Demokraten seinen Entschluss lobten, nachdem Obama davor zurückgeschreckt war. Der hatte Pläne für solche Luftangriffe 2013 gestoppt mit der Begründung, er befürchte, die USA könnten in einen noch grösseren Konflikt hineingezogen werden. Nach den von Trump angeordneten Luftangriffen geschah das nicht. Allerdings zieht sich der Konflikt in Syrien weiter hin und die USA haben immer noch eine kleine Anzahl von Soldaten dort stationiert.

Trumps harsche aussenpolitische Entscheidungen führten bis jetzt zu gemischten Reaktionen. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem zog keinen Anstieg der Gewalt im Nahen Osten nach sich. Sie trug aber auch nicht dazu bei, die wachsenden Spannungen mit den Palästinensern zu vermindern, so dass die Aussichten auf ein Friedensabkommen mit Israel weiterhin gering sind. Wenig Fortschritt brachten auch Trumps Treffen mit dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un. Die Verhandlungen über ein Ende des nordkoreanischen Atomprogramms sind praktisch nicht mehr existent. Zuletzt kündigte Machthaber Kim Jong Un sogar eine neue strategische Waffen an.

Kritik aus eigener Partei

Der Präsident wurde aus den Reihen seiner eigenen Partei scharf kritisiert, als er im vergangenen Jahr überraschend den Rückzug der US-Soldaten aus Syrien ankündigte. Damit machte er den Weg frei für eine Offensive der Türkei gegen mit den USA verbündete kurdische Kräfte. Zunächst hielt Trump an seinem Entschluss fest, änderte jedoch dann seinen Kurs.

Für Kritiker des Präsidenten ist der tödliche Angriff auf den iranischen General Soleimani sein bisher möglicherweise risikoreichster Beschluss. Sowohl die Regierung von Obama, als auch die von George W. Bush liessen die Chance verstreichen, den Befehlshaber der Al-Kuds-Brigaden, der Militäreinheit des Irans im Ausland, auszuschalten. Und auch Berater Trumps räumten ein, dass nun das Risiko einer iranischen Vergeltung bestehe, die zu einem direkten militärischen Konflikt führen könnte.

«Eines Tages pfuscht er sich selbst in eine echte, ausgewachsene Krise», sagt Marie Harf, eine ranghohe Beraterin des früheren US-Aussenministers John Kerry, über Trump. «Der Angriff auf Soleimani ist vielleicht der leichtsinnige Schritt, der uns in einen allumfassenden Konflikt schickt.»

Trumps Anhänger sehen das anders und finden die Kritik übertrieben, schliesslich habe der Präsident angemessen gehandelt. Der republikanische Senator Ben Sasse aus Nebraska erklärt, die Entscheidung zur Tötung des iranischen Generals sei richtig gewesen. Der Iran im allgemeinen und Soleimani im besonderen hätten ihre Angriffe intensiviert. «Es musste eine rote Linie um den Verlust von amerikanischen Leben gezogen werden.»


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