Politik Iran greift Israel mit fast 200 Raketen an

SDA

1.10.2024 - 21:15

Vom Iran in Richtung Israel abgeschossene Raketen sind über der Stadt Nablus im Westjordanland zu sehen. Foto: Majdi Mohammed/AP/dpa
Vom Iran in Richtung Israel abgeschossene Raketen sind über der Stadt Nablus im Westjordanland zu sehen. Foto: Majdi Mohammed/AP/dpa
Keystone

Der Iran hat Israel massiv angegriffen. Rund 180 Raketen wurden nach ersten Schätzungen der israelischen Armee am Dienstagabend abgefeuert. Die iranischen Revolutionsgarden erklärten, die Attacke sei eine Vergeltung für die Tötung von Hamas-Auslandschef Ismail Hanija, Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah sowie eines iranischen Generals, hiess es im Staatsfernsehen. Ersten Angaben zufolge gab es ein Todesopfer im Westjordanland und zwei Verletzte in Tel Aviv.

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Nach Angaben der israelischen Armee schlugen im Zentrum und anderen Orten Israels mehrere Geschosse ein. Eine Korrespondentin der Deutschen Presse-Agentur berichtete, in Tel Aviv seien starke Explosionen zu hören gewesen. US-Präsident Joe Biden wies das US-Militär an, Israel zu unterstützen und iranische Raketen abzuschiessen.

Nach etwa einer Stunde gab es am Abend Entwarnung. Die Menschen überall in Israel durften die Schutzräume und Bunker wieder verlassen, wie das Militär mitteilte. Ein Sprecher ergänzte, man habe aktuell keine Hinweise auf weitere Bedrohungen aus dem Iran.

«Dieser Angriff wird Konsequenzen haben», warnte anschliessend Israels Armeesprecher Daniel Hagari. Dafür gebe es schon Pläne.

Toter im Westjordanland, zwei Verletzte in Tel Aviv

Bei dem Raketenangriff kam palästinensischen Angaben zufolge ein Mann im Westjordanland ums Leben. Der 38-jährige Palästinenser sei in Jericho durch Raketensplitter getötet worden, teilten der palästinensische Zivilschutz und örtliche Medien mit. Der Getötete kam demnach ursprünglich aus dem Gazastreifen.

In der israelischen Küstenmetropole Tel Aviv wurden zwei Menschen bei dem Angriff durch Granatsplitter leicht verletzt, wie der Rettungsdienst Magen David Adom mitteilte. Mehrere andere wurden demnach wegen leichter Verletzungen nach einem Sturz oder wegen akuter Angstzustände behandelt.

Kurz vor dem Raketenangriff wurden im Süden von Tel Aviv bei einem Schuss- und Messerangriff mehrere Menschen getötet. Laut Polizei kamen mindestens sechs Menschen bei der Attacke in Jaffa, einem arabisch geprägten Viertel, ums Leben. Bei den Todesopfern handelt es sich demnach um Zivilisten.

Drohung aus dem Iran mit «vernichtenden Angriffen»

Die Luftstreitkräfte der Revolutionsgarden hatten nach eigener Darstellung auf wichtige militärische Ziele in Israel gefeuert. Gleichzeitig drohten die Revolutionsgarden mit weiteren, «vernichtenden und zerstörerischen Angriffen», sollte Israel auf den iranischen Schlag reagieren.

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte nach dem Raketenangriff die Konfliktparteien zur Zurückhaltung: «Das muss aufhören. Wir brauchen unbedingt einen Waffenstillstand», schrieb Guterres auf der Plattform X.

US-Regierung warnte vor Angriff

Davor hatte die US-Regierung vor einem «unmittelbar bevorstehenden» Raketenangriff des Irans auf Israel gewarnt. Ein solcher direkter Angriff werde schwerwiegende Folgen für den Iran haben, heisst es in einer Mitteilung eines Regierungsvertreters, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Nach der Warnung vor dem Raketenangriff hatten die israelischen Behörden die Menschen im Grossraum Tel Aviv angewiesen, in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.

Der iranische Angriff könne gross angelegt sein, warnte Armeesprecher Daniel Hagari noch vor dem Angriff. Die Luftabwehrsysteme seien vollständig vorbereitet und Flugzeuge der israelischen Luftwaffe patrouillierten am Himmel. Verteidigungsminister Joav Galant hatte am Abend mit Generalstabschef Herzi Halevi und hochrangigen Beamten über die Lage beraten.

Schon im April hatten Irans Revolutionsgarden (IRGC) zum ersten Mal in der Geschichte der Islamischen Republik einen direkten Angriff auf Israel ausgeführt. Dabei feuerten die IRGC-Luftstreitkräfte mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörper auf ihren Erzfeind. Der Angriff wurde erfolgreich abgewehrt. Der Iran reagierte damit auf die Tötung hochrangiger Generäle, die davor bei einem mutmasslich israelischen Angriff in Syrien getötet worden waren.

Zuletzt erhebliche Schwächung von Irans Verbündeten

Israels Militär und Geheimdienste hatten zuletzt Irans Verbündete in der Region erheblich geschwächt. Ende Juli wurde der Auslandschef der islamistischen Hamas in Teheran getötet. Irans Staatsführung schwor daraufhin Rache. Am vergangenen Freitag wurde mit Nasrallah, dem Chef der libanesischen Schiitenorganisation Hisbollah, ein weiterer und zentraler Verbündeter Teherans getötet. Zuvor hatten explodierende Funkempfänger, sogenannte Pager, Hunderte Hisbollah-Funktionäre verletzt und etliche auch getötet. Es war seither unklar, ob und wie Irans militärische Führung darauf reagiert.

Am Dienstag kam ein weiterer Schritt des israelischen Militärs hinzu: Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten drangen israelische Bodentruppen wieder in den Libanon ein. Rund ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs verlagerte sich damit der Schwerpunkt der Kämpfe in Richtung des nördlichen Nachbarlandes. Die Armee sprach von «begrenzten» Angriffen in Grenznähe auf Ziele der schiitischen Hisbollah, die eng mit dem Iran verbündet ist.

Freudenfeuer in Beirut

Nach dem iranischen Raketenangriff brach in der libanesischen Hauptstadt Beirut teilweise Jubel aus. Aus dem Vorort Haret Hreik, in dem Israel den Hisbollah-Chef Nasrallah getötet hatte, waren Freudenschüsse zu hören, wie Augenzeugen berichteten. Klatschen und Jubel waren auch im Zentrum von Beirut zu hören, wo derzeit viele Familien auf der Strasse und öffentlichen Plätzen ausharren, die durch Israels Angriffe im Land vertrieben wurden.

Seit der Revolution von 1979 gelten die USA und Israel als Erzfeinde der Islamischen Republik. Mit Ausbruch des Gaza-Kriegs vor knapp einem Jahr drohte mehrfach, dass sich der Schattenkonflikt zu einem Flächenbrand entwickelt. Irans Revolutionsgarden sind die Elitestreitmacht des Landes und gelten als deutlich schlagkräftiger als die reguläre Armee.