Deutschland Iraner soll Giftanschlag geplant haben – Festnahme nach Tipp aus USA

SDA

8.1.2023 - 16:31

Blaue Fässer stehen bei einem Anti-Terror-Einsatz beim Einsatzort. Ein 32-jähriger Iraner soll im Ruhrgebiet einen schweren Anschlag vorbereitet haben - mit Stoffen, die als biologische Kriegswaffen gelten. Foto: --/tv7news.de/dpa
Blaue Fässer stehen bei einem Anti-Terror-Einsatz beim Einsatzort. Ein 32-jähriger Iraner soll im Ruhrgebiet einen schweren Anschlag vorbereitet haben - mit Stoffen, die als biologische Kriegswaffen gelten. Foto: --/tv7news.de/dpa
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Ein 32-jähriger Mann ist bei einem nächtlichen Anti-Terror-Einsatz im Ruhrgebiet festgenommen worden, weil er sich Gift für einen islamistisch motivierten Anschlag beschafft haben soll. Zumindest bei der Durchsuchung der Wohnung des Iraners in Castrop-Rauxel in der Nacht zum Sonntag wurden aber die entsprechenden Giftstoffe Cyanid und Rizin nicht gefunden, wie ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf mitteilte.

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Ob er tatsächlich an Gift gekommen war und dieses etwa anderswo lagerte, beantworteten die Ermittler zunächst nicht. Auch wie konkret die möglichen Anschlagspläne fortgeschritten waren und was ein mögliches Ziel gewesen wäre, blieb zunächst unklar. Das sei noch Gegenstand der Ermittlungen, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Der 32-jährige Iraner wird der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verdächtigt.

Wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, wird vermutet, dass er Anhänger einer sunnitischen islamistischen Terrorgruppe ist. Er soll demnach nicht im Auftrag staatlicher iranischer Behörden gehandelt haben. Letzteres bestätigte auch der Sprecher der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft. Er sagte weiter, es gebe Hinweise auf ein islamistisch geprägtes Weltbild, aus denen eine Anschlagsplanung resultiere. Unklar blieb am Sonntag zunächst, ob und wann der Mann einem Haftrichter vorgeführt werden soll.

Spezialkräfte hatten in der Nacht zum Sonntag die Wohnung des 32-Jährigen durchsucht und ihn festgenommen. Die deutschen Ermittler waren wegen eines Tipps von Kollegen aus den USA aktiv geworden: Es habe einen Hinweis von einer US-amerikanischen Sicherheitsbehörde gegeben, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf. Man habe den Hinweis auf den 32-Jährigen am Samstag bekommen und sei zu dem Schluss gekommen, dass unmittelbar ein Durchsuchungsbeschluss erwirkt und vollstreckt werden müsse. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte: «Wir hatten einen ernstzunehmenden Hinweis, der die Polizei dazu veranlasst hat, noch in der Nacht zuzugreifen.»

Die Fahnder schlugen gegen Mitternacht zu. Der Einsatzort wurde weiträumig abgesperrt. Zahlreiche Einsatzkräfte trugen Schutzanzüge. Beweismittel wurden in blauen Fässern zu einer Dekontaminationsstelle bei der Feuerwehr gebracht, wie ein dpa-Reporter berichtete.

Wegen der biologisch-chemischen Gefahren für die Einsatzkräfte waren laut einem Bericht der «Bild» auch Mitarbeiter des Robert Koch-Instituts (RKI) als Berater vor Ort. Auch mehrere Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) und ein Entschärfer-Kommando seien im Einsatz gewesen. Die Ermittler stellten Beweismittel wie elektronische Speichermedien sicher. Diese müssten nun ausgewertet werden, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Waffen seien nicht gefunden worden. Neben der Wohnung des Mannes wurden auch Nebengelasse wie Kellerräume durchsucht.

Bei dem Einsatz wurde ausserdem der Bruder des 32-Jährigen festgenommen, der sich bei dem Zugriff der Polizei auch in der Wohnung aufhielt. Die Durchsuchungsmassnahme hatte sich laut dem Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft eigentlich nur gegen den 32-Jährigen gerichtet. Wie die dpa aus Sicherheitskreisen erfuhr, war der Bruder der Polizei zwar zuvor bekannt, allerdings aus Gründen, die nicht mit islamistischem Terror zusammenhängen. Ob er in die mutmasslichen Anschlagspläne eingeweiht war, steht noch nicht fest. Die Männer sollen sich beide seit 2015 in Deutschland aufhalten. Bei der Festnahme wurden sie nur notdürftig bekleidet über die Strasse in ein Einsatzfahrzeug geführt, wie Augenzeugen berichteten. Keiner der beiden habe Widerstand geleistet. Weitere Verdächtige gibt es laut den Ermittlern nach derzeitigen Erkenntnissen nicht.

Das hochgiftige Rizin wird laut RKI in der Kriegswaffenliste unter «Biologische Waffen» aufgeführt. Cyanid ist ebenfalls hochgiftig, bereits kleinste Mengen wirken bei Menschen tödlich. Wie gefährlich Rizin ist, haben Ermittlungen vor vier Jahren in Köln gezeigt: Dort hatten ein Tunesier und seine deutsche Frau die Chemikalie hergestellt und Testexplosionen ausgelöst. Ein ausländischer Geheimdienst schöpfte Verdacht und gab einen Tipp. Beide wurden zu langen Haftstrafen verurteilt. Ein Gutachten ergab: Rein rechnerisch hätten durch die Giftmenge 13 500 Menschen sterben können. Bei der geplanten Verbreitung durch eine mit Stahlkugeln gespickten Streubombe wären es etwa 200 Tote gewesen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sieht vor dem Hintergrund des Einsatzes die Gefahr islamistischer Anschläge hierzulande nicht gebannt. Deutschland stehe weiterhin im unmittelbaren Zielspektrum islamistischer Terrororganisationen, sagte sie am Sonntag laut einer Mitteilung ihres Ministeriums. Islamistisch motivierte Einzeltäter seien eine weitere erhebliche Gefahr. «Unsere Sicherheitsbehörden rechnen deshalb jederzeit mit Vorbereitungen für einen Anschlag.» Seit dem Jahr 2000 hätten die Behörden in Deutschland 21 islamistische Anschläge verhindert.

Der Terrorismusexperte Peter Neumann sagte am Rande der CSU-Landesgruppenklausur: «Diese Bedrohung ist geringer als vor sechs oder sieben Jahren, aber sie existiert nach wie vor. Das darf man nicht vergessen.» Er wies darauf hin, dass bei fast jedem aufgedeckten Terrorplan der vergangenen Jahre der entscheidende Hinweis von US-Geheimdiensten gekommen sei. Deutschland sei auch bei der Terrorismusbekämpfung im Inneren nach wie vor sehr abhängig von Amerikas Geheimdiensten.

Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe: «Noch einmal wird deutlich, dass wir bei allen aktuellen, sehr ernstzunehmenden Bedrohungen aus dem Bereich des militanten, gut vernetzten Rechtsextremismus, keineswegs von islamistischen Täterinnen und Tätern ausgehende Gefahren aus dem Blick verlieren und unterschätzen dürfen.»