Politik Israel tötet zweiten Dschihad-Chef – Raketenbeschuss Jerusalems

SDA

7.8.2022 - 19:18

Palästinenser inspizieren die Trümmer eines Gebäudes, an dem der südliche Kommandeur des Islamischen Dschihads, Chalid Mansur, bei einem Luftangriff ums Leben gekommen ist. Foto: Mohammed Talatene/dpa
Palästinenser inspizieren die Trümmer eines Gebäudes, an dem der südliche Kommandeur des Islamischen Dschihads, Chalid Mansur, bei einem Luftangriff ums Leben gekommen ist. Foto: Mohammed Talatene/dpa
Keystone

Gezielte Tötung von Dschihad-Militärchefs und Raketenhagel auf Israel: Der Konflikt zwischen der israelischen Armee und Islamisten im Gazastreifen hat sich im Verlauf des Wochenendes zugespitzt. Im Rahmen der Militäraktion «Morgengrauen» tötete die israelische Armee auch den südlichen Kommandeur der Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad (PIJ), wie das Militär am Sonntag mitteilte. Erstmals in dieser Runde der Gewalt schossen militante Palästinenser Raketen auch auf Jerusalem. Seit Beginn der Operation am Freitag wurden nach Armeeangaben mehr als 500 Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert. Auch bis Sonntagabend heulten in zahlreichen Städten die Warnsirenen, darunter auch Tel Aviv. Fast alle der Geschosse, die israelische Wohngebiete bedrohten, konnten demnach aber von der Raketenabwehr Iron Dome abgefangen werden.

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Zahlreiche Tote im Gazastreifen

Die israelische Armee griff in der Nacht zum Sonntag mehrere Ziele im Gazastreifen an. Seit Beginn der Angriffe am Freitag starben nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 36 Palästinenser. Mindestens 311 seien verletzt worden. Unter den Toten sind demnach neben weiteren PIJ-Mitgliedern elf Kinder und vier Frauen.

Israel macht den Islamischen Dschihad jedoch für den Tod von fünf Kindern und einem Erwachsenen im Flüchtlingslager Dschabalia verantwortlich. Nach Angaben des Militärs wurden sie durch eine fehlgeleitete Dschihad-Rakete getötet. Dazu veröffentlichte die Armee am Sonntag Videoaufnahmen. Etwa 120 der seit Freitag abgefeuerten Raketen seien im Gazastreifen selbst eingeschlagen.

Zu Beginn der Militäroperation hatte Israel den Dschihad-Militärchef Taisir al-Dschabari und weitere PIJ-Mitglieder getötet. Nach israelischen Angaben plante der Dschihad eine Attacke mit Panzerabwehrraketen im Grenzgebiet zum Gazastreifen. Israel sperrte über mehrere Tage hinweg Gebiete am Rande des Küstenstreifens ab und erhöhte die Alarmbereitschaft. Der Eskalation vorangegangen war die Festnahme eines PIJ-Anführers im Westjordanland, Bassem Saadi, am Montag. Die eng mit Israels Erzfeind Iran verbundene Gruppe wird von der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft.

Sorge vor weiterer Eskalation

Israelische Kommentatoren sprachen am Sonntag von einem ernsthaften Schlag gegen den Dschihad, mahnten aber zu einer raschen Waffenruhe. Ansonsten drohe «ein Überschwappen (des Konflikts) ins Westjordanland, oder ein Aufstand israelischer Araber» oder ein Einstieg der im Gazastreifen herrschenden Hamas in den Schlagabtausch. Die Hamas hat sich in dem Konflikt bisher zurückgehalten. Sie verfügt nach israelischen Informationen über deutlich mehr und weiter reichende Raketen als der Dschihad, die zweitstärkste militärische Kraft im Gazastreifen.

Der israelische Regierungschef Jair Lapid sagte am Sonntag, die Operation werde «so lange weitergehen wie notwendig». Man bemühe sich, dass Unbeteiligte nicht zu Schaden kommen.

Israels ehemaliger nationaler Sicherheitsberater Jaakov Amidror sieht gegenwärtig kein echtes Interesse der Hamas, sich an dem Konflikt zu beteiligen. Anders als der Dschihad sehe sich die herrschende Kraft im Gazastreifen auch für das Wohl der Zivilbevölkerung zuständig, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Organisation verstehe, dass sie «einen hohen Preis bezahlen müsste», auch als Lehre aus dem Gaza-Konflikt im vergangenen Jahr. Die Hamas habe ein Interesse daran, dass täglich weiterhin rund 14 000 Gaza-Einwohner in Israel arbeiten könnten. Ausserdem sei angesichts von Treibstoffmangel die Stromversorgung in dem schmalen Küstenstreifen gefährdet. Sollte die Zahl ziviler Opfer steigen, werde aber auch der Druck auf die Hamas grösser werden, nicht untätig zuzusehen, meinte Amidror.

Das Auswärtige Amt in Berlin verurteilte den Beschuss israelischer Ortschaften mit Raketen am Sonntag «auf das Schärfste». Es gelte nun, eine weitere Eskalation zu verhindern, sagte eine Sprecherin.

Jerusalem als religiöses Pulverfass

Erstmals seit Beginn der Operation wurden am Sonntag – dem jüdischen Fasten- und Trauertag Tischa BeAv – auch Raketen auf Jerusalem abgefeuert. Religiöse Juden betrauern an dem Tag die Zerstörung der beiden antiken Tempel in Jerusalem.

Die Hamas hatte dazu aufgerufen, die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg «zu verteidigen und sich den israelischen Übergriffen auf die heilige Stätte entgegenzustellen». Der Tempelberg mit dem Felsendom und der Al-Aksa-Moschee ist die drittheiligste Stätte im Islam.

Das Nachbarland will schlichten

Der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi sagte am Samstag, seine Regierung bemühe sich, Kämpfe und andere Gewaltakte zwischen beiden Seiten zu vermeiden. Berichten aus Gaza zufolge sollen sich auch die Vereinten Nationen und Katar um Vermittlung bemühen. Trotz Berichten um eine mögliche Waffenruhe dauerten die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen bis Sonntagabend an.

2019 tötete Israel bereits Al-Dschabaris Vorgänger Baha Abu al-Ata. Darauf folgten massive Raketenangriffe. Nach einigen Tagen konnte mit Hilfe von Unterhändlern Ägyptens und der Vereinten Nationen eine Waffenruhe vereinbart werden. Im vergangenen Jahr lieferten sich Israels Streitkräfte einen elftägigen Konflikt mit militanten Palästinensern im Gazastreifen. Ägypten vermittelte damals eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die 2007 in dem Küstenstreifen gewaltsam die Macht an sich gerissen hatte.