«Sofa-Gate» Italiens Ministerpräsident Draghi bezeichnet Erdogan als «Diktator»

dpa/afp/uri

9.4.2021

Das «Sofa-Gate» nach dem Besuch von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in Ankara sorgt weiter für Ärger. Italiens Regierungschef Draghi äusserte sich nun mit deutlichen Worten und bringt die türkische Regierung gegen sich auf.

Der italienische Ministerpräsident Mario Draghi hat den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan als einen «Diktator» bezeichnet, «den man braucht», und damit für Wirbel gesorgt.

Draghi übte am Donnerstag scharfe Kritik am Umgang mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei ihrem kürzlichen Besuch in Ankara. «Das war ein Verhalten, das mir sehr wegen der Demütigung missfallen hat, die die Präsidentin der EU-Kommission von der Leyen erleiden musste», sagte der frühere Chef der Europäischen Zentralbank (EZB).



Man müsse mit «diesen, nennen wir sie (...) Diktatoren» eine klare Sprache sprechen und die Unterschiede bei den Vorstellungen zur Gesellschaft zum Ausdruck bringen. Man müsse aber auch bereit sein, mit ihnen im Interesse des Landes zu kooperieren. Es brauche das richtige Gleichgewicht, sagte Draghi. Die Wahl des Wortes Diktator sorgte in italienischen Medien für viele Schlagzeilen.

Italiens Regierungschef Mario Draghi fand deutliche Worte für den den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. 
Italiens Regierungschef Mario Draghi fand deutliche Worte für den den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan. 
Bild: Keystone

Türkei nennt Kommentare «hässlich und unvernünftig»

Die Äusserungen Draghis lösten in Ankara eine scharfe Reaktion aus. Das türkische Aussenministerium bestellte unverzüglich Italiens Botschafter ein. Aussenminister Mevlüt Cavusoglu nannte die Kommentare Draghis «hässlich und unvernünftig». Der Minister schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter: «Wir verurteilen diese inakzeptablen, populistischen Bemerkungen energisch (...).»

Die «SofaGate»-Affäre erhitzt seit Tagen die Gemüter. Der Vorfall löste unter anderem Vorwürfe der Frauenfeindlichkeit an die Adresse der türkischen Regierung aus.

Gegenseitige Vorwürfe

In einem Video war zu sehen, wie die Kommissionschefin am Dienstag zum Auftakt eines Treffens mit Erdogan im Präsidialamt in Ankara zunächst stehen bleibt und mit einem «Ähm» reagiert, als sich Erdogan und EU-Ratspräsident Charles Michel auf zwei nebeneinander stehende Sessel setzen. Von der Leyen musste dann in beträchtlichem Abstand auf einem Sofa Platz nehmen.

Beide Seiten machten sich gegenseitig für den Eklat verantwortlich. Cavusoglu sagte am Donnerstag, die Sitzordnung sei «in Übereinstimmung mit dem Vorschlag der EU» festgelegt worden. Die Kritik an der Türkei bezeichnete er als «unfair». Konservative und Sozialdemokraten als grösste Fraktionen im Europaparlament verlangten Aufklärung über den Vorfall und forderten eine Plenarsitzung mit von der Leyen und Michel.