Als Demonstrant unterwegs in München«Jetzt langt's»
Redaktion blue News
24.1.2024
Am letzten Wochenende gingen in Dutzenden deutschen Städten weit über eine Million Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Strasse. Was ist da los beim nördlichen Nachbarn? Ein Stimmungsbericht aus München.
Redaktion blue News
24.01.2024, 19:16
24.01.2024, 19:21
Redaktion blue News
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In Deutschland haben am Wochenende weit über eine Million Menschen gegen Rechtsextremismus und die AfD protestiert.
Auslöser waren Berichte über ein Geheimtreffen von Rechtsextremisten, an dem auch Politiker der AfD teilnahmen. Auf der Konferenz wurde etwa über die Vertreibung von Millionen Menschen diskutiert, auch deutscher Staatsbürger.
In München und Hamburg war der Andrang so gross, dass die Demo aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden musste.
Es ist früher Sonntagnachmittag in Harlaching, einem beschaulichen Stadtteil ganz im Süden von München. An der Tram-Haltestelle aber ist mehr los als im morgendlichen Berufsverkehr. Die Stimmung ist gut, heiter gar.
Der Anlass jedoch erfreut niemanden. Zwar haben nur wenige Fahrgäste Transparente oder Schilder dabei. Doch es ist sofort klar, wo sie alle hinwollen: Zum Siegestor in die Innenstadt, wo eine grosse Demonstration gegen Rechtextremismus stattfindet — und gegen die AfD.
Dass es eine grosse Veranstaltung wird, war schon im Vorfeld klar. In Dutzenden weiteren Städten hatten am Samstag bereits Hunderttausende protestiert. Mit einem solchen Massenandrang in München rechnen aber weder Polizei noch Veranstalter. Schon bald dürfen U-Bahnen aus Sicherheitsgründen nicht mehr an der Universität halten, die Fahrgäste tauschen sich über Alternativen oder gleich den geeigneten Fussweg aus.
Später werden sich rechtsextreme Online-Accounts und auch AfD-Politiker beeilen, Fotos von Demos am Wochenende als manipuliert hinzustellen, die Demonstranten gar als Linksradikale zu bezeichnen. 250'000 Linksradikale allein in der bayerischen Landeshauptstadt? Schwer vorstellbar.
Das zeigt sich auch in der U-Bahn, in die sich ganz normale Menschen quetschen, bis wirklich gar nichts mehr geht. Auffällig sind die vielen Familien, die sich zum Protestzug aufmachen, manche bringen ihre Hunde mit.
In der U-Bahn dürften nicht wenige stehen, die noch nie in ihrem Leben demonstriert haben. So zumindest der Eindruck, lauscht man den Gesprächen.
«Als ich das mit der Konferenz gehört hab', dacht' ich mir: Jetzt langt's», sagt eine Frau.
Im Gegensatz etwa zu ihren westlichen Nachbarn in Frankreich sind die Deutschen kein Volk, das in Massen auf die Strassen geht, vor allem in Bayern nicht. Aber diesmal ist etwas anders.
Mit der Konferenz meint die Dame ein Geheimtreffen, das im vergangenen November in Potsdam stattfand und über das kürzlich berichtet wurde. Dort trafen sich Rechtsextreme und Neonazis und diskutierten verstörende Pläne über die Vertreibung von Millionen Menschen, auch von deutschen Staatsbürgern.
Auch Politiker von der AfD waren dabei. Die Partei bringt es derzeit in Wahlumfragen bundesweit auf über 20 Prozent. Im Osten, wo die AfD besonders stark ist, führt sie bei Umfragen zu den zwei kommenden Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen. Dort wird sie vom Verfassungsschutz auch als «gesichert rechtsextrem» eingestuft.
Die Berichte über das Geheimtreffen waren also kaum eine Überraschung, für viele dennoch ein Schock. Dass die AfD, dessen Politiker mit Neonazis diskutieren, womöglich doch irgendwann Regierungsverantwortung in Deutschland übernehmen könnten, macht vielen Menschen Angst.
Zurück auf der Demo. Die ist wieder vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Die Polizei kann die Sicherheit der Demonstranten nicht mehr garantieren, heisst es bald, es seien schlicht zu viele Menschen in der Innenstadt.