Lagebild Ukraine Kiew stört Nachschub der Russen, muss aber auch einstecken

Von Philipp Dahm

7.8.2023

Brücke

Brücke

07.08.2023

Nach der Zugverbindung zwischen der Krim und der Südukraine greift Kiew jetzt die Autobrücken an – und schränkt so Russlands Nachschub weiter ein. Moskau freut sich dagegen über Erfolge im Norden.

Von Philipp Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Seit die Tschonhar-Eisenbahnbrücke zerstört ist, stecken Züge voller Waffen auf der Krim in einer Sackgasse.
  • Nach Raketenangriffen auf die Autobrücken bei Tschonhar und Henitschesk ist derzeit nur noch eine Strassenverbindung von der Krim in die Südukraine befahrbar.
  • Die ukrainischen Vorstösse auf Robotyne, Urozhaine und Klischtschijwka kommen nur mühsam voran.
  • Die russische Armee kann im nördlichsten Frontabschnitt kleinere Erfolge erzielen.

Die Nachschub-Probleme der russischen Truppen in der Südukraine werden nicht weniger. Nachdem die ukrainische Armee die Tschonhar-Eisenbahnbrücke zerstört hat, die die einzige Gleisverbindung zwischen der Krim und Saporischschja sowie Cherson ist, stauen sich Züge mit Material auf der Krim. Das Kriegsmaterial kann deshalb vorerst nicht an die Front gebracht werden – siehe Video oben.

Nun haben Wolodymyr Selenskyjs Generäle auch die Tschonhar-Autobrücken in der Region ins Visier genommen, wobei der Präsident offenbar persönlich involviert war: Ein Storm-Shadow-Marschflugkörper hat ein Loch in die Mitte der Brücke gerissen, was Schwerlast-Transporte zunächst verunmöglichen dürfte.

Ausserdem zeigt ein Bild im Tweet oben, dass auch die Brücke bei Henitschesk angegriffen und unbrauchbar gemacht worden ist. Die Stadt liegt am Ende der Arabat-Nehrung – einem schmalen Streifen Land, der die Krim und das Festland mit einer Strasse verbindet. 

Lage der Arabat Nerhung zwischen Krim und dem Oblast Cherson.
Lage der Arabat Nerhung zwischen Krim und dem Oblast Cherson.
Google Earth

Die Zerstörung der Nachschubwege geht folgerichtig einher mit Angriffen auf Waffenlager: Kiews Armee hat alleine am 5. August in der Südukraine sechs russische Munitionsdepots getroffen, teilt der ukrainische Brigadegeneral Oleksandr Tarnawskji auf Telegram mit.

Nachschub auch via Strassen massiv eingesränkt

Der russischen Armee bleibt derzeit nur noch die Autobahn M17, um schweres Material von der Krim nach Cherson zu schaffen. Doch diese Strecke muss weit nach Westen befahren werden, um zur M14 zu gelangen, die wieder nach Osten Richtung Melitopol und weiter nach Mariupol führt.

Die Autobahn M17 und andere Hauptstrassen in der Südukraine
Die Autobahn M17 und andere Hauptstrassen in der Südukraine
ISW

Und diese Verbindung der beiden Autobahnen liegt nicht weit entfernt von dem Brückenkopf, den ukrainische Spezialeinheiten am linken, östlichen Ufer des Dnjepr bei der zerstörten Antoniwkabrücke errichtet haben, der derzeit ausgebaut wird: Gut möglich, dass sich Kiews Armee deshalb dazu entschieden hat, sich dort festzusetzen.

An der Frontlinie im Süden machen die ukrainischen Streitkräfte weiterhin Druck von Norden her: Sie haben von Staromajorsk her angeblich den Fluss Mokri Jaly überquert und sich am östlichen Ufer eingerichtet, um Urozhaine zu befreien. Eine zweite Gruppe greift das Dorf im Norden an.

Russen wehren sich hartnäckig

77 Kilometer südöstlich geht der Kampf um Robotyne weiter: In diesem Frontabschnitt hat Kiews Armee die erste Verteidigungslinie der Russen erreicht. Hinter der gibt es allerdings mindestens zwei weitere Linien, weshalb dieser Erfolg zu relativieren ist.

Robotyne (Ausbuchtung Bildmitte) ist nach wie vor heiss umkämpft.
Robotyne (Ausbuchtung Bildmitte) ist nach wie vor heiss umkämpft.
Karte: Military Land

Die Gegenseite kann allerdings auch kleine Erfolge vermelden – etwa südlich von Bachmut: Obwohl ukrainische Truppen bei Klischtschijwka taktisch in der deutlich besseren Position sind, konnten sie das Dorf immer noch nicht erobern, weil sich die Russen in dessen Osten eingegraben und Verstärkungen herangeführt haben. 

Russlands Gegenoffensiven nördlich und südlich von Klischtschijwka. In der Bildmitte oben beim roten Pfeil liegt Bilohoriwka, das die Ukrainer verbissen verteidigen.
Russlands Gegenoffensiven nördlich und südlich von Klischtschijwka. In der Bildmitte oben beim roten Pfeil liegt Bilohoriwka, das die Ukrainer verbissen verteidigen.
Karte: Military Land

Nördlich und südlich von Klischtschijwka führen sie zudem Entlastungsangriffe durch. Nördlich von Bachmut haben russische Truppen ausserdem Boden bei Bilohoriwka gutgemacht: Die Siedlung an der Grenze zwischen Luhansk und Donezk liegt erhöht, ist stark befestigt und ein wichtiger Baustein in der ukrainischen Verteidigungslinie.

Moskaus Erfolge im nördlichsten Frontabschnitt

Im nördlichsten Frontabschnitt hat Moskau Truppen zusammengezogen und verstärkt seit Tagen den Druck. Ein Fixpunkt an der Front in West-Luhansk war für die Ukraine lange das Dorf Novoselivske, das 15 Kilometer nordöstlich von Swatowe direkt an der Autobahn P07 liegt. Über Monate haben es russische Truppen immer wieder attackiert, nun ist es ihnen gelungen, das Dorf einzunehmen, räumen ukrainische Quellen ein. 

Die russischen Verstärkungen zahlen sich aus: Novoselivske ist gefallen.
Die russischen Verstärkungen zahlen sich aus: Novoselivske ist gefallen.
Screenshot: YouTube/Military Lab

Ausserdem wurde eine ukrainische Gegenoffensive bei Karmasyniwka aufgehalten. Vor Kupjansk soll sich die Front laut Military Lab acht Kilometer vor der ukrainischen Schlüsselstadt stabilisiert haben. Der russische Vorstoss ist angeblich beim Dorf Petropawliwka gestoppt worden.

Die Schüsselstadt Kupjansk gehört bereits zum Oblast Charkiw und liegt rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt.
Die Schüsselstadt Kupjansk gehört bereits zum Oblast Charkiw und liegt rund 40 Kilometer von der russischen Grenze entfernt.
Screenshot: YouTube/Miliary Lab