Deutschland Krachende Niederlage für Sunak: Gericht stoppt Asyl-Pakt mit Ruanda

SDA

15.11.2023 - 17:15

Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass die Regierung ihren umstrittenen Plan zur Abschiebung von Migranten nach Ruanda nicht weiterverfolgen kann. Foto: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa
Der Oberste Gerichtshof hat entschieden, dass die Regierung ihren umstrittenen Plan zur Abschiebung von Migranten nach Ruanda nicht weiterverfolgen kann. Foto: Kirsty Wigglesworth/AP/dpa
Keystone

Bei einem seiner wichtigsten politischen Projekte hat der britische Premierminister Rishi Sunak eine krachende Niederlage vor Gericht erlitten.

Der Oberste Gerichtshof verwarf am Mittwoch die Pläne des konservativen Regierungschefs als rechtswidrig, irregulär eingereiste Migranten ungeachtet ihrer Herkunft nach Ruanda abzuschieben und dort einen Asylantrag stellen zu lassen.

Als wahrscheinlich gilt, dass Rufe des rechten Flügels von Sunaks Konservativer Partei nach einem Ausstieg aus der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nun lauter werden. Der Premier kündigte an, er werde alle Gesetze und internationalen Verpflichtungen im Lichte der Entscheidung prüfen.

Gericht sieht erhebliche Probleme für Flüchtlinge in Ruanda

Das oberste britische Gericht machte in seiner Urteilsbegründung umfassend deutlich, dass es das ostafrikanische Ruanda nicht als sicheres Drittland betrachtet. Dabei berief sich der Supreme Court vor allem auf Berichte des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR sowie frühere britische Angaben über aussergerichtliche Hinrichtungen, Todesfälle in Haft sowie Folter und eine hohe Ablehnung von Asylanträgen aus Konfliktgebieten wie Syrien.

Es besteht demnach die Gefahr, dass Flüchtlinge keine Chance auf ein faires Asylverfahren in Ruanda haben und ihnen eine Abschiebung in ihr Heimatland droht. Das Gericht betonte, nicht nur die EMRK, sondern auch die Flüchtlingskonvention der Vereinten Nationen und andere Abkommen würden die Rückführung von Asylsuchenden verbieten.

Stopp der irregulären Migration ist ein zentrales Versprechen

Sunak hat versprochen, die kleinen Boote zu stoppen, mit denen Migranten über den Ärmelkanal das Land erreichen. Im vergangenen Jahr kamen mehr als 45 000 Menschen auf diesem Weg nach Grossbritannien. Zwar ist 2023 die Zahl bislang niedriger als im Vorjahresvergleich, doch das Versprechen gilt noch nicht als eingelöst. Der Ruanda-Plan war ein zentraler Bestandteil von Sunaks Regierungsprogramm – das Urteil ist daher für den Premier ein weiterer Rückschlag.

Seine Tories liegen in Umfragen weit hinter der Oppositionspartei Labour. Die nächste Parlamentswahl findet spätestens im Januar 2025 statt.

Vorgesehen war, irreguläre Migranten künftig ohne Prüfung eines Asylantrags direkt nach Ostafrika abzuschieben und dort um Schutz suchen zu lassen. Eine Rückkehr nach Grossbritannien war demnach ausgeschlossen. Das Vorhaben, für das die britische Regierung bereits mehr als 140 Millionen Pfund an Ruanda gezahlt hat, war im In- und Ausland auf heftige Kritik gestossen.

Das UNHCR hatte das Vorgehen als Bruch internationalen Rechts verurteilt. Englands Bischöfe sprachen von einer «Schande für Grossbritannien». Zudem gibt es Zweifel, ob der erhoffte Abschreckungseffekt tatsächlich eintreten würde.

Rechter Tory-Flügel ist bereits sauer auf Sunak

Die Gerichtsentscheidung setzt Sunak auch in seiner Partei verstärkt unter Druck. Hardliner wie Vize-Geschäftsführer Lee Anderson forderten, die Regierung solle das Urteil kurzerhand ignorieren und Migranten ins nächste Flugzeug setzen. Anderson sprach von einem «schwarzen Tag für die Briten».

Der rechte Flügel ist ohnehin in Aufruhr, weil Sunak am Montag die bisherige Innenministerin Suella Braverman gefeuert hatte. Die Rechtsaussen-Politikerin warf dem Premier daraufhin vor, er habe die Wähler belogen und das Land betrogen. Braverman will nach Ansicht von Kommentatoren nach der erwarteten Wahlschlappe selbst Tory-Chefin werden.

Im Parlament kündigte der neue Innenminister James Cleverly nun einen neuen Vertrag mit Ruanda an. Dabei solle etwa verankert werden, dass Asylsuchende nicht in ein anderes Land weitergeschoben werden können, sagte Cleverly. In einem Telefonat betonten Sunak und der ruandische Präsidenten Paul Kagame, sie wollten alle Schritte unternehmen, um eine «robuste und rechtmässige Politik» sicherzustellen.

Doch gilt es selbst im Falle eines neuen Vertrags als unwahrscheinlich, dass bald ein Flugzeug nach Ruanda abhebt. Kommentatoren betonten, der Supreme Court habe institutionelle Probleme in Ruanda kritisiert.

Britische Regierung verweist auf Debatte in Deutschland

Cleverly sagte, dass andere Länder in ihrer Asylpolitik dem britischen Beispiel folgen würden und verwies auch auf Deutschland. Zuletzt hatte es in der EU und in Deutschland Forderungen nach der Auslagerung von Asylverfahren in Drittländer gegeben. Der Bund bekräftigte dabei auch auf Drängen der Ministerpräsidenten, er wolle Asylverfahren ausserhalb Europas prüfen.

Ein Bund-Länder-Beschluss geht hier allerdings nicht ins Detail. Die SPD-Ministerpräsidenten machten aber deutlich, sie könnten sich allenfalls vorstellen, dass Asylgesuche noch vor der Einreise geprüft werden. Ein One-Way-Ticket nach Ruanda, wie es Grossbritannien plant, lehnten sie ab.

Italien vereinbarte kürzlich mit Albanien den Aufbau von zwei Zentren in dem Balkanstaat zur Aufnahme von Migranten. Menschen, die von Schiffen der italienischen Behörden gerettet werden, sollen in Albanien ihr Asylverfahren zu durchlaufen. Nur Menschen, deren Asylantrag bewilligt wird, sollen dann nach Italien gebracht werden.