Vietnam Lehrer der Achtsamkeit: Zen-Meister Thich Nhat Hanh ist tot

SDA

22.1.2022 - 15:54

ARCHIV - Der vietnamesische Zen-Meister Thich Nhat Hanh (Mitte am 16. März 2007 bei einer großen Gesangszeremonie in der Vinh-Nghiem-Pagode in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam. Der berühmte Zen-Meister und Autor Thich Nhat Hanh ist tot. Foto: Uncredited/AP/dpa
ARCHIV - Der vietnamesische Zen-Meister Thich Nhat Hanh (Mitte am 16. März 2007 bei einer großen Gesangszeremonie in der Vinh-Nghiem-Pagode in Ho-Chi-Minh-Stadt, Vietnam. Der berühmte Zen-Meister und Autor Thich Nhat Hanh ist tot. Foto: Uncredited/AP/dpa
Keystone

Der berühmte Zen-Meister und Autor Thich Nhat Hanh ist tot.

Der in aller Welt verehrte buddhistische Mönch, den Martin Luther King Jr. 1967 für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen hatte, starb am Samstag (Ortszeit) im Alter von 95 Jahren friedlich in seinem Haus im Tu Hieu Tempel in der vietnamesischen Stadt Hue, wie das von ihm gegründete Meditationszentrum «Plum Village» auf Twitter mitteilte. Die zahlreichen Bücher Thich Nhat Hanhs, in denen er sich für Nächstenliebe und ein Leben in Achtsamkeit und im Bewusstsein der Gegenwart einsetzte, wurden in fast zwei Dutzend Sprachen übersetzt.

Der Dalai Lama würdigte ihn in einer Botschaft als «Freund und spirituellen Bruder». Thich Nhat Hanh habe mit den Menschen nicht nur Achtsamkeit und Mitgefühl geteilt, sondern ihnen auch gezeigt, wie innere Ruhe zum Weltfrieden beitragen könne. «Der Ehrwürdige hat ein wirklich bedeutsames Leben gelebt.» Es sei wichtig, seine Arbeit zur Förderung des Weltfriedens fortzusetzen.

Auch in Deutschland war der Vietnamese aktiv: 2008 gründete er in Waldbröl in der Nähe von Köln das EIAB. Viele Tausend Besucher aus 35 europäischen Ländern haben dort seitdem an Kursen teilgenommen. Auf Deutsch erschienen rund 30 der insgesamt über 100 Werke des Mönchs, darunter «Der furchtlose Buddha: Was uns durch die Angst trägt» und «Versöhnung mit dem inneren Kind: Von der heilenden Kraft der Achtsamkeit». Sein Tod sei «ein Verlust für die Menschheit», so der Religionswissenschaftler Perry Schmidt-Leukel.

1966 war Thich Nhat Hanh im Zuge seiner Friedensbemühungen während des Vietnam-Kriegs aus seiner Heimat verbannt worden. Anschliessend lebte er lange in Frankreich im Exil. Im Département Dordogne im Südwesten des Landes gründete er 1982 das berühmte «Plum Village», ein buddhistisches Meditationszentrum. Viele weitere Zentren und Klöster folgten, darunter in den USA, Australien und Thailand. Tausende Menschen aus aller Welt kommen jährlich zu den Retreats.

Immer wieder forderte Thich Nhat Hanh die Menschen auf, bewusster zu leben. Dabei warnte er: «Wir wissen, dass viele Zivilisationen in der Vergangenheit verschwunden sind, und auch unsere Zivilisation kann verschwinden. Wir brauchen ein echtes Erwachen. Wir müssen unsere Art zu Denken und zu Sprechen ändern, und das ist möglich.»

Die amerikanische Botschaft in Vietnam würdigte am Samstag, Thich Nhat Hanh habe sich stets für religiösen Pluralismus eingesetzt. Er werde «als einer der wohl einflussreichsten und prominentesten religiösen Führer der Welt» in Erinnerung bleiben. «Durch seine Lehren und sein literarisches Werk wird sein Vermächtnis für kommende Generationen bestehen bleiben.» Plum Village in Frankreich kündigte an, dem Toten fünf Tage lang mit via Internet übertragenen Meditationen und Zeremonien gedenken zu wollen. Menschen in aller Welt posteten in sozialen Netzwerken Zitate des Mönchs.

Nach einem Schlaganfall im Jahr 2014 war Thich Nhat Hanh Ende 2018 nach Vietnam zurückgekehrt. Seinen Schülern teilte er mit, er wolle seine restliche Lebenszeit im Kloster Tu Hieu in der Stadt Hue verbringen, wo er mit 23 Jahren zum Mönch ordiniert worden war. Eines der bekannten Zitate des Friedensaktivisten, der von seinen Schülern «Thay» (Lehrer) genannt wurde, lautet: «Die Welle muss nicht sterben, um zu Wasser zu werden. Sie ist bereits Wasser.»