New YorkLieber tot als zurück zur Familie – saudische Frauen auf der Flucht
AP
15.11.2018
Das Schicksal zweier Schwestern aus Saudiarabien erschüttert. Es zeigt, wie schwer es für Frauen wie sie ist, offenbar auch im Ausland ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
Die Leichen der beiden Schwestern wurden Ende Oktober an das steinige Ufer des Hudson in New York angespült. Die 16 Jahre alte Tala Farea und ihre 22 Jahre alte Schwester Rotana waren von ihrer Familie weggelaufen. Das Schicksal der beiden Schwestern wirft ein Licht darauf, was es für saudiarabische Frauen bedeuten kann, wenn sie ihre Familien verlassen – ganz gleich, ob im Königreich oder im Ausland.
Tala und Rotana waren aus dem elterlichen Haus in Fairfax im US-Staat Virginia geflohen. Sie wurden zunächst in einem Frauenhaus untergebracht, weil sie angaben, zuhause missbraucht worden zu sein. Sie reisten nach New York weiter, logierten in Luxushotels und reizten das Kreditkartenlimit der grossen Schwester aus.
Vormundschaftssystem häufiger Fluchtgrund
Was dann passierte, wird noch untersucht. Die beiden Leichen wiesen keine äusseren Verletzungen auf, waren mit Klebeband miteinander verbunden. Chefermittler Dermot Shea sagt, dass die beiden Schwestern im vergangenen Jahr vor Zeugen angedeutet hätten, sich eher etwas antun zu wollen, als nach Saudiarabien zurückzukehren.
Im Königreich selbst haben Frauen, die vor ihrer Familie fliehen wollen, kaum Chancen. Unter einem Vormundschaftssystem müssen sie die Erlaubnis eines männlichen Verwandten vorweisen – Vater, Ehemann, Bruder oder sogar Sohn –, um zu heiraten, einen Pass zu erhalten oder zu reisen.
Adam Coogle von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch erklärt, dieses Vormundschaftssystem sei der Grund dafür, dass viele Frauen versuchten zu fliehen. In Saudiarabien hätten sie es noch schwerer, seien zudem physischer Gewalt und sexuellem Missbrauch ausgesetzt. Er verweist auch darauf, dass Frauen immer wieder gegen ihren Willen zu Ehen gezwungen würden. Ob dies bei den Farea-Schwestern der Fall war, wird noch untersucht.
Weggelaufene meist zur Rückkehr gezwungen
Wenn Familien weggelaufene weibliche Mitglieder aufspüren, werden diese meist zur Rückkehr gezwungen oder in Einrichtungen untergebracht, aus denen sie nur herauskommen, wenn sie ausbrechen können. Andere werden eingesperrt, und nur eine männliche Aufsichtsperson kann ihre Freilassung veranlassen.
Vergangenes Jahr verbrachte die saudiarabische Frauenrechtlerin Mariam al-Otaibi mehr als 100 Tage in einem Frauengefängnis in Riad, nachdem ihr Vater sie bei der Polizei angezeigt hatte. Sie hatte gegen seine Erlaubnis das Zuhause verlassen. Erst nachdem ihr Fall die Aufmerksamkeit von Aktivisten erregt hatte, kam sie frei.
Zuletzt sammelte eine saudische Frauenrechtsgruppe Geld für missbrauchte und geflohene Frauen. Sie wollte eine Organisation gründen, die nicht der Regierung untersteht. Doch im Mai nahmen die Behörden mindestens neun der Aktivistinnen und drei ihrer männlichen Unterstützer fest. Sie sind bis heute in Haft, die Begründung ist vage: Es gehe um die nationale Sicherheit, heisst es nur.
Sex vor der Ehe ist strafbar
Die Probleme von Frauen beschäftigen die saudiarabische Gesellschaft zunehmend. Regierungsnahe Zeitungen berichten von einer Flucht aus Frauenhäusern. In Artikeln wird die Frage aufgeworfen, ob sie dort tatsächlich ausreichend Hilfe und Fürsorge erfahren.
In Aktivistenkreisen sind die staatlichen Unterkünfte als gefängnisartig beschrieben worden. Frauen hätten darin keinen freien Zugang zum Internet oder zu Mobiltelefonen, ihre Bewegungsfreiheit sei eingeschränkt. Offiziell heisst es, es gebe für die Frauen Pflege- und Therapieangebote. Doch das schliesst zum Beispiel keine Frauen ein, die ausserehelich schwanger geworden sind. Denn Sex vor der Ehe ist in Saudiarabien wie in vielen anderen muslimischen Ländern strafbar.
Die aktuellste Statistik des Ministeriums für Arbeit und soziale Entwicklung besagt, dass 577 saudiarabische Frauen im Jahr 2015 versucht hätten, vor ihren Familien zu fliehen. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich höher, denn viele Familien melden solche Fälle nicht.
Keine Hinweise auf Verbrechen
Die Farea-Schwestern waren mit ihrer Mutter und zwei Brüdern im Jahr 2015 aus Saudiarabien in die USA gekommen. Der Vater pendelte zwischen den beiden Ländern, wie Medien unter Berufung auf Angehörige berichteten.
Die Ermittler gehen davon aus, dass die Schwestern einen Asylantrag gestellt hatten. Eines der Probleme für Frauen, die Asyl suchen, ist jedoch, dass sie Missbrauch nachweisen müssen. Wenn man nicht mindestens eine SMS mit Drohungen vorweisen könne, habe man keine guten Karten für den Antrag, sagt Coogle von Human Rights Watch.
Nach dem Tod der Farea-Schwestern meldete sich ein Zeuge. Der gab an, die beiden Schwestern Stunden davor im Riverside Park in New York gesehen zu haben. Sie hätten ihre Köpfe in die Hände gelegt gehabt und laut gebetet. Offiziell sprechen die Ermittler nicht von Selbstmord. Allerdings gebe es keine Hinweise auf ein Verbrechen.
Die Leichen der beiden Schwestern wurden Anfang November nach Saudiarabien zurückgebracht und noch am gleichen Tag in Medina beigesetzt – einem der heiligsten Orte der Muslime, wo der Prophet Mohammed begraben liegt. «Es ist durch und durch eine Tragödie», sagt Chefermittler Shea.
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