Macht, Gunst, Schikanen und Abstürze Macht, Gunst, Schikanen und Abstürze: Der absurde Alltag in Trumps Kabinett

Von Jonathan Lemire, Catherine Lucey und Zeke Miller, AP

7.7.2018

Wer steht Trump nahe, wer muss um seinen Posten fürchten? Der US-Präsident gilt als unberechenbar.
Wer steht Trump nahe, wer muss um seinen Posten fürchten? Der US-Präsident gilt als unberechenbar.
Bild: KEYSTONE/AP/EVAN VUCCI

Sie verfügen über Einfluss und Prestige, sitzen aber zugleich auf wackeligen Stühlen. Sicher kann sich in der Regierung Trump nur derjenige fühlen, der dem Präsidenten blind ergeben ist.

Nach seinem Fernsehauftritt mit einer Suppendose musste US-Handelsminister Wilbur Ross zu einer Standpauke im Weissen Haus antreten. Verteidigungsminister James Mattis wurde von Präsident Donald Trumps Ankündigung überstimmt, er wolle eine Weltraum-Armee aufbauen. Umweltbehördenchef Scott Pruitt handelte sich eine scharfe Ermahnung von Trump ein, nachdem Korruptionsvorwürfe gegen ihn die Fernsehnachrichten beherrschten. Wenige Monate später ist Pruitt nun sein Amt los.

Willkommen im Trump-Kabinett, wo weitreichende Möglichkeiten zur Gestaltung der Regierung und einer konservativen Agenda einhergehen mit täglichen Szenen präsidialer Beweihräucherung, Demütigung, Bevorzugung und Schikane. Manchmal kommt das alles sogar fast zur gleichen Zeit. Die Mitglieder des Kabinetts verfügen über ein hohes Mass an Prestige und Macht. Sie können in der Air Force One mit Trump durch die Welt fliegen, missliebige Bestimmungen auf eigenen Wunsch zurückfahren und eine Politik mit weitreichenden Folgen für Millionen Amerikaner festlegen.

Doch sie können sich auch rasch im Rampenlicht wiederfinden, wenn der Regierungskurs ins Kreuzfeuer gerät. Der Minister für Gesundheit und Soziales, Alex Azar, erfuhr dies am eigenen Leib, als die erzwungenen Familientrennungen an der amerikanisch-mexikanischen Grenze Schlagzeilen machten. Azar war so entschlossen, einen besseren Umgang mit den 12 000 Einwandererkindern zu finden, dass er sich in der vergangenen Woche in einer Nachtschicht persönlich mit den Fällen befasste.

Wer hat Einfluss auf Trump

Die Kabinettsmitglieder sind an einen sprunghaften Präsidenten gebunden, der bekanntermassen rasch wütend auf seine Mitarbeiter wird und auch nicht davor zurückschreckt, Untergebene in aller Öffentlichkeit blosszustellen. Ein Beispiel dafür ist Trumps Umgang mit Justizminister Jeff Sessions. Den früheren Senator bezeichnete er in einem Tweet als «überlastet», er kritisierte ihn immer wieder öffentlich.

Pruitt blieb angesichts seiner Negativschlagzeilen länger im Amt, als von vielen in Washington erwartet. Doch am Donnerstag twitterte Trump, der Chef der EPA-Behörde sei zurückgetreten. Später erklärte er, Pruitt habe das Gefühl gehabt, sein Fall ziehe zu viel Aufmerksamkeit von der Agenda des Präsidenten ab.

Trumps Kabinett, eine Mischung aus dekorierten Generälen, einflussreichen Konservativen und Schwergewichten aus der Wirtschaft, wird regelmässig von Skandalen und Fluktuation geplagt. Das Standing bei Trump - wer steht oben, wer unten, wer ist wichtig, wer nicht - hängt eng damit zusammen, wie gut derjenige in den Medien und vor allem im Kabelfernsehen wegkommt.

Diese Dynamik hat in den vergangenen 16 Monaten zu einem Kabinett mit Gruppen geführt, die unterschiedlich viel Einfluss auf den Präsidenten haben. Zwar können sich alle 24 Kabinettsmitglieder, darunter der Vizepräsident, gelegentlich persönlich an Trump wenden. Doch einigen von ihnen gelang es immer wieder, hinter den Kulissen Einfluss auf ihn zu nehmen und sich seinen Respekt zu erhalten. Andere wehrten bisher eine Flut von Vorwürfen ethischer Verfehlungen ab und setzen weiter unbeirrt die Agenda des Präsidenten um. Eine dritte Gruppe bewegt sich weitgehend unter dem Radar: Ihre Mitglieder halten ihre Namen aus den Schlagzeilen heraus und sitzen offenbar fest im Sattel.

Vor Vertrauten soll er über Session herziehen

Trump beurteilt seine Minister vor allem danach, wie loyal sie sich ihm gegenüber verhalten, wie es aus Kreisen der Regierung und des Parlaments heisst. Einer der das offenbar besonders gut beherrscht, ist Mike Pompeo, zunächst als Trumps CIA-Direktor und jetzt als sein Aussenminister. Er gehörte schon früh zu den Unterstützern des Präsidenten, das persönliche Verhältnis zwischen beiden wurde seither immer enger.

Am anderen Ende des Spektrums steht dagegen Sessions. Trump hackt immer wieder in Tweets und Interviews auf ihm herum. In vertraulichen Gesprächen weigert er sich, den Minister beim Namen zu nennen und bezeichnet ihn lediglich als «einen meiner Anwälte». Vor Vertrauten soll er im Weissen Haus sowie an Bord der «Air Force One» über Session herziehen, sobald dieser im Fernsehen zu sehen ist. Zudem wirft er dem Justizministerium eine Verschwörung vor.

Dennoch verzichtete Trump - sichtlich zu seiner eigenen Frustration - bislang darauf, Sessions zu entlassen. Das dürfte zumindest für die Dauer der Russland-Untersuchungen von Sonderermittler Robert Mueller gelten. Der Justizminister geniesst den Rückhalt von Konservativen und republikanischen Senatoren. Und Trumps Vertraute, darunter sein Rechtsberater Rudy Giuliani, gehen davon aus, dass eine Entlassung von Sessions grossen Einfluss auf die Russland-Ermittlungen hätte.

Der Minister selbst lässt Trumps Attacken weitgehend reglos über sich ergehen. Vor wenigen Monaten überreichten seine engsten Mitarbeiter ihm ein Geschenk zu seinem ersten Jahr im Amt: Es war eine kugelsichere Weste mit seinem Namen darauf.

Die 10 peinlichsten Trump-Fails
Zurück zur Startseite