Kim und BidenMachtwechsel in Washington setzt Nordkorea unter Zugzwang
AP/toko
23.1.2021 - 13:36
Trotz persönlicher Treffen und pompöser Rhetorik war Donald Trump für Kim Jong Un eine Enttäuschung. Nun muss er sich gegenüber den USA neu positionieren. Für Joe Biden dürfte der Konflikt mit Pjöngjang zunächst aber keine sehr hohe Priorität haben.
Bei der Entwicklung neuer Waffensysteme scheint Nordkorea weiter Fortschritte zu machen. Die Wirtschaft dagegen liegt am Boden – wegen der internationalen Sanktionen und nun verstärkt auch wegen der Pandemie. Ob sich die Lage bald bessert, dürfte massgeblich von dem neuen US-Präsidenten abhängen. Dabei spricht einiges dafür, dass der Machthaber in Pjöngjang nicht einfach abwarten wird, bis das Weisse Haus auf ihn zukommt.
Joe Biden hat Kim Jong Un als einen «Schurken» bezeichnet. Und seinem Amtsvorgänger Donald Trump hat er vorgeworfen, er habe sich in der Nordkorea-Politik mehr um Spektakel bemüht, als um eine echte Reduzierung der Waffenarsenale des asiatischen Landes. Kim hat in jüngsten Reden angekündigt, das nordkoreanische Atomprogramm weiter forcieren zu wollen. Die Voraussetzungen für einen Neuanfang sind also nicht unbedingt die besten.
Immerhin hat Kim aber auch angemerkt, dass die Beziehungen der beiden Länder davon abhängen würden, ob Washington an dem bisherigen Kurs festhalten werde. Damit hat er Biden durchaus einen Anknüpfungspunkt für eine mögliche diplomatische Initiative geliefert. Kims Geduld könnte allerdings begrenzt sein: Es wäre nicht das erste Mal, dass Pjöngjang wenige Wochen nach einem Machtwechsel in den USA mit Raketentests für Schlagzeilen sorgt, um eine neue amerikanische Regierung zu provozieren und damit an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Bei Militärparaden hatte Nordkorea zuletzt einige neue Waffensysteme präsentiert – darunter Festbrennstoffraketen, die von Fahrzeugen oder U-Booten aus abgefeuert werden könnten, und die bisher grösste ballistische Interkontinentalrakete des Landes. In beiden Fällen wären zeitnahe Test durchaus denkbar. Dies würde die Spannungen in der Region noch einmal schlagartig erhöhen.
Spätestens seit einer Testserie im Jahr 2017, bei der laut nordkoreanischen Angaben auch eine Wasserstoffbombe zur Detonation gebracht wurde und sich zugleich abzeichnete, dass die Raketen des Landes womöglich das amerikanische Kernland erreichen könnten, gilt Pjöngjang als ernsthafte militärische Bedrohung für die USA und dessen Verbündete in Asien. Zugleich wurde immer klarer, dass Kim wohl niemals freiwillig bereit sein wird, auf die Waffen zu verzichten, die für ihn das wichtigste Mittel zur eigenen Machtsicherung sind.
Neuer Präsident — neuer Anlauf?
Ein Jahr später folgte das erste persönliche Treffen zwischen Kim und Trump. Auch im Verhältnis zu Südkorea schien Kim damals auf Entspannung zu setzten. Doch der diplomatische Vorstoss endete 2019, als die USA es ablehnten, im Gegenzug für Zusagen zu einer schrittweisen Abrüstung grosse Teile ihrer Sanktionen aufzuheben.
Mit einem neuen US-Präsidenten könnte es theoretisch zu einem neuen Anlauf kommen. Allerdings dürfte Biden das Thema Nordkorea im Moment nicht zu seinen drängendsten Aufgaben zählen. Für die neue Regierung in Washington ist «die wahrscheinliche Abfolge der politischen Schwerpunkte» nach Einschätzung des Experten Leif-Eric Easley: «Amerikas eigenes Haus in Ordnung bringen, die US-Allianzen stärken und Strategien gegenüber China und Russland justieren.» Erst danach würden Nordkorea sowie der Iran in den Fokus rücken, sagt der Professor der Ewha University in Seoul.
Militärisches Potenzial steigt trotz Sanktionen
In der Regierungszeit von Barack Obama, als Biden Vize-Präsident war, hatten die USA ganz darauf gesetzt, Nordkorea mit Sanktionen in Schach zu halten. Seitdem sind die militärischen Potenziale des asiatischen Landes aber deutlich grösser geworden – und damit auch der Druck auf die USA. So schwierig die wirtschaftliche Lage Nordkoreas derzeit sein mag, wird Kim daher wenig Anlass zu Konzessionen sehen.
Im Jahr 2009 hatte Nordkorea wenige Wochen nach der Amtseinführung von Obama mit Atomtests die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen. In ähnlicher Weise könnte Kim nun versuchen, auch Biden frühzeitig zum Handeln zu zwingen. Das Land «ist in der Lage, Tests durchzuführen, die die USA und ihre Verbündeten nicht ignorieren können», sagt Easley. «Es ist wahrscheinlich, dass Kim dies ausnutzen wird.»
Voraussichtlich werde Pjöngjang aber mit weiteren Waffentests mindestens bis zu der für Februar geplanten «Rede zur Lage der Nation» des neuen US-Präsidenten warten, sagt Shin Beomchul von dem in Seoul ansässigen Korea Research Institute for National Strategy. Kims weiteres Vorgehen könnte auch davon abhängen, ob eine von den USA und Südkorea für März geplante gemeinsame Truppenübung tatsächlich zustande kommen werde.
Keine Absicht, nachzugeben
«Der Norden hat während des Parteikongresses deutlich gemacht, dass er keinerlei Absicht hat, als erstes nachzugeben, aber dass er durchaus interessiert ist zu hören, was die Vereinigten Staaten zu sagen haben», sagt Shin. Anders als unter Trump wird die Diplomatie unter Biden nach Schätzung des Experten wohl weniger vom Präsidenten persönlich ausgehen, sodass auf Arbeitsebene wieder auf flexiblere Art Gespräche möglich wären. Bidens Ziel wird laut Shin womöglich ein ähnliches Abkommen wie das mit dem Iran sein, das Trump 2018 aufgekündigt hatte.
Ob sich Kim darauf einlassen würde, ist allerdings fraglich. Ein Abkommen nach Vorbild des Atomdeals mit dem Iran sei nicht wahrscheinlich, weil Nordkorea bereits über viel fortschrittlichere Waffen verfüge und daher kaum die mit Teheran einst vereinbarten Kontrollen akzeptieren würde, sagt Park Won Gon von der südkoreanischen Universität Handong. Eines sei allerdings auch klar: Sobald Nordkorea wieder Waffen teste, werde Biden zu Sanktionen greifen, um «Kims Wirtschaft» noch weiter zu schwächen.