Putin die Stirn bieten Macron eilt Moldawien mit Millionen zur Hilfe

Von Andreas Fischer

21.11.2022

Russlands Geheimdienst unterwandert der Staat, der Kreml dreht den Gashahn zu, ein krimineller Exil-Politiker organisiert Massenproteste: Putin würde in der Republik Moldau gern die prowestliche Regierung stürzen.
Russlands Geheimdienst unterwandert der Staat, der Kreml dreht den Gashahn zu, ein krimineller Exil-Politiker organisiert Massenproteste: Putin würde in der Republik Moldau gern die prowestliche Regierung stürzen.
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Russland setzt Moldawien wieder verstärkt unter Druck, Putins Geheimdienst plant den Regierungssturz in der Ex-Sowjetrepublik. Mit Millionenhilfen will Europa dagegenhalten.

Von Andreas Fischer

Während Russland im Krieg gegen die Ukraine in der erzwungenen Defensive bleibt, versucht der Kreml, anderswo Unruhe zu stiften. Die Republik Moldawien rückt wieder verstärkt in den Fokus. Wladimir Putin versucht, immer dreister, die Kontrolle über das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine zu gewinnen.

Moskaus Aktivitäten bleiben aber nicht verborgen. In Paris trommeln zahlreiche Staaten Geld für den EU-Beitrittskandidaten Moldawien zusammen. In Paris trommeln zahlreiche Staaten Geld für den EU-Beitrittskandidaten Moldau zusammen. Die Geberkonferenz solle schnelle und konkrete Hilfe für die frühere Sowjetrepublik bringen, teilte das französische Aussenministerium am Montag mit. «Diese internationale Unterstützung ist um so wichtiger, als Moldau es mit einer noch nie da gewesenen Energiekrise zu tun hat, die angesichts des nahenden Winters die Gefahr einer humanitären Krise mit sich bringt.»

Der französische Präsident Emmanuel Macron erklärte, dass es gerade bei der Energieversorgung entscheidend sei, Moldawien in den nächsten Wochen und Monaten beizustehen. Frankreich werde das Land mit weiteren 100 Millionen Euro unterstützen. Deutschland sicherte gut 32 Millionen Euro zu. Die Gesamtsumme aller Hilfen, die auf der Konferenz zusammenkamen, wurde bis am frühen Abend noch nicht bekannt.

Der Kreml dreht den Gashahn zu

Die Energiekrise ist von Moskau inszeniert. Die Republik Moldawien mit ihren 2,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern ist noch stärker als andere europäische Staaten von russischem Gas abhängig – nämlich zu 100 Prozent. In den vergangenen Wochen hat der russische Staatskonzern Gazprom die Lieferungen um die Hälfte gekürzt.

Als Russland Energieanlagen in der Ukraine bombardierte, war auch Moldawien betroffen: Im ganzen Land fiel weit verbreitet der Strom aus. «Die jüngsten Schikanen Moskaus erfordern eine entschlossene Antwort, einen neuen, robusten sicherheitspolitischen Rahmen, der dem russischen Raubbau entgegenwirkt», kommentiert das Politikmagazin «The Hill».

Moskau nämlich setzt auf den wachsenden Unmut in der Bevölkerung und will ihn nutzen, um die Regierung in Chisinau zu stürzen. Die moldawische Präsidentin Maia Sandu verfolgt eine pro-westliche Agenda, was sich nicht zuletzt in einem EU-Beitrittsgesuch äusserte. Nun sieht sie sich verstärkt mit Protesten der Bevölkerung konfrontiert: Die Menschen gehen zu Tausenden auf die Strasse, um gegen die hohen Energiepreise zu demonstrieren.

Moskaus Operationen im Geheimen

Orchestriert wird der stille Putsch von russischen Geheimdienst FSB, der den Staatsapparat in Moldawien seit Jahren systematisch unterwandert. Eine Schlüsselrolle komme dabei Igor Tschaika zu, wie das deutsche Nachrichtenmagazin «Spiegel» berichtet. Über den Moldawien-Gesandten des russischen Wirtschaftsverbandes Delowaja Rossija würden Gelder verteilt, um kremltreue Parteien zu finanzieren, Wahlen zu manipulieren und Offizielle zu bestechen.

Davon profitiert insbesondere ein windiger Unternehmer und Exil-Politiker: Der 1987 geborene Ilan Shor kam mit einer Duty-Free-Kette und einer Bank zu Reichtum, war Bürgermeister einer Kleinstadt, gründete seine eigene Partei und setzte sich nach der Verurteilung wegen der Beteiligung an einem Betrugsskandal, bei dem eine Milliarde US-Dollar von moldawischen Banken gestohlen wurde, nach Israel ab.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sichert Moldawien für die nächsten Monate Hilfe zu.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sichert Moldawien für die nächsten Monate Hilfe zu.
Bild: AP

Aus dem Exil zieht Shor, unterstützt vom Kreml, weiterhin die Fäden – unter anderem, indem er die Demonstrationen gegen die hohen Energiepreise organisiert. Vertraute haben zudem die Kontrolle über die beiden grössten pro-russischen Fernsehsender übernommen: Shors Propaganda erreicht viele Menschen. Das Narrativ: Die pro-westlich eingestellte Regierung ist für die sich verschlechternde wirtschaftliche Lage Moldawiens verantwortlich.

Putin braucht für einmal keine Panzer

Moskaus klandestinen Operationen in dem Land sind ein Paradebeispiel dafür, welchen Einfluss Putin in Osteuropa nehmen kann – trotz der Rückschläge und Niederlagen im Krieg gegen die Ukraine. Der Kreml verfügt noch immer über Mittel und Instrumente, um Länder zu destabilisieren. Dafür muss Putin nicht einmal Panzer losschicken: Desinformation und die Verknappung von Energie reichen.

In der Republik Moldawien ist die Lage insbesondere prekär, weil der östliche und pro-russische Landesteil Transnistrien de facto autonom ist. Dort aber steht das grösste Kraftwerk des Landes. Und das liefert seit dem 1. November keinen Strom mehr in den pro-europäischen Westen des Landes.

Die Ukraine kann aufgrund der Zerstörung der eigenen Infrastruktur nicht mehr aushelfen. Rumänien, das derzeit den grössten Teil des Strombedarfs deckt, hat bereits signalisiert, dass es nicht genügend Kapazitäten für eine dauerhafte Versorgung hat. Dass die Proteste in der moldawischen Hauptstadt Chisinau bald aufhören, davon sollte man nicht ausgehen.

Mit Material der Nachrichtenagentur AP.