Ägyptens Parlament hat einem weiteren Ausbau der Macht von Präsident Abdel Fattah al-Sisi und des Militärs zugestimmt. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit der 596 Abgeordneten beschloss am Dienstag Verfassungsänderungen, die die Amtszeit des Staatschefs bis 2030 verlängern.
Das meldete die staatliche Nachrichtenseite Al-Ahram. Der Präsident erhält zudem das Recht, hohe Ämter im Justizwesen zu besetzen. Menschenrechtler warnen, durch die Änderungen werde sich die Menschenrechtslage weiter verschlechtern. Kritiker waren bereits im Vorfeld unter Druck gesetzt worden.
531 von 596 Mitgliedern des Abgeordnetenhauses hätten in einer namentlichen Abstimmung für die Änderungen gestimmt, berichtete Al-Ahram weiter. Demnach gab es 22 Gegenstimmen.
Etwas mehr als acht Jahre ist es her, dass Massendemonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo Ägyptens langjährigen autokratischen Herrscher Husni Mubarak stürzten. Der laute Jubel von damals ist jedoch längst verhallt.
Autoritärer als Mubarak
Stattdessen beklagen Aktivisten, Oppositionelle und Menschenrechtsaktivisten, Ägypten werde unter dem 64 Jahre alten Al-Sisi autoritärer regiert als zu den schlimmsten Mubarak-Zeiten. Zehntausende sitzen aus politischen Gründen in Haft. Pressefreiheit und Demonstrationsrecht sind massiv eingeschränkt.
Mit den Verfassungsänderungen baut das Parlament jetzt auch den Einfluss des Präsidenten auf die Justiz aus. Er sitzt künftig einem Hohen Justizrat vor und ernennt ausserdem den Generalstaatsanwalt sowie den Vorsitzenden des Obersten Verfassungsgerichts.
Auch die Rolle des ohnehin schon einflussreichen Militärs sollte gestärkt werden. Die Verfassungsänderungen sahen vor, dass die Armee offiziell die Aufgabe erhält, «die Verfassung und die Demokratie zu schützen».
Al-Sisi gibt sich nach aussen hin gerne als Landesvater, der Ägypten angeblich in Richtung mehr Demokratie führen will. Seine Anhänger argumentieren, die Änderungen seien notwendig, um die Stabilität in unruhigen Zeiten zu wahren. Immer wieder rechtfertigt der Staatschef, ein Ex-General, seine harte Politik mit der Terrorgefahr, etwa im Norden des Sinais, wo ein Ableger der IS-Terrormiliz aktiv ist.
«Militarisierung wird forciert»
Die Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) kommt in einer Analyse jedoch zu dem Schluss, «die heute schon allmächtigen Streitkräfte» stünden mit den Verfassungsänderungen «auch formal über der Verfassung». So grassiert in Ägypten die Sorge, die Militärs könnten noch leichter eingreifen, wenn etwas gegen ihren Willen geht. «Die Militarisierung des Staates wird so forciert», schreibt die SWP.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnt zugleich, Zivilisten könnten jetzt noch häufiger vor Militärgerichten landen. Das Fazit von Amnesty fällt eindeutig aus: Die Verfassungsänderungen gäben Al-Sisi und den Sicherheitskräften freie Hand, «ihre Macht weiter zu missbrauchen und friedliche Proteste auf Jahre zu unterbinden».
Dabei hat der Präsident seinen Aufstieg nicht zuletzt Demonstrationen zu verdanken. Im Sommer 2013 zogen die Ägypter zu Massenprotesten gegen den frei gewählten islamistischen Mohammed Mursi auf die Strasse. Unter Führung des damaligen Armeechefs Al-Sisi nutzte das Militär die Gunst der Stunde, um den ungeliebten Staatschef zu stürzen.
Gelenkte Wahlen
Danach gewann Al-Sisi mit grosser Mehrheit zwei gelenkte Wahlen. Zuletzt holte er im Frühjahr vergangenen Jahres 97 Prozent der Stimmen – alle potenziell gefährlichen Gegenkandidaten hatte die Führung des Landes schon vor der Abstimmung ausgeschaltet.
Die zweite Amtszeit des 64-Jährigen würde nun eigentlich 2022 enden. Die Verfassungsänderungen verlängern diese jedoch um zwei Jahre auf sechs Jahre zu verlängern, wie die Staatsmedien berichteten. Anschliessend könne sich der Präsident um eine weitere sechsjährige Amtszeit bewerben.
Noch vor zwei Jahren hatte Al-Sisi in einem Interview beteuert, keine dritte Amtszeit anzustreben und eine Verfassungsänderung ausgeschlossen. Dabei berief er sich in einem Interview auf den Willen des Volkes: Es stehe ihm als Präsident nicht zu, «einen Tag» gegen diesen im Amt zu bleiben, sagte er dem US-Sender CNBC.
Keine freie Abstimmung
Der Wille des Volkers soll diesmal offiziell durch ein Referendum über die Verfassungsänderungen in den nächsten Wochen gewahrt werden. Ein Ja der Wähler gilt als sicher.
Doch Beobachter erwarten keine freie Abstimmung. «Angesichts von 60'000 politischen Gefangenen, der systematischen Anwendung von Folter und gleichgeschalteter Medien ist ein freier und fairer Urnengang unmöglich», warnt die SWP. Schon während der Debatte über die Verfassungsänderungen im Parlament seien kritische Abgeordnete «Schmutzkampagnen» ausgesetzt gewesen.
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