Late Night USA «Mit Kleinkindern diskutiert man nicht»

Von Philipp Dahm

30.9.2020

Das TV-Duell hat Trevor Noah (rechts) ziemlich fuchsig gemacht.
Das TV-Duell hat Trevor Noah (rechts) ziemlich fuchsig gemacht.
Screenshot: YouTube

Wer hat das erste TV-Duell der US-Präsidentschaftskandidaten gewonnen? Die Late-Night-Stars sind sich einig – und zwar darin, wer verloren hat: das amerikanische Wahlvolk.

Die erste Fernsehdebatte von Donald Trump und Joe Biden war mit Spannung erwartet worden – doch nach dem Duell herrscht vor allem Katerstimmung.

Nicht nur das Feuilleton stellt den US-Politikern schlechte Noten aus: «Der klarste Verlierer dieser ersten Präsidentschaftsdebatte war Amerika», analysiert etwa «The Times». «Tatsächlich war das keine Debatte, die einen vernünftigen Sinn ergab. Es war ein missmutiger und bisweilen unverständlicher Streit zwischen zwei wütenden Männern in den Siebzigern, die sich spürbar gegenseitig verabscheuen.»

Und auch die Hosts der amerikanischen Late-Night-Shows kommen zum selben Ergebnis. Im Monolog der «Tonight Show» spricht Jimmy Fallon von «Chaos», während bei «Jimmy Kimmel Live» gar von der «schlechteste Debatte aller Zeiten» die Rede ist. 

Die anschaulichste Zusammenfassung liefert «The Daily Show». Ganz im Stil der beiden Kandidaten brüllt Trevor Noah den Zuschauer an: «Yoooo! Was war das? Was war das??? Wenn ihr die Debatte verpasst habt, gebe ich euch eine kurze Zusammenfassung vom Geschehen.»

Kampfsport-Schiedsrichter gesucht

Nun aber folgt kein TV-Ausschnitt, sondern ein Ein-Mann-Theater von Trevor Noah, der erst als Trump links steht und herumbrüllt, nur um dann rechts erfolglos zu versuchen, eine Frage anzubringen, die er anschliessend selbst wieder überbrüllt. «Es war echt informativ», ätzt er nach seiner Darbietung.

Noah ahmt einen der beiden Kandidaten nach. 
Noah ahmt einen der beiden Kandidaten nach. 
Screenshot: YouTube

Und damit ist der Zuschauer schon im Bilde: Auf dem Podium ging es um alles, nur nicht um Argumente. Was den 36-Jährigen jedoch von den Politikern unterscheidet: Noah ist nicht bloss destruktiv, sondern bietet auch Lösungen an. «Zuallererst brauchen wir neue Regeln für die Debatten, Leute!»

Der gebürtige Südafrikaner dankt Chris Wallace, dem Moderator des TV-Duells, meint aber auch: «Dafür braucht man keinen Moderator, dafür braucht man einen Kampfsport-Schiedsrichter. Trump konnte seine Klappe nicht halten. Er lamentiert jetzt noch in seinem Schlafzimmer darüber, wie die verbrecherische Hillary Clinton die Wahlen manipuliert hat, die er gewann.»

«Mit Kleinkindern diskutiert man nicht»

Chris Wallace sei kurz davor gewesen, Trump zu sagen, er solle endlich mal die Schnauze halten. «Schaut, ihr Moderatoren, ihr müsst einen Weg finden, wie man mit Trump bei einer Debatte umgeht – denn das ist nicht gut für die Nation.» Es reiche nicht aus, den Präsidenten dauernd um Contenance zu bitten. Bei einem Kleinkind mache man das ja auch nicht: «Bitte, leg die Zündhölzli weg.» Und schon stehe das Haus in Flammen.

Duell-Moderator Chris Wallace: tapfer, aber erfolglos.
Duell-Moderator Chris Wallace: tapfer, aber erfolglos.
Screenshot: YouTube

Melania Trump beweist laut Noah, wie es richtig geht – und dann zeigt er einen kurzen Clip, in dem Trump die Hand seiner Frau nehmen will – diese klatscht sie einfach weg. «Mit Kleinkindern diskutiert man nicht», verdeutlicht der Gastgeber, der sichtlich verärgert ist. «Ich sage euch Leute, sie müssen da was ändern. Tut irgendwas!»

Ein Wasserstoss auf den, der unterbricht etwa. «Oder noch besser: Gebt Trump jedes Mal 100 Dollar, wenn er Biden einen Satz beenden lässt. Geld ist ein grosser Anreiz für ihn, und seit wir seine Steuererklärung kennen, wissen wir, dass er es nötig hat.»

«Nie sehnlicher eine Werbepause erwartet»

Die Macher des Duells müssten gefeuert werden, so Noah. «Denn ich habe noch nie in meinem ganzen Leben sehnlicher eine Werbepause erwartet. Nochmal 90 Minuten von dieser Scheisse schaffe ich niemals. Es war brutal.» Eigentlich brauche es alle fünf Minuten eine Unterbrechung, um Reklame für Antidepressiva zu machen. «Oder irgendein Medikament, dessen Nebenwirkung ist, dass man die letzten vier Jahre vergisst.»

Der Sohn eines Schweizers nennt ein weiteres Manko des Formats: «Diese Debatten brauchen Faktenchecker. Andernfalls können die Leute auf der Bühne stehen und behaupten, was auch immer sie wollen – ohne dass es Konsequenzen hat.» Es gebe es in sozialen Netzwerken und parteiischen Medien schon genug Lügen – da sollte der Bürger zumindest bei den TV-Duellen erwarten dürfen, die Wahrheit zu hören.

Links im kleinen Bild: Melanie Trump entzieht sich der Hand ihres Gatten.
Links im kleinen Bild: Melanie Trump entzieht sich der Hand ihres Gatten.
Screenshot: YouTube

Es sei, als würden die Mannschaften in einem Sportfinal selbst entscheiden, was ein Foul sei. «Man braucht einfach einen Schiedsrichter auf dem Platz, Leute!» Tatsächlich wäre es besser, wenn man Biden und Trump miteinander ringen statt debattieren liesse – weil das Gros der Wähler sich ohnehin schon für einen Kandidaten entschieden habe.

Kleiner Teufel

«Es gibt den Wähler nicht, der sich noch nicht entschieden hat. Es gibt bloss Leute, denen es zu peinlich ist, zu sagen, was sie wählen. Also sollten wir Amerika wenigstens unterhalten. Lasst sie ringen, und der Gewinner bekommt eine Ersatzhüfte.»

Was nimmt Noah inhaltlich aus dem Duell mit? «Nun, ich weiss es tatsächlich nicht. Es klang mehr danach, als hinge das Radio zwischen zwei Sendern fest.» Trumps Unterbrechungen seien unmöglich gewesen. «Es ist, als hätte man den kleinen Teufel auf seiner Schulter, der einen aber nicht von etwas überzeugen, sondern dich bloss fertigmachen will.»

Bei Trump habe Noah einzig fassungslos gemacht, wie dessen Gehirn versagt habe, als der sich von Rassisten distanzieren sollte. Der Präsident war gefragt worden, ob er sich von der faschistischen Gruppierung Proud Boys distanziere. Trump antwortete: «Proud Boys – haltet euch zurück und haltet euch bereit.» Noahs Erkenntnis für die nächste Debatte: Er wird sich vom TV-Gerät zurückhalten und eine Flasche Wein bereithalten.

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

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