Nach Militärputsch im FebruarMyanmars Wirtschaft ist nur noch ein Scherbenhaufen
Von Elaine Kurtenbach, AP
15.11.2021 - 23:55
Kein Geld für Importe, kein Vertrauen in die Politik: In Myanmar ist die Wirtschaft nach dem Militärputsch vom Februar auf Talfahrt, Not und Armut wachsen.
DPA, Von Elaine Kurtenbach, AP
15.11.2021, 23:55
dpa/twei
Schon als die Corona-Pandemie im vergangenen Jahr auch Myanmar erfasste, brach die Wirtschaft in dem südostasiatischen Land ein. Die Touristen blieben aus und mit ihnen auch das Geld, das sie ins Land brachten. Eine Erholung ist bei weitem nicht in Sicht, im Gegenteil.
Denn der Militärputsch vom Februar hat Myanmar wirtschaftlich um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurückgeworfen. Unruhen, Unterdrückung und Gewalt werfen ihren Schatten auf Handel und Bankgeschäfte ebenso wie auf das alltägliche Leben in dem 62-Millionen-Einwohner-Land zwischen Thailand, China und Indien.
Die Lebensmittelpreise steigen, die Landeswährung Kyat ist auf Talfahrt. Und immer mehr Menschen rutschen immer tiefer in die Armut. Die Asiatische Entwicklungsbank geht von einem Rückgang der myanmarischen Wirtschaft um 18,4 Prozent in diesem Jahr aus, einer der grössten Einbrüche weltweit.
Unsicherheit im Land und Coronakrise sorgen für Probleme
Erst in der vergangenen Woche appellierte der Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, an die Militärjunta in Myanmar, ungehinderten Zugang zu drei Millionen Menschen zu gewähren, die auf lebensrettende Unterstützung angewiesen seien.
Als Gründe für die Not nannte Griffiths den anhaltenden Konflikt und die Unsicherheit im Land, Corona und die zusammenbrechende Wirtschaft. Ihm machten auch die Berichte über eine immer schlechtere Versorgungslage in den Städten und im Umland zunehmend Sorge, betonte der UN-Koordinator.
«Importierte Lebens- und Arzneimittel kosten inzwischen das Doppelte», sagt der Händler Ma San San in Mawlamyine, mit etwa 300'000 Einwohnern eine der grössten Städte des Landes. Längst werde nur noch das gekauft, was wirklich nötig sei. «Und wenn Händler etwas an einem Tag für 1000 Kyat verkaufen und am nächsten Tag für 1200, dann bedeutet das, dass der Verkäufer beim Verkauf draufzahlt.»
Versorgungsengpässe und steigende Transportkosten
Die im Februar gestürzte Regierung hatte Myanmar – nach Jahrzehnten weitgehender Isolation unter früheren Militärregimen – langsam in die Weltwirtschaft zurückgeführt. Die Exporte stiegen an, ausländische Investoren wagten sich ins Land, auch wenn die Militärführung weiter Schlüsselstellungen in Regierung und Industrie innehatte und Korruption und Vetternwirtschaft verbreitet waren.
In Yangon, der grössten Stadt des Landes, wagten sich Geschäftsleute mit Handy-Läden und Neuwagen an den Start. Jetzt, ein dreiviertel Jahr nach der neuerlichen Machtübernahme der Streitkräfte, ist Myanmar wieder in die Zeit der Schwarzmarktgeschäfte und des Devisen-Hamsterns zurückgefallen.
Der Handel des Landes leidet zudem unter den globalen Versorgungsengpässen in bestimmten Bereichen, steigenden Transportkosten und darunter, dass China im Kampf gegen Corona die Grenzen für Exporte aus dem Nachbarland geschlossen hat. Zwischen Oktober 2020 und Juli 2021 brach der Handel im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 22 Prozent ein, wie der neue Machthaber Min Aung Hlaing kürzlich erklärte.
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Vertrauen in die Landeswährung sinkt
Mit sinkenden Ausfuhren steigt derweil der Wert des Dollars. Während es im Januar einen Dollar noch für 1300 bis 1400 Kyat gab, waren es im September in den Wechselstuben von Yangon rund 3000 Kyat. Aktuell liegt der offizielle Kurs bei etwa 1800 Kyat. «Die meisten Menschen verlieren das Vertrauen in die myanmarische Währung und kaufen Dollars, sodass die Preise steigen», beklagt Soe Tun, Vorsitzender des Verbands der Automobilhersteller und Vertreter des Reis-Verbands Myanmars.
Der starke Dollar treibt die Preise in Kyat für importierte Lebensmittel, Elektrogeräte, Treibstoff immens nach oben. Seit Februar hat die Zentralbank des Landes schon 36 Mal eingegriffen, um die Talfahrt der Währung zu stoppen.
Der Erfolg war kaum spürbar – denn ein Grossteil der von der Notenbank auf den Markt geworfenen Dollar sei an mit den Streitkräften verbandelte Unternehmen gegangen, erklären Händler in Myanmar. Zum ersten Oktober setzte die Regierung dann die Einfuhr von Fahrzeugen aus, um Devisen im Land zu halten.
«Die Benzinpreise sind in die Höhe geschossen»
Die Spirale an verfallender Währung und steigenden Preisen, Engpässen und ausbleibenden Einnahmen dreht sich immer weiter, beispielsweise bei Benzin und Treibstoff. Es sei schwierig, an Dollar zu kommen, und die Ölunternehmen verkauften nicht mehr auf Kredit, beklagt ein Vertreter des Tankstellenbetreibers Max Energy. Es gehe jetzt darum, nicht zu viel zu verlieren.
«Die Benzinpreise sind in die Höhe geschossen, also müssen wir die Fahrpreise anheben», sagt weiter hinten in der Kette der Taxifahrer Moe Myint Tun in Yangon. «Aber die Fahrgäste wollen das nicht bezahlen.» Immer weniger Menschen könnten sich eine Taxifahrt leisten, die Kundschaft bleibe aus und damit der Verdienst zum Leben, fasst Moe Myint Tun zusammen. Und fügt hinzu: «Ich weiss, dass alle kein Geld mehr haben.»