Nach «Hirntod»-Eklat Nato-Expertengremium legt Empfehlungen vor

dpa/toko

25.11.2020 - 19:47

Hat der NATO vor einem Jahr den «Hirntod» bescheinigt: Frankreichs Präsident Macron.
Hat der NATO vor einem Jahr den «Hirntod» bescheinigt: Frankreichs Präsident Macron.
KEYSTONE/AP/Ludovic Marin

Die «Hirntod»-Äusserungen von Frankreichs Präsident Macron haben die Nato im vergangenen Jahr wochenlang in Aufruhr versetzt. Eine vom deutschen Aussenminister initiierte Expertengruppe macht nun Vorschläge wie solche Kritik künftig hinfällig werden könnte.

Ein Expertengremium der Nato hat rund ein Jahr nach den «Hirntod»-Äusserungen von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron konkrete Vorschläge zur Stärkung der politischen Zusammenarbeit innerhalb des Bündnisses vorgelegt. In dem am Mittwoch bündnisintern verschickten Abschlussbericht wird nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur empfohlen, mehr Gespräche auf hoher politischer Ebene zu führen und diese nicht nur in Brüssel, sondern auch in den 30 Mitgliedstaaten zu organisieren. So könnten zum Beispiel zusätzliche Treffen der Aussenminister angesetzt und auch Zusammenkünfte von Innenministern zum Thema Terrorismus einberufen werden.



Zudem schlagen die Experten vor, einen Prozess zu etablieren, der eine schnellere politische Reaktion auf sicherheitspolitisch relevante Ereignisse ermöglicht. Bislang konnte beispielsweise bereits die Abstimmung gemeinsamer Erklärungen der Mitgliedstaaten Tage in Anspruch nehmen.

Insgesamt enthält der Bericht nach dpa-Informationen rund 140 Handlungsempfehlungen. Vorgeschlagen wird so auch, die Staats- und Regierungschefs von EU-Staaten ohne Nato-Mitgliedschaft zu Gesprächsrunden am Rande der Nato-Gipfel einzuladen, um die Nato-EU-Kooperation weiter auszubauen. Wegen der derzeitigen Spannungen zwischen der Türkei und der EU dürfte dies allerdings schwierig zu realisieren sein. Als Nato-Mitglied könnte die Türkei gegen solche Pläne einfach ein Veto einlegen.

Das Expertengremium der Nato war im Frühjahr auf Initiative des deutschen Aussenministers Heiko Maas eingerichtet worden. Zuvor hatte Frankreichs Präsident Macron dem Bündnis plakativ einen «Hirntod» attestiert. Macron wollte damit die zuletzt immer wieder ausgebliebene Abstimmung von Nato-Partnern bei wichtigen sicherheitspolitischen Entscheidungen anprangern. Ein Negativ-Beispiel für ihn war zum Beispiel die Militäroffensive der Türkei in Nordsyrien, die innerhalb der Nato nicht abgesprochen war und erst durch einen ebenfalls nicht abgesprochenen Rückzug von US-Soldaten aus dem Gebiet möglich wurde.

Die Empfehlungen des Expertengremiums sollen in der kommenden Woche bei einer Videokonferenz der Aussenminister erstmals auf hoher politischer Ebene diskutiert werden. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg will dann im Anschluss mit den Mitgliedstaaten ein konkretes Handlungskonzept entwickeln. Ziel ist es, die Arbeit bis zum nächsten Nato-Gipfel abzuschliessen. Es könnte nach derzeitiger Planung im zweiten Quartal des kommenden Jahres stattfinden und auch als eine Art Kennenlerntreffen mit dem künftigen US-Präsidenten Joe Biden dienen.

Deutschland war in dem zehnköpfigen Expertengremium durch den früheren Verteidigungs- und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vertreten. Als Ko-Vorsitzender leitete er die Arbeit der Gruppe gemeinsam mit dem früheren US-Diplomaten Wess Mitchell. Frankreich entsandte den früheren Aussenminister Hubert Védrine in das Gremium.

Die Nato-Zentrale wollte sich zu Empfehlungen am Mittwochabend nicht äussern. Sie bestätigte lediglich, dass der Bericht der Expertengruppe übergeben wurde. Eine Veröffentlichung soll demnach erst nach der offiziellen Präsentation beim Aussenministertreffen in der kommenden Woche erfolgen. Auch Delegationen von Mitgliedstaaten verweigerten zunächst Stellungnahmen. Es sei wichtig, nun erst einmal intern eine offene Diskussion zu führen, hiess es von mehreren Bündnisstaaten.

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