Gerüchte um Kim Jong Un Nachbarn und USA wappnen sich für mögliches Chaos in Nordkorea

AP/toko

2.5.2020

Wegen der Gerüchte über eine schwere Erkrankung des nordkoreanischen Staatschefs Kim Jong Un wurde über einen möglichen Zusammenbruch des Landes spekuliert. China, Südkorea und die USA bereiten sich auf ein solches Szenario auf unterschiedliche Weise vor.

Der Zusammenbruch Nordkoreas wird schon seit Jahrzehnten vorhergesagt und ist doch bisher nicht eingetreten. Manche kündigten ihn nach dem Ende des Koreakriegs 1953 an, andere während der Hungersnot in den 1990er Jahren oder nach dem Tod von Staatsgründer Kim Il Sung 1994. Und auch als nach dem Tod seines Sohnes Kim Jong Il ein wenig bekannter Mann in seinen Zwanzigern an die Macht kam, sahen einige das Ende der Regierung kommen.



In den vergangenen Tagen gab es Gerüchte über eine schwere Erkrankung von Staatschef Kim Jong Un. Nachdem er mehr als zwei Wochen lang nicht in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen war, zeigten Staatsmedien dann am Samstag Aufnahmen, auf denen er an einer Feier zur Fertigstellung einer Düngerfabrik in Sunchon teilnahm. Das südkoreanische Vereinigungsministerium bestätigte Kims Besuch bei der Fabrik.

Zuvor hatte Kims Abwesenheit Spekulationen aufkommen lassen, dass seine Zeit als Machthaber zu Ende gehen könnte. Die meisten Experten sind sich einig, dass in einem solchen Fall Kims einflussreiche Schwester Kim Yo Jong die Macht übernehmen dürfte, möglicherweise mit Hilfe ausgewählter Führungsmitglieder. Viele rechnen damit, dass der nordkoreanische Staat den Übergang — wie bisher jede Umwälzung — überstehen würde.

Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un mit seiner Frau Ri Sol Ju in einer Aufnahme von 2012.
Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un mit seiner Frau Ri Sol Ju in einer Aufnahme von 2012.
Uncredited/KCNA via KNS/dpa

Aber was, wenn das nicht der Fall wäre? Ein Überblick über den möglichen Umgang anderer Staaten mit einer Katastrophe in Nordkorea:

USA

Bei einem Zusammenbruch der Regierung in Pjöngjang würde Berichten zufolge ein US-südkoreanischer Krisenplan namens OPLAN 5029 ins Spiel kommen. Er soll die Grenze und die nordkoreanischen Atomwaffen schützen, falls die Regierung nicht funktionsfähig ist oder die Kontrolle über diese Waffen unsicher wird.

«Die Millionen-Dollar-Frage lautet: Wann tritt der OPLAN in Kraft oder welche Indikatoren sind dafür entscheidend?», sagt der Nordkorea-Atomspezialist Vipin Narang vom Massachusetts Institute of Technology in den USA. «Denn der Sicherheitsplan eines Landes kann auf andere Länder wie ein Invasionsplan wirken. Und dann kann die Hölle los sein.»

Die größte Befürchtung der USA ist, dass das nordkoreanische Atomarsenal genutzt, gestohlen oder verkauft werden könnte. «Wenn die USA keine Pläne haben, ins Land zu gehen und die nordkoreanischen Atomwaffen zu sichern und herauszuholen – soweit wir wissen, wo sie gelagert werden – dann machen wir unsere Arbeit nicht gut», sagt Ralph Cossa, emeritierter Präsident der Denkfabrik Pacific Forum in Hawaii. «Darüber hinaus macht es wenig Sinn für die USA und/oder Südkorea, sich in interne nordkoreanische Machtkämpfe einzuschalten.»

China

China ist für Nordkorea die wichtigste Quelle von Hilfen und diplomatischer Unterstützung. Peking betrachtet politische Stabilität in dem verarmten Nachbarland als wesentlich für die eigene Sicherheit.

Die chinesische Regierung hat zwar Sanktionen der Vereinten Nationen wegen des nordkoreanischen Atomprogramms zugestimmt. Sie ist aber wachsam gegenüber Massnahmen, die zum Einbruch der Wirtschaft oder zur Entmachtung der Regierungspartei führen könnten. Denn damit könnte ein Konflikt an der Grenze entfacht werden, und China könnte sich mit einem Zustrom an nordkoreanischen Flüchtlingen konfrontiert sehen.

In den vergangenen Jahren hat China seine Grenzverteidigung zum Norden verstärkt. Aber viele Menschen auf der chinesischen Seite sind ethnische Koreaner, was die Sorge vor Instabilität oder sogar territorialen Verlusten im Fall einer Grenzöffnung verstärkt.

Am meisten fürchtet China aber einen Einsatz amerikanischer und südkoreanischer Truppen an seiner Grenze. Aus demselben Grund hatte sich Peking bereits vor 70 Jahren in den Koreakrieg eingeschaltet.

Ein Wechsel an der Führungsspitze in Pjöngjang würde hingegen keinen grossen Einfluss auf die Beziehungen haben, wie Lu Chao sagt, Professor an der Liaoning-Akademie für Sozialwissenschaften in China.

Südkorea

Abgesehen von den gemeinsamen Plänen mit den US-Streitkräften bereitet sich Südkorea auch intern auf einen möglichen Kollaps Nordkoreas vor. Im Zentrum stehen laut Berichten der Umgang mit einer grossen Flüchtlingsbewegung und die Einrichtung einer Notstandsverwaltung im Norden. Nähere Angaben zu den Plänen wollte das Wiedervereinigungsministerium in Seoul nicht machen. Es hiess lediglich, man bereite sich «auf alle Eventualitäten» vor.

Ein grosses Problem besteht darin, dass Südkorea anders als China keine hohe Zahl von Soldaten mobilisieren könnte, um den Norden zu stabilisieren. «Wenn das nordkoreanische Regime vor dem Zerfall steht, wird China höchstwahrscheinlich Truppen zu seinem Verbündeten schicken und ein Peking-freundliches Regime im Land errichten», hiess es kürzlich in einem Leitartikel der südkoreanischen Tageszeitung «JoongAng Ilbo». Auf Grundlage einer stabilen Allianz mit den USA müsse Seoul «sein Bestes tun, um die chinesische Intervention im Norden zu minimieren».


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