Tee und Fernsehspots Nordkoreas Kampf gegen Covid

AP / tchs

22.5.2022

Lange hat Nordkorea die Ausbreitung des Coronavirus dementiert. Nun scheint es sich schnell zu verbreiten.
Lange hat Nordkorea die Ausbreitung des Coronavirus dementiert. Nun scheint es sich schnell zu verbreiten.
Bild: Cha Song Ho/AP/dpa

Erst jetzt hat Nordkorea die ersten Corona-Infektionen bestätigt – und unternimmt bislang nicht viel gegen den Ausbruch. Experten warnen vor dramatischen Folgen für die verarmte Bevölkerung.

AP / tchs

22.5.2022

Bei einem nächtlichen Besuch in einer Apotheke trug der nordkoreanische Machthaber Kim Jon Un kürzlich gleich zwei Masken und klagte über die langsame Lieferung von Medikamenten. Hunderttausende mutmassliche Covid-Patienten schickte seine Regierung bislang in Quarantäne. Die Behörden empfehlen Menschen mit milden Symptomen Heilkräutertee.

Nach eigenen Angaben geht die Regierung in Pjöngjang zwar mit voller Kraft gegen die Corona-Pandemie vor. Dennoch herrscht unter den Bürgerinnen und Bürgern Angst, wie Überläufer in Südkorea mit Kontakten in den Norden berichten. Manche externe Beobachter befürchten, dass der Ausbruch sich noch stark ausweiten könnte. Ein Grossteil der verarmten und ungeimpften Bevölkerung hat keinen ausreichenden Zugang zur Krankenhausversorgung und kann sich selbst einfachste Medikamente kaum leisten.

Seit Nordkorea vor einer Woche seinen ersten inländischen Corona-Ausbruch meldete, kämpft die Führung gegen eine sich zuspitzende Gesundheitskrise. Diese verstärkte die Angst der Menschen vor dem Virus, von dem die Regierung bis dato behauptet hatte, es unter Kontrolle zu haben.

Die Pandemiemassnahmen des Landes scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, mutmasslich Infizierte zu isolieren. Und womöglich ist das auch die einzige Option. Denn es mangelt an Impfstoffen, antiviralen Mitteln, Intensivbetten und anderen medizinischen Grundlagen, die Millionen Erkrankten in anderen Ländern das Leben gerettet haben.

Die nordkoreanischen Gesundheitsbehörden erklärten am Donnerstag, an einer sich rasch ausbreitenden Fiebererkrankung seien seit Ende April 63 Menschen gestorben und zwei Millionen weitere erkrankt. Etwa 740 000 Menschen seien in Quarantäne. Viele ausländische Experten gehen davon aus, dass die Zahlen – womöglich zu Propagandazwecken – untertrieben sind.

«Wichtig, dass wir alle Person mit Fiebersymptomen finden»

Laut Berichten der Staatsmedien sind eine Million Beschäftigte des öffentlichen Dienstes dafür abgestellt worden, mutmassliche Corona-Patienten zu identifizieren. Kim Jong Un zog auch Militärärzte heran, um die Auslieferung von Medikamenten an Apotheken zu unterstützen. Staatliche Zeitungen, Fernseh- und Radiosender bieten den Bürgerinnen und Bürgern, die zumeist keinen Zugang zum Internet und ausländischen Nachrichten haben, Tipps zum Umgang mit dem Virus.

«Es ist sehr wichtig, dass wir alle Person mit Fiebersymptomen finden, damit sie isoliert und behandelt werden können, um die Räume grundlegend zu blockieren, in denen sich die Infektionskrankheit ausbreiten könnte», sagte Ryu Yong Chol von der Virusbekämpfungs-Zentrale in Pjöngjang, im Staatsfernsehen.

Die staatlichen Sender strahlen Infomercials mit animierten Figuren aus, die den Zuschauern raten, zum Arzt zu gehen, wenn sie Atemprobleme haben, Blut spucken oder ohnmächtig werden. Sie erklären auch, welche Medikamente Patienten einnehmen können, darunter Hausmittel wie Honigtee. Die grösste Zeitung des Landes, «Rodong Sinmun», empfahl Menschen mit milden Symptomen, vier bis fünf Gramm Weidenblätter oder Geissblatt mit heissem Wasser aufzukochen und das Getränk drei Mal täglich zu sich zu nehmen.

Solche Ratschläge stossen auf Kritik. «Ihre Richtlinien ergeben überhaupt keinen Sinn», sagt der frühere nordkoreanische Agrarbeamte Cho Chung Hui, der 2011 nach Südkorea floh. «Es ist, als ob die Regierung die Menschen bittet, nur dann einen Arzt zu kontaktieren, wenn sie Atemschwierigkeiten haben, also kurz bevor sie sterben.» Er mache sich grosse Sorgen um seine Geschwister in Nordkorea.

Seit dem 12. Mai sind dort Reisen zwischen den Regionen verboten. Strengere Lockdowns nach dem Vorbild Chinas hat die Regierung aber bislang nicht zu verhängen versucht – vermutlich auch zum Schutz der Wirtschaft, die infolge von pandemiebedingten Grenzschliessungen und jahrzehntelangem Missmanagement fragil ist.

Das Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte äusserte sich besorgt über die Konsequenzen der nordkoreanischen Quarantänemassnahmen. Isolation und Reisebeschränkungen hätten schwere Folgen für die Bevölkerung, die ohnehin Schwierigkeiten habe, ihren täglichen Bedarf unter anderem an Essen zu decken, hiess es. Kinder, stillende Mütter, Ältere, Wohnungslose und Menschen auf dem Land seien besonders gefährdet.

Coronavirus vermutlich schon länger im Land

Überläufer in Südkorea vermuten indes, dass Corona Nordkorea schon lange vor der offiziellen Bestätigung des Ausbruchs erreicht hatte. Ihre Schwester dort habe ihr schon im Februar am Telefon erzählt, dass viele Menschen in ihrem Umfeld an covidartigen Symptomen wie hohem Fieber, Husten und Halsschmerzen erkrankt seien, sagt Choi Song Juk, die ihre Heimat 2015 verlassen hatte.

In den vergangenen Jahren hat Kim Jong Un zwar einige moderne Krankenhäuser bauen lassen und das Gesundheitssystem verbessert. Doch nach Ansicht von Kritikern dient das überwiegend der herrschenden Elite, und die kostenlose sozialistische Gesundheitsversorgung liegt in Trümmern. Nach Angaben von kürzlich Geflohenen sind inzwischen viele Medikamente aus heimischer Produktion auf dem Markt. Wegen deren mangelnder Qualität zögen die Menschen aber Arzneimittel aus Südkorea, China und Russland vor. Diese wiederum sind jedoch für die verarmte Mehrheit der Nordkoreaner zu teuer. «Wir sagen oft: Wer in Nordkorea krank wird, wird sterben», sagt Choi.

Auf medizinische Hilfsangebote Südkoreas und der USA reagierte Nordkorea bislang dennoch nicht. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, zeigte sich am Dienstag tief besorgt über das Risiko einer weiteren Ausbreitung dort und über den Mangel an Informationen über den Ausbruch.