Kanzler kontert «Kriegstreiber»-Rufe Da platzt selbst einem Olaf Scholz der Kragen

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5.6.2023

Olaf Scholz gilt als eher spröder Politiker, doch als der Bundeskanzler von einem Mob bei einem SPD-Fest als «Kriegstreiber» beschimpft wird, platzt dem 64-Jährigen sehenswert der Kragen. 

P. Dahm

5.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Ein Mob wirft Olaf Scholz am 2. Juni beim Europafest der SPD in Berlin vor, wegen der Ukraine-Hilfen ein «Kriegstreiber» zu sein.
  • Der 64-Jährige kontert die Störer mit einer emotionalen Rede.
  • Scholz stellt klar, dass Wladimir Putin derjenige sei, der für durch Krieg verursachtes Elend verantwortlich sei.
  • Der für Scholz ungewöhnliche Auftritt trifft im In- und Ausland auf ein positives Echo.

Olaf Scholz ist nicht gerade für seine überbordende Emotionalität bekannt: Der Osnabrücker Bundeskanzler ist kein Draufgänger, sondern fast schon das Klischee eines deutschen Beamten.

Seit dem Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 ist der 64-Jährige in der Defensive. Erst muss sich der SPD-Politiker gegen den Vorwurf wehren, Deutschland tue zu wenig, um Kiew zu unterstützen – und das auch noch zu zögerlich.

Schliesslich fallen auch in Berlin die «Roten Linien»: Erst werden Luftabwehr-Systeme geliefert, dann Schützenpanzer und endlich auch Panzer, nachdem Grossbritannien und die USA sich ebenfalls dazu durchgerungen haben.

Waffen für die Ukraine: Alle reden von «Roten Linien» – und alle überschreiten sie

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Doch inzwischen scheint Olaf Scholz seine Position gefunden zu haben. Das legt zumindest der Auftritt beim Europafest seiner Partei in Berlin nahe. Da haben sich auch einige Bürger*innen eingefunden, die mit dem Engagement der Bundesregierung unzufrieden sind. «Kriegstreiber» rufen sie, «Hau ab» und «Wir sind das Volk», wie es einst die Menschen in der DR getan haben.

«Liebe Schreihälse ... »

Das bringt den sonst so spröden Herrn Scholz in Fahrt: Der Kanzler kontert mit Leidenschaft. «Kriegstreiber, Kriegstreiber ist Putin. Er ist mit 200'000 Soldaten in die Ukraine interessiert. Er hat noch viele mehr mobilisiert. Er hat das Leben seiner eigenen Bürger riskiert für einen imperialistischen Traum», ruft Scholz den Störern entgegen.

«Putin will die Ukraine zerstören, erobern, und er hat noch andere im Blick. Das werden wir als Freiheitsfreunde, als Demokraten, als Europäer nicht zulassen. Liebe Schreihälse, während ihr ruft ‹Frieden schaffen ohne Waffen›, hat er unglaublich viele Panzer zusammengezogen, Raketen, Marschflugkörper und hat sie auf die Ukraine gerichtet», fährt er fort.

Und weiter: «Er zerstört Städte. Er zerstört Dörfer. Er zerstört Eisenbahn-Linien und Autobahnen. Und er hat unglaublich viele Bürgerinnen und Bürger, Kinder und Alte in der Ukraine getötet. Das ist Mord, um es klar zu sagen. Und nicht das, was hier gerufen wird. Und auch das gehört zur Wahrheit dazu: In seinem imperialistischen Traum von Grossmacht riskiert er das Leben seiner eigenen Bürgerinnen und Bürger.»

Scholz endet mit den Worten: «Wir wissen nicht, wie viele junge russische Soldaten für seinen Traum schon gestorben sind. Aber es können 100 bis 150'000 sein. Wie kann man so mit dem Leben der eigenen jungen Leute umgehen, nur weil man ein grosser Mann sein will? Das ist unverantwortlich. Das ist Kriegstreiberei. Das ist Gewalt mit Waffen.»

«Er ist als Politiker unglaublich gewachsen»

Die emotionale Rede findet auch international ein überwiegend positives Echo. In einem entsprechenden Reddit-Post mit Bezug zur Ukraine ist das auch nicht anders zu erwarten. «Dass er so emotional reagiert, zeigt, dass ihn das wirklich tief getroffen hat», analysiert ein User. «Was gut ist: Ich fange an, Scholz mehr und mehr zu mögen.»

«Dieser S****** ist für ihn was Persönliches», staunt ein anderer. «Scholz schlägt sich grossartig», wird gelobt. Und: «Er ist als Politiker unglaublich gewachsen und – und das respektiere ich an ihm wahrscheinlich am meisten – er hat die alten Putin-Freunde in seiner eigenen Partei in den Mülleimer der Geschichte geworfen.»

Gegenstimmen finden sich auf Twitter. «Er sollte verstehen, dass seine Unterstützung [der Ukraine] äusserst unpopulär ist», meint eine Userin. «Olaf Scholz, der Kriegstreiber, träumt davon, Russland zu erobern, seine Reichtümer auszubeuten und seine Leute zu versklaven», wird da behauptet – inklusive einer Montage mit Scholz und Adolf Hitler. Oder: «Was für ein Instrument des US-Weltreichs Olaf Scholz ist.»