Diplomatie «Provokation des US-Militärs» – Muskelspiele im Pazifik 

Von Philipp Dahm

6.5.2020

Der chinesische Flugzeugträger Shandong, hier bei einer Militärparade, soll die USA einschüchtern.
Der chinesische Flugzeugträger Shandong, hier bei einer Militärparade, soll die USA einschüchtern.
Bild: Keystone

China greift in Hongkong durch, giftet Australien an und schafft Fakten im Südchinesischen Meer. Die USA reagieren mit Truppen-Entsendungen, und nun zieht Peking nach. Es droht zu eskalieren.

Die Bruchlinien der internationalen Politik treten auch in der Corona-Krise offen zutage – oder gerade deswegen.

Einerseits sieht sich China auf diplomatischer Ebene mit dem Vorwurf konfrontiert, für das Virus oder das Ausmass seiner Verbreitung verantwortlich zu sein. Andererseits konfrontiert Peking selbst im Südchinesischen Meer seine Nachbarn und schafft nicht nur dort, sondern auch in Hongkong Fakten.

In Hongkong stehen sich die Parteien unversöhnlich gegenüber – und ein Foto, das diese Front zeigt, hat gerade den diesjährigen Pulitzer Preis in der Kategorie «Breaking News Photography» gewonnen. Geschossen hat es «Reuters»-Fotograf Thomas Peter am 14. August 2019 im Quartier Sham Shui Po – dort setzte die Polizei Tränengas gegen oppositionelle Demonstranten ein.

Pulitzer-Preise 2020

Die Regierung in Peking nutzt den Moment: Die Abstandsregeln haben die Demokratiebewegung, die in Hongkong zweifelsohne eine Massenbewegung ist, aus dem Tritt gebracht. Die grossen Proteste mit Signalwirkung bleiben aus, und selbst kleine Versammlungen werden kompromisslos aufgelöst – wie jene am vergangenen Freitag in einem Einkaufszentrum, wo einige Hongkonger gesungen haben und Tränengas zum Einsatz gekommen ist.

Aufräumen in Hongkong

Solange die Opposition auf der Corona-Bremse steht, urteilt das Regime Demonstranten ab, die im Juni und Juli verhaftet worden sind: Am Montag bekannte sich ein 21-Jähriger erstmals vor Gericht schuldig, an einem Aufstand am 12. Juni 2019 beteiligt gewesen zu sein. Andere geben sich auf Chinas Anklagebank kämpferisch und fordern die Hongkonger zum «Weiterkämpfen» auf, während Mit-Aktivisten berichten, sie seien in Haft gefoltert worden.

Proteste in Hongkong im November 2019

Die Luft für die Demokratiebewegung wird zunehmend dünner: Peking macht Druck, damit das Hongkonger Parlament bis August neue Sicherheitsgesetze verabschiedet, die die Macht der Zentrale ausdehnt. Gleichzeitig bezeichnete das für Hongkong zuständige Büro die Demonstranten als «politischen Virus» der Gesellschaft.

Die Stadt würde nie zur Ruhe finden, bis diese «entfernt» würden, zitiert «Reuters» die Offiziellen. «Kalt und verstörend» nannte Maya Wang von «Human Rights Watch» diese Behördensprache im «Guardian»: «Es ist bedauerlich, dass die chinesische Regierung nur noch auf ein Mittel setzt: Repression.»

Auch mit Australien geht Peking auf Konfrontationskurs, nachdem der fünfte Kontinent angekündigt hat, eine Untersuchung gegen China einleiten zu wollen. Der Ursprung des neuen Coronavirus müsse geklärt werden und das Ausmass der Verbreitung unter die Lupe genommen werden, forderte die australische Regierung Ende April.

Drohung an Australien

Der chinesische Botschafter Cheng Jingye hat deswegen öffentlich vor einem möglichen Boykott durch chinesische Konsumenten gewarnt. Cheng sagte der «Australian Financial Review», das Einleiten einer Untersuchung sei «gefährlich». Chinesische Konsumenten könnten auf Reisen nach Australien und Studienaufenthalte dort verzichten und auch wichtige Exportgüter wie Fleisch und Wein nicht mehr kaufen.

«Während solch einer kritischen Zeit auf Verdächtigungen, Beschuldigungen oder Spaltung zurückzugreifen, kann nur die globalen Bemühungen zur Bekämpfung dieser Pandemie unterminieren», warnte Cheng, der danach umgehend ins Aussenministerium bestellt worden ist. Der Chefredaktor der staatsnahen «Global Times» bezeichnete das Land daraufhin als «Kaugummi, der an Chinas Sohle klebt»: «Australien ist immer da, um Ärger zu machen.»

Die Taskforce Flexibility Ende April: (von links) die HMAS Parramatta, die USS America, die USS Bunker Hill und die USS Barry. 
Die Taskforce Flexibility Ende April: (von links) die HMAS Parramatta, die USS America, die USS Bunker Hill und die USS Barry. 
Bild: US Navy

Aufrüsten im Südchinesischen Meer

Das diplomatische Geplänkel dürfte auch mit der Ankündigung Australiens zu tun haben, die US Navy im Südchinesischen Meer zu unterstützen. Die Fregatte HMAS Parramatta werde sich dem amphibischen Angriffsschiff USS America, dem Lenkwaffenkreuzer USS Bunker Hill und dem Zerstörer USS Barry anschliessen, um in Gebiet zu üben, dass neben China auch Malaysia und Vietnam beanspruchen.

Ausserdem haben die USA gerade erst zurückgezogene B-1-Bomber «temporär» erneut auf die Pazifikinsel Guam verlegt. Peking hat nun reagiert und seinerseits angekündigt, seinen Flugzeugträger Shandong ins Südchinesische Meer zu beordern.

Ein Bomber vom Typ B-1B am 1. Mai auf dem Militärstützpunkt von Guam.
Ein Bomber vom Typ B-1B am 1. Mai auf dem Militärstützpunkt von Guam.
Bild: USAF

«Die Volksbefreiungsarmee ist bereit, sich gegen jede Provokation des US-Militärs zu wehren – sogar wenn die USA wieder ihren Flugzeugträger flottkriegen, der von Covid-19 betroffen ist», wie die «Global Times» nach Übungsflügen der B-1-Bomber schrieb. Mit dem Flugzeugträger ist die USS Theodore Roosevelt gemeint, die nach mehreren Corona-Infektionen in Guam den Hafen anlaufen musste.

Taiwan – biete Maske, suche Anerkennung

Am Montag hat das chinesische Verteidigungsministerium auch noch angekündigt, eine Kontrollzone im Südchinesischen Meer ausloben zu wollen, in der sich alle Flugzeuge anmelden müssen. Da auch die Philippinen, Japan und Taiwan kontrollierte Lufträume in dem Gebiet haben, ist Streit absehbar.

Apropos Taiwan: Während China verbal die Messer wetzt, macht sich das «andere China» mit «Masken-Diplomatie» Freunde für den Fall des Falles. Es steht nun bereits die dritte Geschenke-Runde an, in der die Regierung diesmal 7,07 Millionen Masken verteilen will: 2,28 Millionen gehen in die USA, 1,3 Millionen in die EU, 1,09 gehen an die 15 Verbündeten des Landes, der Rest an Länder in Polynesien, Afrika und dem Nahen Osten.

Nach eigenen Angaben hat Taiwan bisher 17 Millionen Masken verschenkt und drängt nun auf einen eigenen Sitz bei der Weltgesundheitsbehörde WHO. China versucht, das zu verhindern, weil es Taiwan als Teil seines Staates sieht. Neuseeland kündigte nun an, trotz Drucks aus Peking die Aufnahme Taiwans in die WHO unterstützen zu wollen.

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