Stütze für Militärs? Putsch in Myanmar bringt China in Dilemma

sda/dpa/toko

4.2.2021 - 19:43

Unterstützer schwenken in Naypyitaw kleine Nationalfahnen Myanmars und halten Transparente während einer Kundgebung zur Unterstützung des Militärputsches. 
Unterstützer schwenken in Naypyitaw kleine Nationalfahnen Myanmars und halten Transparente während einer Kundgebung zur Unterstützung des Militärputsches. 
Uncredited/AP/dpa

Nach dem Militärputsch in Myanmar will sich China seine Optionen offenhalten – steht damit aber indirekt aufseiten der Militärs. Dass Peking den Umsturz irgendwie unterstützt habe oder stillschweigend billige, wies Aussenamtssprecher Wang Wenbin in Peking jedoch entschieden zurück: «Solche Vorwürfe sind nicht wahr.»

Als «freundschaftlicher Nachbar» hoffe China nur, dass «alle Seiten angemessen mit ihren Differenzen umgehen». Peking geht es vor allem um Stabilität – was aus chinesischer Sicht wohl nicht zwingend gegen eine erneute Militärherrschaft sprechen dürfte.



Schon in alten Zeiten hatte Peking der Militärjunta in Naypyidaw den Rücken gestärkt. Allerdings bemühte sich Chinas Führung in den vergangenen Jahren auch auffällig um die demokratisch gewählte faktische Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Auch wegen der Kritik am Umgang mit den Rohingya-Flüchtlingen hatte sich Suu Kyi vom Westen abgewandt und ihren Blick stärker nach China gerichtet.

China hat Interessen in Myanmar

Die Beziehungen liefen gut. Seine letzte Auslandsreise vor Ausbruch der Covid-19-Pandemie führte Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Januar 2020 nach Myanmar. 33 Kooperationsabkommen wurden unterzeichnet. Chinas Aussenminister Wang Yi war nur einen Monat vor dem Putsch noch in Naypyidaw. Seine Visite wurde von den Militärs offenbar auch als Anerkennung von Suu Kyis grossem Wahlerfolg vom November gedeutet – eben jenem Sieg, den die Armee jetzt offiziell zum Grund für ihren Putsch machte. Wahlbetrug, so lautet der Vorwurf. Beweise dafür wurden nie vorgelegt.

Die letzte Auslandsreise von Xi Jinping vor Ausbruch der Corona-Pandemie ging nach Myanmar.
Die letzte Auslandsreise von Xi Jinping vor Ausbruch der Corona-Pandemie ging nach Myanmar.
Ju Peng/XinHua/dpa

China verfolgt starke wirtschaftliche und strategische Interessen in Myanmar. Im Mittelpunkt steht der China-Myanmar-Wirtschaftskorridor (CMEC). Er soll Chinas Südwesten mit dem Golf von Bengalen und damit mit dem westlichen Indischen Ozean verbinden. Mit Argwohn beobachtet der Rivale Indien Chinas geostrategischen Ambitionen mit dem Ausbau eines Tiefseehafens in Kyaukphyu. Eine Hochgeschwindigkeitsbahn soll Chinas Provinz Yunnan mit Myanmars Küstenregion verbinden. Beide Projekte sollen zusammen rund zehn Milliarden US-Dollar kosten.

Zugang zum Indischen Ozean

Der Hafen würde China einen Zugang zum Indischen Ozean bieten, könnte dort die chinesische Militärpräsenz erweitern – und auch eine Alternativroute für Öllieferungen durch die enge Strasse von Malakka schaffen. Geplant sind auch Öl- und Gaspipelines. Der grosse Nachbar ist der grösste Handelspartner Myanmars, das seinerseits ein wichtiger Lieferant von Gas und anderen Rohstoffen wie Holz und Jade ist.

Der Putsch bereitet Peking somit Kopfschmerzen. «Die Beziehungen sind sehr wichtig», sagte Professor Shi Yinhong von der Volksuniversität in Peking. Er glaubt, dass Chinas Regierung «beunruhigt» sei. Auch vor dem Coup habe das Militär viel Macht gehabt. Aber die verfassungsmässige Regierung sei von Suu Kyi angeführt worden, hebt der aussenpolitische Experte hervor. Diese Regierungsform habe sich über Jahre auch schon aus Turbulenzen entwickelt. Aber im Ergebnis habe Myanmar endlich politische Stabilität und Einheit erreicht.

«Wenn Myanmar instabil ist, werden Chinas wirtschaftliche Kerninteressen natürlich direkt und indirekt beeinträchtigt», sagte der Professor. Aber Peking könne nicht bestimmen, in welche Richtung sich Myanmar entwickele. Chinas Regierung könne nur hoffen, dass politische Vereinbarungen gefunden und akzeptiert werden – und diese «die Stabilität Myanmars und seine Freundschaft zu China sichern».

Misstrauen gegen China

Es ist aber kompliziert. Unter Myanmars Generälen gibt es altes Misstrauen gegen Peking. Die neue Militärführung unter dem mächtigen General Min Aung Hlaing weiss nur zu gut, dass viele Guerillaaufstände in dem multiethnischen Staat von Waffen aus China gespeist werden. «China spielt in Myanmar ein doppeltes Spiel, weil es gleichzeitig Vermittler bei den bewaffneten Konflikten und Waffenlieferant für die Rebellen ist», schrieb die «Asia Times».



Andererseits wird die auf ihren eigenen Gewinn bedachte Armee aber aus wirtschaftlichen Interessen versuchen, sich Chinas Unterstützung weiter zu sichern. Schliesslich ist Peking als ausländischer Investor unabkömmlich. Das Militär arbeitet mit dem 1990 gegründeten Konglomerat Myanmar Economic Holdings Limited (MEHL) bei Milliardenprojekten mit China zusammen, vor allem im Bergbau.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty meinte: «Die Zuständigen für einige der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in der jüngeren Geschichte Myanmars gehören zu denen, die von den Geschäftsaktivitäten der MEHL profitieren.» Vor allem Militärchef Min Aung Hlaing, der jetzt die Macht an sich gerissen hat.

Der Putsch erschwert China aber auch die erhoffte Annäherung an die neue US-Regierung. Peking steht im UN-Sicherheitsrat am Pranger, weil es grundsätzlich Sanktionen ablehnt – nicht nur im Falle Myanmars. US-Präsident Joe Biden will sich genau anschauen, «wer in dieser schwierigen Stunde aufseiten der Menschen» in Myanmar stehe. Die USA wollten China «zur Rechenschaft ziehen», sagte ein Aussenamtssprecher und deutete den neuen China-Kurs an: «Die Biden-Regierung ist bereit, die Chinesen durch die Bank zu überflügeln, einschliesslich in den Vereinten Nationen.»

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