Mord an Journalistin Rücktritt reicht nicht: Empörung über Maltas Premier

dpa

2.12.2019

Mit einem Bild der ermordeten Reporterin Daphne Caruana Galizia haben sich Demonstranten vor dem Büro des maltesischen Premierministers postiert.
Mit einem Bild der ermordeten Reporterin Daphne Caruana Galizia haben sich Demonstranten vor dem Büro des maltesischen Premierministers postiert.
Bild: Str/AP/dpa

Er geht, aber nicht jetzt: Maltas Premier hat zwar in dem Skandal um den Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia seinen Rücktritt angekündigt. Doch die Wut über das Versagen der Politik legt sich nicht. Im Gegenteil. Es könnte weiterer Schmutz ans Licht kommen.

Die Familie der ermordeten Journalistin Daphne Caruana Galizia hat rechtliche Schritte gegen Maltas Premierminister Joseph Muscat eingeleitet. Gegen ihn selbst müsse ermittelt werden, hiess es am Montag in einem bei Gericht eingereichten Schreiben. Die Angehörigen der regierungskritischen Bloggerin fordern den sofortigen Rücktritt des Premiers, der aber bis Januar bleiben will. Sein weiterer Verbleib an der Macht sei für alle, denen Gerechtigkeit am Herzen liege, nicht zu tolerieren. «Seine Rolle bei den Ermittlungen zum Mord an unserer Frau und Mutter ist rechtswidrig», erklärte die Familie.

Caruana Galizia war im Oktober 2017 von einer Autobombe getötet worden. Ein möglicher Drahtzieher — der Kontakte bis zum Stabschef des Premiers, Keith Schembri, gehabt haben soll — wurde am Wochenende angeklagt. Das Brisante: Schembri ist einer der engsten Vertrauten Muscats. Einige nennen ihn den wahren Entscheider in der Regierung des EU-Landes.

Der angeklagte Unternehmer Yorgen Fenech bezichtigte Schembri gar, hinter dem Mord zu stecken. Schliesslich hatte Caruana Galizia auch über Schmiergelder, die von Fenech an Schembri geflossen sein sollen, recherchiert. Und sie schrieb im Zuge der «Panama Papers»-Recherchen über Gelder in geheimen Offshore-Firmen. Schembri wurde letzte Woche festgenommen, ist aber wieder auf freiem Fuss.

Die Frage ist: Was wusste Muscat von den Verwicklungen? Der einstige Sunnyboy der maltesischen Politik hatte nach tagelangen Protesten der Bevölkerung angekündigt, als Chef der Labour-Partei zurückzutreten, wenn am 12. Januar ein Nachfolger gewählt werde. Danach wolle er auch als Premier abtreten. Doch Kritiker monierten: Wann genau, habe er offen gelassen. In der Zeit an der Macht könnte Muscat noch wichtige Ermittlungen verhindern, ist die Sorge.

Etwa fünf Wochen bis zur Wahl eines neuen Parteichefs erscheine vielen Menschen nicht lange, twitterte Sohn Matthew Caruana Galizia. «Aber unter diesen ausserordentlichen Umständen geben sie dem Premierminister und seinen Spiessgesellen zu viel Zeit, um belastende Beweise zu verstecken.»

Die Vertuschung reiche vermutlich bis ins Büro des Premiers, sagte der Blogger Manuel Delia, der zu den Organisatoren der Proteste gehört. «Die Mafia will entscheiden, wer Maltas nächster Premierminister wird.» Muscat ist seit 2013 an der Macht und hat der Mittelmeerinsel einen Wirtschaftsboom beschert.

Für Montag waren wieder Proteste gegen die Regierung in Valletta angekündigt. Auch war eine Delegation von Europa-Parlamentariern unterwegs in das kleinste EU-Land. «Entweder Muscat entscheidet sich, sofort zurückzutreten oder er erklärt, dass er alle Fragen, die den Kontakt zwischen Regierung und Justiz betreffen auf jemand anderen überträgt», sagte der grüne Europa-Abgeordnete Sven Giegold. «Die Art der Einflussnahme muss eingestellt werden.» Die Probleme mit Rechtsstaatlichkeit und Korruption in Malta lägen tiefer. «Das ist mit ein paar Rücktritten nicht getan», sagte Giegold.

Im Fokus wird nun vor allem die Rolle des Stabschefs stehen. «Der Schurke Schembri war heute vor Gericht und hat erklärt, er sei kein Schurke», schrieb Caruana Galizia auf ihrem Blog am 16. Oktober 2017. Minuten später wurde sie mit ihrem Auto in die Luft gesprengt.


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