Whistleblower oder Doppelagent? Russischer Spion flieht nach Polen – und wird abgeschoben

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8.6.2023

Der Sitz des russischen Geheimdiensts FSB in St. Petersburg.
Der Sitz des russischen Geheimdiensts FSB in St. Petersburg.
Bild: Ulf Mauder/dpa

Ein russischer Spion flieht nach Polen und gibt Details über die Arbeit des Geheimdiensts des Kreml preis. Die Behörden trauen ihm trotzdem nicht. Nun haben sie ihn abgeschoben.

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8.6.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der russische Ex-Spion Emran Nawrusbekow ist aus Polen nach Russland abgeschoben worden.
  • Nawrusbekow war 2017 nach Polen geflohen und hat in einem Interview über «kontrollierte Terrorattacken» des russischen Geheimdienstes gesprochen.
  • Die polnischen Behörden stiessen laut eigenen Angaben jedoch auf Widersprüche in seiner Geschichte und stuften ihn als Sicherheitsrisiko ein.
  • Laut seiner Frau ist Nawrusbekow in Russland bereits verhaftet worden.

Laut eigener Aussage ist Emran Nawrusbekow Deserteur und Whistleblower. Nawrusbekow ist russischer Staatsbürger, ein ehemaliger Oberleutnant des FSB – der Geheimdienst des Kreml – und er hat bereits über geheime Machenschaften des FSB berichtet.

Die polnischen Behörden sind jedoch nicht davon überzeugt, dass Nawrusbekows die ganze Wahrheit sagt.

Bei einer Prüfung des von ihm angegebenen Lebenslaufs seien zu viele Widersprüche aufgetaucht, heisst es. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass er etwa als Doppelagent arbeite und ein Sicherheitsrisiko darstelle. Also wurde Nawrusbekow abgeschoben – so schnell wie möglich.

Berufung ignoriert

Seine Anwälte hatten gegen die Entscheidung Berufung eingelegt. Doch der polnische Geheimdienst missachtete den Antrag. Der Ex-Spion wurde im Zuge einer Blitzabschiebung sofort nach Russland deportiert. Zusätzlich wurde es ihm für zehn Jahre verboten, Länder des Schengen-Raumes zu betreten.

Nawrusbekow war bereits 2017 nach Polen gekommen, nachdem ihm im Zuge einer Mission in der Türkei und Syrien vom Kreml ein Reisepass ausgestellt worden war. Den nutzte er stattdessen, um zu fliehen. Seine eigentliche Aufgabe wäre gewesen, gesuchte russische Staatsbürger aufzuspüren.

Bericht über «kontrollierte Terrorattacken»

In Polen lebte er lange unter dem Radar, bis er Ende 2022 der von dem russischen Menschenrechtsaktivisten Wladimir Osetschkin gegründeten Online-Plattform «gulagu.net» ein Interview gab.

Im Gespräch mit Osetschkin machte er detaillierte Angaben zu «kontrollierten Terrorattacken» des FSB im Kaukasus. Laut eigener Aussage hat er Osetschkin ausserdem über 500 Geheimdokumente übergeben, damit der sie an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag weiterleite.

Osetschkin bezeichnet Nawrusbekows Fall gegenüber dem «Guardian» jedoch als «kompliziert» und gibt an, nachvollziehen zu können, warum die polnischen Behörden skeptisch geworden sind.

Verhaftung in Kaliningrad

Eine von Nawrusbekows Verteidiger*innen, die russische Menschenrechtsanwältin Karrinna Moskalenko, spricht von der Blitzabschiebung als «krude Verletzung von Menschenrechten».

Polen müsse für die Abschiebung Konsequenzen zu spüren bekommen: «Andere Länder sollten wissen, dass sie zurzeit keine Menschen, die aus Russland geflohen sind, dorthin abschieben können.» Es bestehe eine erhöhte Gefahr, dass Nawrusbekow in seiner Heimat gefoltert werde.

Laut seiner Ehefrau ist Nawrusbekow bereits in Kaliningrad verhaftet worden. Sie wisse allerdings nicht, was ihm vorgeworfen werde. Sie und die beiden Kinder des Paares haben am Tag seiner Abschiebung eine Aufenthaltserlaubnis bekommen.