Trumps Handelskriege Russisches Roulette mit der Weltwirtschaft

SDA/tpfi

1.12.2019

 Er kann in Sekundenschnelle über Twitter Weltpolitik machen: US-Präsident Donald Trump. (Archivbild) 
 Er kann in Sekundenschnelle über Twitter Weltpolitik machen: US-Präsident Donald Trump. (Archivbild) 
Bild: Andrew Harnik/AP/dpa

Jeder neue Tweet von US-Präsident Donald Trump zu den von ihm angezettelten Handelskriegen kann ein weltweites Beben auslösen. Eine Einigung mit China scheint in weite Ferne gerückt und auch Europa fürchtet Trumps Unberechenbarkeit — wie lange bleiben wir noch verschont?

US-Präsident Trump ist stolz auf seine Handelskriege. Bei seinen Anhängern kommt das ein Jahr vor der Wahl an. Die Weltwirtschaft aber leidet darunter. Trumps Kurs scheint unberechenbar: Eine Einigung mit China ist nicht in Sicht, und auch Europa droht neues Ungemach.

Jeder neue Tweet von US-Präsident Donald Trump zu den von ihm angezettelten Handelskriegen kann ein Börsenbeben auslösen. Die Konflikte bremsen das Wachstum der Weltwirtschaft, verändern Handelsströme und stören Lieferketten. Es geht um Hunderte Milliarden Euro.

Bei Unternehmen und Regierungen geht daher weiter die Angst um. Die grössten Volkswirtschaften — vor allem China, aber auch Europa — fürchten Trumps Unberechenbarkeit: Kommen neue Strafzölle, werden bestehende Importgebühren noch weiter erhöht oder verschont uns der US-Präsident noch dieses eine Mal?

China trotzt Trump

«Handelskriege sind leicht zu gewinnen», strotzte Trump zu Beginn des Konflikts mit China vor rund eineinhalb Jahren voller Zuversicht. Doch das zähe Ringen im Jahr 2019 - inklusive wütender Tweets und einer Spirale immer höherer Zölle - dürfte ihn eines Besseren belehrt haben: Trotz der Übermacht der US-Wirtschaft beugen sich längst nicht alle Staaten seinen Forderungen.

China hat sich einem von Trump gewünschten umfassenden Handelsabkommen bislang — trotz hoher wirtschaftlicher Kosten — verweigert. Inzwischen will sich Trump daher, entgegen monatelanger anderslautender Beteuerungen, mit einem Teilabkommen zufrieden geben, ein Abkommen der "ersten Phase".

Dieser von vielen Experten als Einknicken Trumps beschriebene Schritt lag wohl auch daran, dass die Kosten des Handelskriegs zuletzt immer deutlicher zu spüren waren. US-Konsumenten müssen inzwischen mehr für importierte Waren bezahlen, Unternehmen fahren wegen der vom Handelskonflikt ausgelösten Unsicherheit ihre Investitionen zurück, das Wirtschaftswachstum verlangsamt sich.

Weltpolitik über Twitter

Als Präsident kann Trump in Handelsfragen weitgehend ungestört schalten und walten, er braucht keine Zustimmung des Kongresses. Genau so liebt er es: Er kann in Sekundenschnelle über Twitter Weltpolitik machen. Bei seinen Tweets zu Handelsthemen ist es ein bisschen wie beim russischen Roulette — vorher weiss man nie, ob mit scharfer Munition geschossen wird.

Der weitere Verlauf der Handelskonflikte dürfte auch ein bestimmendes Wahlkampfthema werden. Höhere Preise für US-Konsumenten machen sich nicht so gut, aber an der republikanischen Parteibasis kommt Trumps harter Kurs an. Politisch könnte es nach Meinung vieler Experten daher für Trump gut sein, die Konflikte weiter köcheln zu lassen.

Tatsächlich bremst der Handelskrieg Chinas Wirtschaft, die so langsam wie seit drei Jahrzehnten nicht mehr wächst. Dafür werden aber auch die hohe Überschuldung und strukturelle Probleme verantwortlich gemacht.

Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ruft sein Milliardenvolk daher zu einem neuen «langen Marsch» auf. Er erwartet keine schnelle Lösung. «Wenn notwendig, werden wir zurückkämpfen, aber wir arbeiten aktiv daran, keinen Handelskrieg zu haben», sagte er im November.

Unruhe wegen Hongkong

Doch die Verhandlungen könnten auch noch aus Gründen scheitern, die eigentlich nichts mit Handel zu tun haben: Die vom US-Kongress verabschiedeten Gesetze zur Unterstützung der Demokratiebewegung in Hongkong empören Peking. Trump setzte die Gesetze Ende November in Kraft. Für Chinas Führung ist es eine Einmischung in innere Angelegenheiten, ein Affront.

Können die Verhandlungen um ein Handelsabkommen nun überhaupt weitergehen? Kurz vor der Unterzeichnung der Gesetz durch Trump warnte ein Kommentar in Chinas Staatsfernsehen mit Blick auf Hongkong: «China will den Handelskrieg beenden — zum Wohle der globalen wirtschaftlichen Stabilität, aber es wird sich nicht Schikane und Einschüchterung beugen.»

Die nächste Klippe gilt es bereits am 15. Dezember zu umschiffen: Dann sollen eigentlich neue Strafzölle auf Konsumgüter wie Smartphones und Laptops aus China im Wert von rund 160 Milliarden US-Dollar in Kraft treten.

Dabei erscheint wegen der laufenden Verhandlungen ein neuer Aufschub wahrscheinlich — aber schon ein Tweet könnte alles wieder ändern. Sollten die Zölle in Kraft treten, würden damit erstmals auf fast alle aus China eingeführten Waren im Wert von rund 500 Milliarden Dollar zusätzliche Gebühren erhoben.

Trump will Marktöffnung

Trump hatte den Handelskrieg ursprünglich aus Verärgerung darüber angezettelt, dass China weit mehr in die USA exportiert als umgekehrt. Washington fordert von Peking nun unter anderem eine Marktöffnung, den Kampf gegen den Diebstahl von Urheberrechten und eine Verringerung staatlicher Subventionen.

China hofft, dass die USA beim Abschluss eines Teilabkommens die seit 2018 neu verhängten Strafzölle wieder abschaffen würden. Für Trump könnte das nach einem Einknicken aussehen; für China ist es aber nach Meinung von Experten eine rote Linie.

Während der Streit der beiden grössten Volkswirtschaften andauert, leidet die Weltwirtschaft: Der Konflikt könnte die globale Wirtschaftsleistung 2020 um bis zu 700 Milliarden US-Dollar senken, warnt etwa der Internationale Währungsfonds (IWF). Das entspräche rund 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung.

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