Feinde im Krieg, Partner im Geschäft Russland bezahlt Ukraine weiterhin für Gas-Transfer

von Stefan Michel

18.4.2022

Die Ukraine beabsichtigt nicht, russische Gaslieferungen an Europa zu unterbinden. Archivbild von 2015 des ukrainischen Gaswerks in Wolowets.
Die Ukraine beabsichtigt nicht, russische Gaslieferungen an Europa zu unterbinden. Archivbild von 2015 des ukrainischen Gaswerks in Wolowets.
KEYSTONE / AP Photo / Pavlo Palamarchuk

Der Kreml finanziert den russischen Krieg in der Ukraine zu beträchtlichem Teil aus Gaslieferungen an den Westen. Davon profitiert auch die Ukraine, welche nach wie vor Durchleitungsgebühren einzieht. 

von Stefan Michel

Woche für Woche publiziert Gazprom, das staatliche russische Gasförderunternehmen des Volumens des nach Westen geleiteten Erdgases. Die Pipelines würden am Maximum ihrer Kapazität laufen oder wenig darunter. Alleine die EU-Länder zahlen der russischen Staatskasse rund 400 Millionen Dollar für geliefertes Erdgas – pro Tag. 

Davon profitiert in geringerem Ausmass auch die Ukraine. Denn Russland überweist dem Land, das es nach Ansicht seines Präsidenten gar nicht gibt, Durchleitungsgebühren. Dies bestätigte der CEO der staatlichen ukrainischen Gasgesellschaft Naftogaz in einem Interview mit Reuters

Diese Transfergebühren betragen zwar nur ein Bruchteil dessen, was Russland mit dem Rohstoff verdient: 1,2 Milliarden Dollar jährlich fliessen von Russland in die Ukraine, während das Gas durch diese hindurchfliesst, durchschnittlich gut 3 Millionen Dollar pro Tag. Die Zahl stammt gemäss Nachrichtenportal DW vom Oxford Institute for Energy Studies. Durchschnittlich ergibt das gut 3 Millionen Dollar pro Tag. 

Ein Lieferstopp Europas würde Russland also weit schwerer treffen als die Ukraine, welche dabei aber ebenfalls eine Einbusse erleiden würde. Im Vergleich zu den Schäden durch den Krieg ist diese zwar vernachlässigbar. Aber der Betrieb der Pipelines bringt Einkommen, das die Ukraine braucht.

Naftogaz-CEO Yuryj Vitrenko bekräftigt denn auch, sein Unternehmen werde seine Dienstleistung an Russland so lange aufrechterhalten, als dies technisch möglich sei. Bis zum Zeitpunkt des Interviews Mitte März sei die Hochdruck-Pipeline nicht getroffen worden. In Gefahr seien vor allem die Mitarbeitenden, die jederzeit Opfer russischer Angriffe werden können. Diese würden dann fehlen, um die Anlagen zu betreiben. Zudem könnten mögliche Attacken auf die IT-Infrastruktur den Gas-Transfer lahmlegen. 

Russland hat mehr zu verlieren als die Ukraine

Aktuell hält die Unsicherheit durch den Krieg die Gaspreise auf sehr hohem Niveau, wie das Oxford Institute for Energy Studies schreibt. Davon profitiert Russland, das möglicherweise 2022 sogar Rekordeinnahmen aus Rohstoffexporten verbuchen wird, wie Business Insider unter Berufung auf Bloomberg schreibt. 

Die EU und weitere Länder arbeiten daran, russisches Gas und Öl durch Lieferungen aus anderen Staaten zu ersetzen. Würde dies gelingen, und würde kein Erdgas mehr von Russland durch die Ukraine geleitet, würde auch die Ukraine weniger verdienen. Das Ende des Krieges würde diesen Verlust sicherlich mehr als wettmachen. 

Russland arbeitet wohl ebenfalls bereits daran, die Exporte nach Europa durch Lieferungen an andere Länder zu ersetzen. China nimmt Russland aktuell 38 Prozent seines Angebots ab. Ein Experte erklärte DW. Der Kreml arbeite bereits daran, seine Position in der Konkurrenz mit den Öl-Staaten im Nahen Osten zu verbessern.