Schlappe für Erdogan Imamoglu wird Bürgermeister von Istanbul

SDA

23.6.2019 - 22:02

Herbe Niederlage für Präsident Recep Tayyip Erdogan und seine Regierungspartei AKP: Der Oppositionskandidat Ekrem Imamoglu gewinnt überraschend klar die Bürgermeisterwahl in Istanbul.

In der Türkei bröckelt die Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan. In Istanbul hat Erdogans Kandidat die Wahl um das Amt des Bürgermeisters klar verloren. Gewonnen hat Ekrem Imamoglu von der grössten Oppositionspartei, der säkularen Republikanischen Volkspartei CHP. Er erhielt nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu und Auszählung fast aller Stimmen rund 54 Prozent.

Sein Gegner, der ehemalige Ministerpräsident und AKP-Kandidat Binali Yildirim, kam auf rund 45 Prozent. Der Chef der Hohen Wahlkommission Sadi Güven sagte, die Endergebnisse stünden spätestens am Montag fest.

Erdogan gratuliert Wahlsieger

Erdogan beglückwünschte den vorläufigen Wahlsieger noch am Abend. «Der nationale Wille hat sich heute einmal mehr gezeigt. Ich gratuliere Ekrem Imamoglu, der inoffiziellen Ergebnissen zufolge die Wahl gewonnen hat», sagte er.

AKP-Kandidat Yildirim wünschte seinem Gegner viel Erfolg. Imamoglu sagte vor Journalisten und Anhängern: «Das ist kein Sieg, sondern ein Neuanfang.» Die Istanbuler hätten den «Ruf der Demokratie verteidigt».

Imamoglu hatte schon die erste Bürgermeisterwahl am 31. März gewonnen. Die Wahlkommission (YSK) annullierte das Ergebnis jedoch Anfang Mai wegen angeblicher Regelwidrigkeiten und gab damit einem Antrag von Erdogans AKP statt.

Symbol für die Hoffnung

Die Bedeutung der Wahl ging weit über das Lokale hinaus und wurde international aufmerksam verfolgt. Imamoglu war zum Symbol geworden für die Hoffnung, dass in der Türkei auf demokratischem Weg noch ein Wandel möglich ist. Einige sehen in ihm sogar schon den nächsten Präsidenten.

Für Erdogan, der auf eine Wiederholung der Wahl gedrängt hatte, ist die erneute Niederlage ein Schlag ins Gesicht. Die Millionenmetropole ist der wirtschaftliche Motor des Landes und hat hohe symbolische Bedeutung. 25 Jahre lang war sie von islamisch-konservativen Bürgermeistern regiert worden, unter anderem von Erdogan selbst.

Erdogan aus der Schusslinie

Die AKP hatte nach ihrer Niederlage Ende März ihre Wahlkampfstrategie geändert. Erdogan, der zuvor überall präsent war und mehrere Wahlkampfreden täglich gehalten hatte, zog sich diesmal etwas zurück und trat kaum auf. Stattdessen stand Yildirim im Vordergrund. Die AKP liess sich sogar das erste Mal seit 17 Jahren auf ein Fernsehduell mit der Opposition ein.

Experten vermuten, dass Erdogan sich aus der Schusslinie nehmen wollte, für den Fall, dass die AKP doch verlieren sollte. Zuletzt attackierte der Präsident Imamoglu aber mehrmals, nannte ihn einen Lügner und warf ihm vor, einen Gouverneur beleidigt zu haben. «Nach der Wahl wirst Du Dich dafür verantworten», drohte er.

Zeichen gegen Polarisierung

Imamoglu hatte im Wahlkampf mit seiner vermittelnden Art und dem Slogan «Alles wird sehr gut» gepunktet und ein Zeichen gegen die Polarisierung im Land gesetzt. Auch nach seinem Sieg ging er auf Erdogan zu und sagte, er wolle den Präsidenten bald besuchen. «Ich bin bereit, in Harmonie mit Ihnen zusammenzuarbeiten und verlange danach. Das verkünde ich vor allen Istanbulern», sagte er.

Weiter sagt er: «Die Istanbuler haben mir eine heilige Aufgabe gegeben», er versprach, sein Amt «mit Leib und Seele» auszuführen. In Istanbul werde es nun «Gerechtigkeit, Gleichheit, Liebe und Toleranz geben. Verschwendung, Luxus, Arroganz und Diskriminierung werden ein Ende haben».

Imamoglus Unterstützer feierten ihren Kandidaten mit spontanen Jubelrufen. In einem Flugzeug von Istanbul nach Bodrum klatschten die Menschen kurz vor Abflug, als sie vom Sieg Imamoglus erfuhren. Auf der zentralen Einkaufsstrasse Istiklal versammelten sich zahlreiche Menschen und riefen den Wahlkampfslogan: «Her seyi cok güzel olacak!» (Alles wird sehr gut)

Wähler kamen aus den Ferien

Nach der umstrittenen Annullierung war das Interesse an der Neuwahl immens hoch. Zahlreiche Wahlberechtigte brachen ihre Ferien ab und reisten nach Istanbul, um ihre Stimme abzugeben. Die Fluggesellschaft Turkish Airlines setzte zusätzliche Verbindungen auf den Flugplan.

Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben von Anadolu bei 84,4 Prozent und damit etwa auf dem gleichen Niveau wie bei der ersten Wahl Ende März. Wahlberechtigt waren rund 10,5 Millionen Menschen. Der Wahltag verlief nach Einschätzung von Beobachtern weitestgehend geordnet.

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