Chinas Impfstoffe Das Volk bleibt skeptisch, die Wirksamkeit gering

Von Sven Hauberg

22.4.2021

«Eine rechtzeitige Impfung hilft, gemeinsam die grosse Mauer der Immunität zu errichten», heisst es auf diesem Plakat vor einem Impfzentrum in Peking.
«Eine rechtzeitige Impfung hilft, gemeinsam die grosse Mauer der Immunität zu errichten», heisst es auf diesem Plakat vor einem Impfzentrum in Peking.
Bild: Keystone

Einst Hoffnungsträger, jetzt Sorgenkind: Chinas Impfstoffe haben offenbar nur eine geringe Wirksamkeit – und sorgen daheim für grössere Skepsis als im Ausland.

Von Sven Hauberg

22.4.2021

Die chinesische Propaganda mag es bisweilen etwas anders darstellen, international aber sind sich Wissenschaft und Politik weitgehend einig: Die Corona-Pandemie nahm in China ihren Ursprung. Ende 2019 trat das Virus erstmals massenhaft auf einem Markt in der südchinesischen Stadt Wuhan auf, von dort aus verbreitete es sich weltweit. Mitschuld daran trägt auch das politische System des autokratisch regierten Landes – auf regionaler Ebene wurde vertuscht und geleugnet, bis es zu spät war, das Virus einzudämmen.

Nun, bald anderthalb Jahre und 3 Millionen Tote später, droht der Welt erneut möglicherweise Gefahr aus dem Riesenreich. Und das ausgerechnet durch einen Hoffnungsträger: den Impfstoff made in China.



Noch bevor in der Schweiz und in vielen anderen Ländern die Impfkampagne überhaupt begonnen hatte, wurden in China schon die ersten Spritzen gesetzt. Die Ankündigungen der Staatsführung waren vollmundig: Man wolle, tönte Partei- und Staatschef Xi Jinping vor beinahe einem Jahr, die Welt mit chinesischen Vakzinen versorgen. «Ein Impfstoff aus China», so Xi im Mai 2020, «wird ein öffentliches Gut sein.»

Keine Herdenimmunität in Sicht

Fünf Impfstoffe werden in China derzeit eingesetzt, über ihre Wirksamkeit gibt es unterschiedliche Angaben. Aufhorchen liess kürzlich eine Äusserung des Direktors des chinesischen Zentrums zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten (CDC), Gao Fu. Auf einer Konferenz hatte Gao gesagt, es sei «notwendig, Wege zu prüfen, wie der niedrige Schutz bestehender Vakzine angegangen werden kann». Zwar ruderte Gao wenig später zurück und beteuerte in einem parteinahen Blatt, man habe ihn missverstanden. Nur: Der Satz von den wenig wirksamen China-Vakzinen war in der Welt.



In China selbst ist die Impfskepsis seit Langem gross. Ausländische Vakzine wie jenes von Biontech und Pfizer, das auch in der Schweiz zum Einsatz kommt, wurden von Parteimedien immer wieder angegriffen und als angeblich gefährlich gebrandmarkt. Und den Impfstoffen, die im eigenen Land hergestellt werden, vertrauen die Bürger auch nicht. «Man muss sich in Erinnerung rufen, dass China in der Vergangenheit von vielen Impfskandalen erschüttert wurde», erklärt Jacob Mardell von der Denkfabrik Mercator Institute for China Studies im Gespräch mit «blue News». «Ausserdem scheint es in China das Gefühl zu geben, eine Impfung sei nicht dringend notwendig, weil die Pandemie dort kein grosses Problem mehr ist.»

Tatsächlich hat China die Ausbreitung des Virus seit Monaten im Griff. Entsprechend gering sind die Sorge vor einer Ansteckung und die Impfrate. Anfang April hatten erst 34 Millionen Menschen beide Impfdosen erhalten. Laut chinesischem Zentrum zur Prävention und Kontrolle von Krankheiten müsste aber rund eine Milliarde Menschen geimpft werden, damit in China Herdenimmunität erreicht und so eine weitere Ausbreitung des Coronavirus gestoppt werden könne. Davon ist das Land noch weit entfernt, obwohl täglich mehrere Millionen Impfdosen verabreicht werden.

Kostenlose Eier für Geimpfte

Um mehr Chinesen dazu zu bringen, sich piksen zu lassen, versucht es der Staat mit Anreizen. In Peking wirbt ein Gesundheitszentrum mit kostenlosen Eiern für Geimpfte über 60, Einkaufszentren bieten Bonuspunkte an, wenn man seine Dosis erhalten hat. Derzeit spricht dennoch vieles dafür, dass die USA und die Staaten Europas die Herdenimmunität vor China erreicht haben. Und dann? Möglicherweise wird sich das Land weiter abschotten müssen, um die eigenen Erfolge im Kampf gegen die Pandemie nicht zu gefährden.

Auch im Ausland sind seit Monaten Impfstoffe aus China im Einsatz. Dort, so China-Experte Mardell, sei die Skepsis gegenüber den Vakzinen bisweilen kleiner als in China selbst. «Die Länder, die chinesische Impfstoffe nutzen, haben offenbar genug Vertrauen in die Vakzine», sagt Mardell. Zwar seien die Impfstoffe von CoronaVac und Sinopharm weniger wirksam als westliche Konkurrenzprodukte, «weil aber weltweit eine Impfstoffknappheit herrscht, werden beide dennoch stark nachgefragt».



Dass die China-Impfstoffe eine Wirksamkeit zwischen 50,7 Prozent und 79,3 Prozent haben, scheint etwa in Serbien nur wenige zu stören. In dem Balkanland liegt die Impfquote derzeit deutlich höher als im Rest Europas. Das liege, sagt Mardell, vor allem am Einsatz von Sinopharm. Für Peking ist das ein Erfolg, den die Propaganda nur allzu gern ausschlachtet. «Es hat Chinas Ansehen in der Welt sicherlich geholfen, dass das Land es geschafft hat, das Infektionsgeschehen daheim einzudämmen, und dass China besser als der Westen darin ist, Länder mit mittleren und geringen Einkommen mit Impfstoffen zu versorgen», meint Mardell.

Um Peking den Balkan nicht allein zu überlassen, wird nun auch die Europäische Union aktiv. Am Dienstag wurde beschlossen, dass die sechs Staaten des Westbalkans weitere rund 650'000 Impfdosen von der EU erhalten sollen. Geliefert wird das Vakzin von Biontech und Pfizer.