Zahlen sinken So wirkungsvoll ist die Bundesnotbremse in Deutschland

tafu

14.5.2021

Leere Strassen gab es vielerorts, so auch in Koblenz, während der Ausgangssperren in Deutschland.
Leere Strassen gab es vielerorts, so auch in Koblenz, während der Ausgangssperren in Deutschland.
Bild: KEYSTONE/DPA/Thomas Frey

Mit einheitlichen Massnahmen versucht man beim Nachbarn, der Pandemie-Lage Herr zu werden – offenbar mit gutem Erfolg. Doch ist tatsächlich nur die Bundesnotbremse der Grund für die verbesserte Infektionslage?

tafu

14.5.2021

Genau drei Wochen ist es her, dass Deutschland die Bundesnotbremse eingeführt hat. Geregelt werden damit bundeseinheitliche Massnahmen , welche ab bestimmten Inzidenzwerten in Kraft treten. So soll der Flickenteppich, der durch teils unterschiedliche Regelungen in den einzelnen Bundesländern entstanden war, vermieden werden, Massnahmen werden vereinheitlicht und verständlicher für die Bürger. Vor allem aber soll die Bundesnotbremse eines: Die dritte Welle stoppen.

Wie erfolgreich das war,  dieser Frage hat sich das Magazin «Spiegel» angenommen und sich die sinkenden Zahlen in Deutschland (die 7-Tage-Inzidenz liegt am Freitag bei 97) genauer angeschaut. Gibt es wirklich eine Verbindung zur Einführung der Bundesnotbremse?

Die Antwort ist, wie so oft, nicht ganz einfach. Dass es definitiv einen Zusammenhang gibt, sieht der Pharmazieprofessor Thorsten Lehr von der Universität des Saarlandes als erwiesen, wie er dem «Spiegel» bestätigt. «Ich gehe davon aus, dass der hauptsächliche Effekt des Absinkens auf die Notbremse zurückzuführen ist», erklärt er. Allerdings könnten auch Saisonalität und der Impffortschritt eine entscheidende Rolle spielen.

Wie effektiv wirkt die Ausgangssperre?

Aufgrund der Vielzahl an Massnahmen wird es schwer, einen ursächlichen Zusammenhang im Detail zu belegen. Ein zentraler Bestandteil der Bundesnotbremse ist die Ausgangssperre. Liegt ein Landkreis oder eine Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen über einer 7-Tage-Inzidenz von 100, gilt von 22 bis 5 Uhr eine Ausgangssperre. Damit soll die Mobilität der Bürger heruntergefahren werden. Wer weniger unterwegs ist, für den ergeben sich auch weniger Kontakte.

Doch haben die Einschränkungen der letzten Wochen, so analysiert der «Spiegel», kaum zu einem Rückgang der Mobilität geführt. Wie das Forschungsprojekt «Covid-19-Mobility Project» bereits vor Einführung der Bundesnotbremse ermittelt hatte, bewegen sich die Bürger ohnehin wenig am späten Abend oder in der Nacht. Nur 7,4 Prozent der Mobilität entfalle auf die Zeit zwischen 22 und 5 Uhr. Die Auswirkung auf die Inzidenzwerte dürfte sich also in Grenzen halten.



Dagegen hätten die beschlossenen Kontaktbeschränkungen sowie die Homeoffice-Regelung und vor allem auch die eingeschränkte Präsenz an Schulen, die regional an höhere Inzidenzwerte gekoppelt sind, durchaus eine Wirkung. Eine Betrachtung der Fallzahlen auf regionaler Ebene zeigt eine rückläufige Tendenz in mehr als drei Viertel der Städte und Landkreise.

Impfungen, Testungen und der nahende Sommer

Neben der Notbremse schlagen für die rückläufigen Zahlen vor allem noch folgende Aspekte zu Buche: der Impffortschritt, mehr Testungen und die Saisonalität. In Deutschland haben bereits mehr als 20 Millionen Menschen ihre erste Dosis Impfstoff erhalten, weitere acht Millionen sind schon vollständig geimpft.

Zwar wird durch diesen Fortschritt die Pandemie noch nicht ausgebremst, er leistet aber einen wesentlichen Beitrag. Verbindungen, über die sich das Virus sonst ausbreite, könnten durch geimpfte Personen unterbrochen werden, erklärt Christian Drosten im NDR-Podcast «Coronavirus-Update».  Es könne durchaus sein, «dass wir durch diese 30 Prozent Erstimpfquote beginnen, erste Impfeffekte zu sehen». Wirklich belegen liesse sich dieser Effekt allerdings bisher nicht. «Die allerbesten Modellierungen kommen vielleicht in die Lage, so etwas zu machen. Solche Daten habe ich aber für Deutschland noch nicht gesehen», so Drosten.



Die Rolle der Saisonalität darf ebenfalls nicht unterschätzt werden, zeigte sich doch bereits 2020 mit höheren Temperaturen eine Verbesserung der Infektionslage. Denn Richtung Sommer finden Treffen zwischen den Menschen vermehrt draussen statt, das Ansteckungsrisiko sinkt, da die Aerosole an der Luft verdünnt werden. Des Weiteren überleben Viren aufgrund der höheren UV-Strahlung weniger lang auf Oberflächen oder an der Luft.

Viel hilft viel

Auch die Zunahme von Schnell- und Selbsttest hat ihren Anteil am Rückgang der Infektionen. Es wird vermehrt auch ohne Symptome oder Anlass getestet, Ansteckungen und Infetkionscluster können frühzeitig unterbunden werden. Für die Tests sowie für die weiteren Aspekte, die zu einem Sinken der Zahlen geführt haben, gilt allerdings: Der tatsächliche Beitrag ist schwer zu quantifizieren.

Sicher ist: Die Zahl der täglichen Neuinfektionen in Deutschland als auch der R-Wert gehen deutlich zurück. Welche Massnahmen genau dafür verantwortlich sind, lässt sich kaum benennen.

Der australische Virologe Ian Mackay zeigte bereits im Herbst 2020 mit einem einfachen Bild, wie stark einzelne Massnahmen im Zusammenspiel die Ausbreitung des Virus bremsen können. Sein «Schweizer-Käse-Modell» illustriert das recht eindeutig: Auch wenn die einzelnen Massnahmen in ihrer Wirkung «löchrig» wie ein Schweizer Käse sind, können sie Scheibe für Scheibe hintereinander viel gegen die Pandemie bewirken.