Politik Spannendes Rennen um die Präsidentschaft bei Wahlen in Türkei

SDA

14.5.2023 - 22:06

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt zur Stimmabgabe in ein Wahllokal. Foto: Francisco Seco/AP/dpa
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan kommt zur Stimmabgabe in ein Wahllokal. Foto: Francisco Seco/AP/dpa
Keystone

Bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei hat sich das erwartet spannende Rennen zwischen Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan und seinem Herausforderer, Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu, abgezeichnet. Nach Auszählung von etwa Zweidrittel der Stimmen lag Erdogan nur knapp über 50 Prozent der Stimmen, wie die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete.

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu erreichte demnach rund 43 Prozent. Bekommt keiner der drei Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen, geht es für die beiden führenden Bewerber am 28. Mai in eine Stichwahl.

Wie Wahl in der Türkei gilt als richtungsweisend und wegen der zu erwartenden innen- und aussenpolitischen Auswirkungen als eine der weltweit wichtigsten in diesem Jahr.

Die Opposition warf Erdogans islamisch-konservativer Regierungspartei unterdessen «taktische Manöver» bei der Stimmauszählung vor. Ihren Angaben zufolge liege Kilicdaroglu knapp vorne, erklärten die Bürgermeister von Istanbul und Ankara bei einer gemeinsamen Pressekonferenz in der Hauptstadt. Die islamisch-konservative AKP Erdogans lege bewusst Einspruch gegen die Ergebnisse in Hochburgen der Oppositon ein. Dadurch werde die Auszählung langsamer gemacht, und das Ergebnis falle zunächst zugunsten der Regierung aus.

AKP-Sprecher Ömer Celik wiederum warf der Opposition eine «diktatorische Haltung» während der Stimmauszählung vor, weil sie Ergebnisse frühzeitig bekannt gebe.

Die Staatsagentur veröffentlicht in der Regel zunächst die Auszählungsergebnisse in Erdogan-Hochburgen. Die ersten Daten lassen daher noch keine Rückschlüsse auf das Endergebnis zu.

Der Kandidat eines ultranationalistischen Parteienbündnisses, Sinan Ogan, lag laut Anadolu bei rund 5,3 Prozent. Muharrem Ince von der Vaterlandspartei hatte seine Kandidatur kurz vor der Wahl zurückgezogen, seine Name stand aber noch auf den Stimmzetteln.

Nachdem 60 Prozent der Stimmen bei den Parlamentswahlen ausgezählt wurden, kam Erdogans Parteienbündnis nach Angaben von Anadolu auf rund 52 Prozent. Die Oppositionsallianz rund um Kilicdaroglus CHP erlangte gut 33 Prozent der Stimmen, das Oppositionsbündnis mit der prokurdischen Partei HDP gut 9 Prozent.

Seit der Einführung eines Präsidialsystems vor fünf Jahren hat der 69 Jahre alte Erdogan so viel Macht wie noch nie und kann weitestgehend am Parlament vorbei regieren. Kritiker befürchten, dass das Land mit rund 85 Millionen Einwohnern vollends in die Autokratie abgleiten könnte, sollte er erneut gewinnen. Auch international wird die Abstimmung in dem Nato-Land aufmerksam beobachtet.

Die Wahl lief nach einer ersten Einschätzung der zuständigen Behörde ohne Probleme ab. Oppositionspolitiker meldeten kleinere Zwischenfälle aus verschiedene Provinzen. Rund 64 Millionen Menschen im In- und Ausland waren zur Stimmabgabe aufgerufen. In Deutschland waren rund 1,5 Millionen Menschen mit türkischem Pass stimmberechtigt.

Der Wahlkampf war angespannt und galt als unfair, vor allem wegen der medialen Übermacht der Regierung. Bestimmendes Thema war die schlechte wirtschaftliche Lage mit einer massiven Inflation. Erdogan versprach unter anderem eine Anhebung von Beamtengehältern und weitere Investitionen in die Rüstungsindustrie. Er führte eine aggressive Kampagne und beschimpfte die Opposition als «Terroristen». Ein beliebter Oppositionspolitiker war nur eine Woche vor der Wahl mit Steinen beworfen worden. Kilicdaroglu trug am Freitag bei einem Auftritt in der Erdogan-Hochburg Samsun eine kugelsichere Weste.

Kilicdaroglu gilt als besonnener Politiker. Er stammt aus der osttürkischen Provinz Tunceli und gehört der religiösen Minderheit der Aleviten an. Der Oppositionsführer will die Unabhängigkeit von Institutionen wie der Zentralbank wiederherstellen und die hohe Inflation in den Griff bekommen. Er steht für eine Wiederannäherung an Deutschland und die EU, aber auch für eine schärfere Migrationspolitik.