PolitikSPD setzt sich im ostdeutschen Brandenburg gegen AfD durch
SDA
22.9.2024 - 19:52
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke hat es noch einmal geschafft: Bei der Landtagswahl in dem ostdeutschen Bundesland haben sich seine Sozialdemokraten (SPD) knapp gegen die rechtspopulistische Alternative für Deutschland (AfD) behauptet und sind erneut stärkste Kraft geworden.
22.09.2024, 19:52
SDA
Nach Hochrechnungen von ARD und ZDF folgen dahinter das neue linkspopulistische Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und die Christdemokraten (CDU). Grüne, Linke, FDP (Liberale) und BVB/Freie Wähler bleiben sämtlich einstellig.
Woidke könnte damit nach elf Jahren im Amt weiterregieren. Seit der letzten Wahl 2019 führt er eine Koalition mit CDU und Grünen.
Den Hochrechnungen zufolge erreicht die SPD 31,2 bis 31,7 Prozent (2019: 23,5 Prozent). Die AfD, die der Landesverfassungsschutz als rechtsextremen Verdachtsfall einstuft, steigert sich auf 29,3 bis 29,8 Prozent (23,5).
Dahinter folgen das BSW, das aus dem Stand 12 bis 12,1 Prozent erreicht, und die CDU mit 11,7 bis 11,8 Prozent (15,6). Die Grünen verlieren massiv und landen bei 4,7 bis 5 Prozent (10,8). Die Linke rutscht ebenfalls dramatisch ab auf 3,1 bis 3,8 Prozent (10,7). BVB/Freie Wähler kommen auf 2,6 Prozent (5,0). Die FDP wird nicht einzeln ausgewiesen.
Parteien, die an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, haben über die Grundmandatsklausel noch eine Chance: Wenn sie mindestens ein Direktmandat gewinnen, ziehen sie in den Landtag ein – mit der Anzahl der Sitze nach ihrem Zweitstimmenergebnis.
Die SPD kommt den Hochrechnungen zufolge auf 30 bis 33 Mandate im Landtag (2019: 25 Sitze), die AfD auf 29 bis 30 (23). Das BSW hat 12 bis 13 Sitze. Die CDU erhält 11 bis 12 Mandate (15). Die Grünen bekommen laut ARD 5 Mandate (10), nach den ZDF-Zahlen scheitern sie knapp an der Fünf-Prozent-Hürde.
Auch BVB/Freie Wähler bleiben unter der kritischen Marke (5). Die Linke schafft den Einzug in den Landtag nicht (10) – erstmals seit 1990. Alle drei Parteien können aber noch auf ein Direktmandat hoffen.
Die Wahlbeteiligung liegt den Hochrechnungen zufolge bei 73 bis 74 Prozent und damit deutlich höher als 2019 mit 61,3 Prozent.
Brandenburg ist seit 1990 SPD-regiert
Die SPD kann nach zuletzt schlechten Ergebnissen bei der Europawahl und den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen nun etwas aufatmen – auch im Bund. SPD-Kanzler Olaf Scholz darf auf leichten Rückenwind für die Bundestagswahl in einem Jahr hoffen. Für die beiden anderen Koalitions-Parteien Grüne und FDP sind die Brandenburger Zahlen hingegen bitter.
Seit der Wiedervereinigung 1990 haben die Sozialdemokraten in Brandenburg durchgängig den Ministerpräsidenten gestellt. Im Wahlkampf hatte der 62-jährige Woidke bewusst nicht auf grosse gemeinsame Auftritte mit Kanzler Scholz gesetzt – wohl auch wegen der schlechten Umfragewerte der Berliner Ampel. Zur Wahl aufgerufen waren rund 2,1 Millionen Menschen – es gibt in dem Bundesland weniger Wahlberechtigte als in Berlin.
Schwierige Regierungsbildung
Vor der Wahl hatte Woidke angekündigt, dass er nur dann weiter Regierungsverantwortung tragen will, wenn die SPD stärkste Kraft wird – das hat er nun geschafft. Die Regierungsbildung dürfte aber kompliziert werden.
Unklar ist, ob der bisherige Regierungspartner Grüne wieder in den Landtag kommt – dann wäre eine Fortsetzung der rot-schwarz-grünen Koalition möglich. Woidke hatte sich vor der Wahl nicht zu Wunschpartnern geäussert. Als Partner käme ausserdem das BSW in Frage, aber auch BVB/Freie Wähler – falls Letztere ein Direktmandat gewinnen. Das BSW hatte im Wahlkampf signalisiert, nicht um jeden Preis mitregieren zu wollen.
Woidke sagte: «Wir haben eine Aufholjagd hingelegt, wie es sie in der Geschichte unseres Landes noch niemals gegeben hat.» Er fügte an: «Unser Ziel war von Anfang an, zu verhindern, dass unser Land einen grossen braunen Stempel kriegt.»
CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach nach den Einbussen seiner Partei von einer «bitteren Niederlage». Woidke habe mit seiner Rücktrittsdrohung alles auf eine Karte gesetzt – und gewonnen. «So sieht Glaubwürdigkeit aus.»
Die AfD hat trotz ihres guten Abschneidens keine Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung: Keine andere Partei will mit ihr zusammenarbeiten. Parteichef Tino Chrupalla sagte, man habe das Ziel verpasst, Woidke «in die Rente zu schicken».
Doch seien die ostdeutschen Wahlen in Thüringen, Sachsen und Thüringen erfolgreich gewesen: «Wir haben einmal Gold und zweimal Silber geholt.» Das Erstarken der AfD hat zuletzt auch im Ausland Sorgen vor einem Rechtsruck in Deutschland ausgelöst, etwa bei Partnern in der Nato und der EU.
Landtag in Potsdam hat maximal 110 Sitze
Eine Besonderheit in Brandenburg, die es in keinem anderen Bundesland gibt, ist die Deckelung der Sitze im Landtag – maximal 110 dürfen es sein.
Sollte die AfD bei dieser Wahl mehr Direktmandate gewinnen, als ihr nach dem Zweitstimmenanteil Mandate zustehen, könnte es Experten zufolge dazu kommen, dass die anderen Parteien wegen der Begrenzung der Landtagssitze nicht genug Ausgleichsmandate bekommen.
Sollte die AfD sogar mehr als ein Drittel der Sitze bekommen, hätte sie eine sogenannte Sperrminorität: Bei Entscheidungen und Wahlen, die eine Zweidrittelmehrheit erfordern, müsste sie zustimmen. Verfassungsrichter werden beispielsweise vom Parlament mit Zweidrittelmehrheit gewählt.
Wahlkampfthemen Migration und Aussenpolitik
Der Wahlkampf war bestimmt von einer scharfen Debatte über die Begrenzung der irregulären Migration, angeheizt auch vom islamistischen Messerattentat im westdeutschen Solingen mit drei Todesopfern. Brandenburgs Grenze zu Polen gilt bundesweit als Migrations-Hotspot, dort reisen trotz stationärer Polizeikontrollen viele Asylbewerber ein.
Trotz vergleichsweise starkem Wirtschaftswachstum, geringer Arbeitslosigkeit und etwa der Tesla-Ansiedlung herrschte in Brandenburg unter den Wählern laut Umfragen zuletzt viel Unzufriedenheit.
Besonderen Unmut gab es über die Ukraine-Politik der von den Ampel-Parteien SPD, Grüne und FDP getragenen Bundesregierung, was dem BSW in die Karten spielte.
Die Wagenknecht-Partei lehnt unter anderem Wirtschaftssanktionen gegen Russland und Waffenlieferungen an die Ukraine ab und stemmt sich ebenso gegen die von der Bundesregierung geplante Stationierung weitreichender US-Waffen in Deutschland.
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