Irland Staat Palästina? Oslo, Dublin und Madrid preschen mit Anerkennung vor

SDA

22.5.2024 - 14:13

ARCHIV - Ein Palästinenser hält die palästinensische Fahne in der Hand, während er auf Trümmern nach israelischem Beschuss in Chan Junis steht. Norwegen, Irland und Spanien werden Palästina als Staat anerkennen. Das teilten der norwegische Ministerpräsident Støre, Irlands Premierminister Harris und der spanische Ministerpräsident Sánchez mit. Foto: Abed Rahim Khatib/dpa
ARCHIV - Ein Palästinenser hält die palästinensische Fahne in der Hand, während er auf Trümmern nach israelischem Beschuss in Chan Junis steht. Norwegen, Irland und Spanien werden Palästina als Staat anerkennen. Das teilten der norwegische Ministerpräsident Støre, Irlands Premierminister Harris und der spanische Ministerpräsident Sánchez mit. Foto: Abed Rahim Khatib/dpa
Keystone

Norwegen sowie die beiden EU-Länder Irland und Spanien haben angekündigt, Palästina als eigenen Staat anzuerkennen.

Der Schritt soll am 28. Mai formell vollzogen werden, teilten der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre, Irlands Premierminister Simon Harris und der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez am Mittwochmorgen in Oslo, Dublin und Madrid mit. Gibt das Vorhaben der Zweistaatenlösung einen Schub oder macht es Frieden in Nahost noch unwahrscheinlicher?

Israel kritisierte den Vorstoss scharf und rief umgehend seine Botschafter aus den drei Ländern zurück. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) begrüsste den Schritt hingegen. PLO-Generalsekretär Hussein al-Scheich sprach von einem «historischen Moment».

Unterstützung für Zweistaatenlösung

Die Anerkennung sei «Ausdruck einer uneingeschränkten Unterstützung für eine Zweistaatenlösung, des einzig glaubwürdigen Wegs zu Frieden und Sicherheit für Israel, Palästina und deren Völker», sagte der irische Regierungschef Harris. Der Schritt könne dazu beitragen, dass der Prozess hin zu einer Zweistaatenlösung endlich wieder in Gang komme, sagte Norwegens Ministerpräsident Støre.

Die islamistische Hamas, die noch immer Teile des Gazastreifens kontrolliert, lehnt eine Zweistaatenlösung kategorisch ab. Auch Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte sie zuletzt für obsolet. Die PLO, die im Westjordanland die Autonomiebehörde dominiert, befürwortet den Plan. Die PLO hatte bereits 1988 einseitig die staatliche Unabhängigkeit Palästinas erklärt.

Premier Harris betonte, Dublin erkenne uneingeschränkt auch das Recht Israels an, in Sicherheit und Frieden mit seinen Nachbarn zu existieren. Irland verurteile das von der Hamas am 7. Oktober angerichtete «barbarische Massaker» und fordere die sofortige Freilassung aller Geiseln. Der Regierungschef fügte jedoch hinzu: «Die Hamas ist nicht das palästinensische Volk.» Er erinnerte an die Bedeutung der internationalen Anerkennung Irlands als unabhängigen Staat bei dessen Ablösung vom Britischen Empire.

Israel ruft Botschafter aus Oslo, Dublin und Madrid zurück

Israel lehnt eine Anerkennung Palästinas strikt ab und rief umgehend seine Botschafter aus Irland, Norwegen und Spanien zu Beratungen zurück. Er sende eine klare und unmissverständliche Botschaft, schrieb Aussenminister Israel Katz auf X: «Israel wird angesichts derjenigen, die seine Souveränität untergraben und seine Sicherheit gefährden, nicht schweigen.» Nach Angaben des Aussenministeriums wurden zudem die Botschafter der drei Länder zu einer «ernsten Ermahnung» einbestellt.

«Die heutige Entscheidung sendet eine Botschaft an die Palästinenser und die Welt: Terrorismus zahlt sich aus», so Katz. Dieser Schritt sei eine Ungerechtigkeit gegenüber dem Andenken der Opfer des 7. Oktober, als die islamistische Hamas mit ihrem Terrorangriff in Israel ein Massaker mit mehr als 1200 Getöteten verübte. «Israel wird nicht schweigen – es wird weitere schwerwiegende Folgen haben», schrieb Katz.

Die Mehrheit der Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erkennt Palästina inzwischen als Staat an. Das gilt jedoch nicht für die wichtigsten westlichen Nationen wie die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, darunter Deutschland, Frankreich und Grossbritannien.

Eine Anerkennung gilt als wichtiger Anreiz für die palästinensische Seite, bei Friedensverhandlungen Zugeständnisse zu machen. Kritiker einer Anerkennung bemängeln, den Palästinensergebieten fehle es an wichtigen Kriterien für einen solchen Schritt. Beispielsweise ist die Grenze zwischen Israel und den Palästinensern weiter strittig. Das gilt auch für den politischen Status von Ost-Jerusalem.

Warum kommt Anerkennung Palästinas jetzt?

Seit den Friedensbemühungen mit den Osloer Verträgen vor etwas mehr als 30 Jahren hätten Norwegen und viele andere Länder versucht, eine Strategie zu verfolgen, bei der die Anerkennung einer Friedenslösung folgen würde, sagte Norwegens Regierungschef Støre am Mittwoch. «Das hat nicht funktioniert.» Mehrere Gründe führten dazu, dass es richtig sei, Palästina jetzt anzuerkennen. Besonders der anhaltende Krieg in Gaza. Der Krieg sei der Tiefpunkt einer langfristigen negativen Entwicklung zwischen beiden Gebieten.

«Die Zeit zum Handeln ist gekommen», sagte Spaniens Ministerpräsident Sánchez in Madrid. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe trotz aller Aufrufe die «Zerstörung des Gazastreifens fortgesetzt» und bestrafe die Palästinenser weiter «mit Hunger und Terror», so der sozialistische Politiker.

Wann ist ein Staat ein Staat?

«Staat» wird im Völkerrecht meist nach der Drei-Elemente-Regel definiert. Dieser international anerkannte Staatsbegriff beschreibt einen politisch und rechtlich organisierten Personenverband (Staatsvolk), der auf abgegrenzter Fläche (Staatsgebiet) einer Bevölkerung eine eigene Ordnung (Staatsgewalt) gibt.

Beim Staatsgebiet ist keine genaue Grenze erforderlich, es genügt ein unstrittiges Kernterritorium. Für ein Staatsvolk reicht ein Mindestmass an Zugehörigkeitsgefühl. Staatsgewalt bezeichnet die Fähigkeit einer stabilen Regierung, eine Ordnung in dem Gebiet effektiv zu organisieren und nach aussen von anderen Staaten unabhängig zu handeln.

Je strittiger die Beurteilung als Staat ist, desto bedeutender ist die Anerkennung durch andere Staaten. Die herrschende Meinung im Völkerrecht geht aber davon aus, dass die Anerkennung nicht Voraussetzung, sondern nur Bestätigung für die Existenz eines Staates ist.