Totalblockade Totalblockade der Dublin-Reform

sda/AFP

5.6.2018

Flüchtlinge warten auf ihre Registrierung. Einen Verteilungsschlüssel, der die Migranten gleichermassen auf die EU-Länder verteilt, gibt es noch nicht. (Symbolbild)
Flüchtlinge warten auf ihre Registrierung. Einen Verteilungsschlüssel, der die Migranten gleichermassen auf die EU-Länder verteilt, gibt es noch nicht. (Symbolbild)
Bild: Kay Nietfeld

Seit zwei Jahren streiten sich die EU-Staaten über die Asylreform "Dublin" - vor allem über eine verbindliche Verteilung von Flüchtlingen in Krisenzeiten. Dazu hatten die Bulgaren ein Kompromisspapier vorgelegt, das die EU-Innenminister am Dienstag in Luxemburg völlig zerzausten. Nun müssen die EU-Staats- und Regierungschefs darüber entscheiden, wie es weiter gehen soll.

"Die Dublin-Reform ist heute nicht vorangekommen", bilanzierte Mario Gattiker, Staatssekretär im Staatssekretariat für Migration. Als ein an Dublin assoziierter Staat nimmt die Schweiz an den Diskussionen zu Dublin-Themen teil.

Auslöser für die Dublin-Reform war die Flüchtlingskrise im Jahre 2015, als über eine Million Flüchtlinge und Migranten übers Mittelmeer kamen und unkontrolliert nach Nordeuropa zogen.

Dies hatte damals zu einer totalen Überforderung Italiens und Griechenlands geführt. Denn gemäss aktueller Dublin-Gesetzgebung muss jenes Land Asylanträge bearbeiten, in dem die Flüchtlinge zuerst europäischen Boden betreten.

Aus diesem Grund hatte die EU-Kommission vorgeschlagen, die Asylsuchenden in Krisensituationen künftig nach einem fixen Schlüssel auf die EU- und Dublin-Staaten zu verteilen - also auch auf die Schweiz.

Doch bereits im Vorfeld des Innenministertreffens am Dienstag zeichnete sich ab, dass kaum eine Einigung zustande kommen wird. So sagte der österreichische Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) bei seiner Ankunft in Luxemburg: "Ich glaube nicht, dass wir hier eine realistische Chance auf einen Kompromiss haben."

Kritik von allen Seiten

Denn mehrere osteuropäische Staaten - allen voran die vier Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien - zeigten sich von vornherein nicht kompromissbereit.

Dies, obwohl ihnen die bulgarische Präsidentschaft stark entgegen gekommen ist und höhere Hürden für die Verteilung von Flüchtlingen eingeführt hatte. Sie lehnen eine Umverteilung weiterhin strikte am.

Bei den Mittelmeerstaaten stossen ebendiese Hürden auf Ablehnung. Sie fordern von den anderen EU-Staaten Solidarität und drängen auf einen verpflichtenden Umverteilungsmechanismus.

Gemäss der Nachrichtenagentur APA bezeichnete Matteo Salvini, Italiens neuer Innenminister und Chef der rechtspopulistischen Lega Nord, die Ablehnung des Kompromissvorschlages als einen "Sieg Italiens." Italien sei "von Anfang an gegen den vorliegenden Vorschlag" gewesen. "Ich bin sehr zufrieden."

Aber auch Deutschland kritisierte den Kompromissvorschlag. Es gebe mehrere "Defizite", sagte der deutsche Innenstaatssekretär Stephan Mayer, der den neuen Innenminister Horst Seehofer (CSU) in Luxemburg vertrat.

Kickl will Paradigmenwechsel

Ursprünglich hatten die EU-Staats- und Regierungschefs im letzten Dezember eine Einigung bei der Dublin-Reform bis Juni vorgegeben. Nach dem Scheitern des Kompromisses rutscht nun die blockierte Asylreform erneut auf die Agenda der EU-Chefs. An ihrem Gipfeltreffen Ende Juni müssen sie entscheiden, wie es weiter geht.

Österreichs Innenminister Kickl kündigte in Luxemburg bereits vorsorglich einen "Paradigmenwechsel" an, falls es keine Einigung geben wird. Denn Österreich hat in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft inne.

Laut Kickl will sein Land dann beim informellen EU-Innenministertreffen in Innsbruck Mitte Juli in diesem Dossier einen neuen Schwerpunkt setzen: die Verhinderung von Migration. "Vielleicht ist es so etwas Ähnliches wie eine kleine kopernikanische Wende im Bereich des Asylsystems", sagte der Österreicher.

Staatssekretär Gattiker jedenfalls machte deutlich, dass mit der Ablehnung des bulgarischen Vorschlages nichts gewonnen ist. Die Fragen, die Dublin aufwerfe - wie etwa die Flüchtlingsverteilung, die Unterbindung von Sekundärwanderungen und die Einführung von gemeinsame Asylstandards - blieben bestehen. Zudem handle es sich bei Dublin um eine "Frage der Solidarität", sagte er.

EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos forderte die EU-Staaten seinerseits dazu auf, "Verantwortung zu zeigen" und die Arbeiten voranzubringen. Schliesslich hätten sich die EU-Länder zu einer zukunftssicheren Reform des Asylsystems verpflichtet.

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