Anschlag in Solingen Haftbefehl wegen Verdachts der Mitgliedschaft im IS und wegen Mordes erlassen

dpa/dmu

25.8.2024 - 16:37

Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht. Zuvor war der Verdächtige dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt worden, der Haftbefehl erlassen hat.
Der mutmassliche Täter des Messerangriffs von Solingen wird zu einem Hubschrauber gebracht. Zuvor war der Verdächtige dem Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (BGH) vorgeführt worden, der Haftbefehl erlassen hat.
Bild: Uli Deck/dpa

Bei einer Messerattacke auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen (D) hat es Tote und Verletzte gegeben. Medien meldeten die Festnahme eines Verdächtigen – es handelt sich laut Polizei wohl nicht um den Täter.

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  • Bei einer Messer-Attacke auf der 650-Jahr-Feier der Stadt Solingen hat es am Freitagabend Tote und Verletzte gegeben.
  • Die Polizei stufte die Tat wegen des zielgerichteten Vorgehens des Täters als Anschlag ein.
  • Die Einsatzkräfte fahnden mit einem Grossaufgebot nach dem Täter, der nach der Attacke fliehen konnte.

Der Tatverdächtige im Fall des Solinger Messerangriffs mit drei Toten kommt in Untersuchungshaft. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe habe Haftbefehl unter anderem wegen Verdachts der Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und wegen Mordes erlassen, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Die Polizei hatte im Zusammenhang mit dem Messerangriff von Solingen einen Tatverdächtigen festgenommen. Das gab Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) in den ARD-«Tagesthemen» bekannt und sprach von einem «wirklich Verdächtigen», den man den ganzen Tag gesucht habe.

«Bild» zufolge hat sich der mutmassliche Attentäter von Solingen einer Polizeistreife gestellt. Es soll sich demnach um einen Syrer handeln. Seine Kleidung sei schmutzig und blutverschmiert gewesen, heisst es in Berufung auf Polizeikreise. Nach Informationen des «Spiegel» sei er 2022 nach Deutschland gekommen, als Islamist sei er bislang nicht aufgefallen.

Zuvor hiess es, die Polizei habe im Zusammenhang mit dem Messerangriff von Solingen einen Mann in einer Flüchtlingsunterkunft in der Stadt festgenommen. Tatzusammenhänge würden nun geprüft, sagte ein Polizeisprecher. Zu den Personalien könne er noch nichts sagen.

Die Polizei hatte die Flüchtlingsunterkunft im früheren Finanzamt von Solingen mit starken Kräften gestürmt.

Täter sollte abgeschoben werden

Gemäss «Focus» sollte der mutmassliche Täter 2023 eigentlich nach Bulgarien abgeschoben werden. Der Termin sei bereits fixiert gewesen. Vor der geplanten Abschiebung sei er aber für mehrere Monate untergetaucht, bevor er sich wieder bei den Behörden meldete.

Am Tag nach der Messerattacke: Solinger schockiert – Täter weiter flüchtig

Am Tag nach der Messerattacke: Solinger schockiert – Täter weiter flüchtig

Solingen, 24.08.2024: Solingen am Tag nach dem tödlichen Messerangriff. Rund um den Tatort gibt es noch weiträumige Absperrungen der Polizei. Drei Menschen starben, acht weitere wurden durch den Angreifer teils schwer verletzt. Bei den Anwohnern herrscht noch immer Angst und der Schock steckt tief. O-Ton Tim Kurzbach (SPD), Oberbürgermeister Solingen «Gestern Abend sind unsere Herzen auseinandergerissen worden. Wir in Solingen sind voller Entsetzen und voller Trauer.» O-Ton Magrit Aldin, in Solingen «Wir d sich viel drüber unterhalten, aber man merkt schon, dass die ANgst in den Kochen sitzt.» O-Ton Gabriele Krüger, in Solingen «Weiss man gar nicht was man sagen soll, es ist so furchtbar. Und es tut mir wirklich leid.» Die Polizei in Nordrhein-Westfalen stufte die Tat wegen des zielgerichteten Vorgehens des Täters als Anschlag ein. Dieser konnte nach dem Tumult und der anfänglichen Panik entkommen. Nach ihm wird noch gefahndet.

24.08.2024

Daraufhin wurde er in einer Flüchtlingsunterkunft in der Solinger Innenstadt untergebracht. In seinem Zimmer haben Beamten die Hülle der mutmasslichen Tatwaffe gefunden.

Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat

Gleichzeitig ging ein Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ein. Der Angreifer sei IS-Mitglied gewesen und habe die Attacke, bei der drei Menschen getötet und acht schwer verletzt worden waren, aus «Rache für Muslime in Palästina und anderswo» verübt, hiess es in einer Mitteilung beim IS-Sprachrohr Amak. Der Angriff habe einer «Gruppe von Christen» gegolten. Die Polizei Düsseldorf sagte dazu, es müsse geprüft werden, ob das Schreiben echt sei. Aus Ermittlerkreisen wurde darauf hingewiesen, dass der IS in der Vergangenheit öfter eine Tat für sich reklamiert habe, ohne dass es für eine wirkliche Zusammenarbeit mit dem Täter belastbare Hinweise gegeben habe.

Ein bisher unbekannter Täter hatte am Freitagabend auf einem Stadtfest in Solingen auf mehrere Menschen mit einem Messer eingestochen. Drei Menschen wurden dabei getötet. Acht weitere Menschen wurden verletzt.

Nichtanzeige einer geplanten Straftat gegen 15-Jährigen

Am Sonntagmorgen ist zudem bekannt geworden, dass die Bundesanwaltschaft als oberste deutsche Anklagebehörde die Ermittlungen übernommen hat.

Meldungen, wonach die Tatwaffe bereits gefunden worden sei, wurden nicht bestätigt. Man habe mehrere Messer sichergestellt, die jetzt einzeln untersuchen werden. So solle geklärt werden, welches der Tat zuzuordnen sei. Viele Details, etwa zu den Messern oder zum Ablauf der Tat, blieben aus ermittlungstaktischen Gründen unbeantwortet.

Bereits festgenommen wurde ein 15 Jahre alter Jugendlicher, den die Polizei aber nicht für den Täter hält. Als möglicher Vorwurf gegen ihn steht die Nichtanzeige geplanter Straftaten im Raum. «Nach vorliegenden Zeugenaussagen soll eine bislang unbekannte Person kurz vor dem Angriff mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die zur Tatausführung passen würden», sagte Caspers.

Dem 15-Jährigen wird deshalb das Nichtanzeigen einer geplanten Straftat vorgeworfen. Er verweigert die Aussage. Die Einsatzkräfte fahnden mit einem Grossaufgebot nach dem Täter, der nach der Attacke fliehen konnte. Viele Fragen, etwa zum Motiv, sind noch offen.

Zeugen stehen unter Schock – wenig Angaben zum Täter

Zuvor erklärte ein Polizeisprecher: «Unser Riesenproblem ist: Wir haben noch nicht so viele Angaben zum Täter». Zeugen, die in unmittelbarer Nähe zum Geschehen waren, stünden unter Schock. «Die werden von uns im Augenblick professionell betreut und wir vernehmen diese natürlich, um da jetzt genauere Angaben zu bekommen.»

Die Beamt*innen fahnden mit einem Grossaufgebot nach dem Täter. Die Polizei hat gemäss eigenen Angaben eine Vielzahl an Kräften rund um die Solinger Innenstadt zusammengezogen, darunter auch Spezialeinheiten.

Allerdings könnten die Ermittler derzeit davon ausgehen, dass es sich um einen einzelnen Täter handelt, sagte Kresta weiter. Alle Zeugenaussagen, die die Polizei bislang aufnehmen konnte, wiesen darauf hin. «Von weiteren Personen ist uns nichts bekannt.»

Täter entkam im Tumult nach dem Angriff

Dem Täter sei es gelungen, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik nach der Tat zu entkommen, sagte ein Sprecher des NRW-Innenministeriums. Laut Polizei scheint der Täter wahllos auf Passanten losgegangen zu sein, seine Opfer also zufällig ausgewählt zu haben. Dem Innenministerium zufolge habe er aber sehr gezielt auf ihre Hälse eingestochen. Über den Zustand der Verletzten wurde bis zum Morgen nichts Neues bekannt.

Die späteren Opfer waren Besucher des Festes zum 650. Jahrestag der Stadtgründung Solingens. Tatort war der zu diesem Zeitpunkt gut besuchte Fronhof – ein Marktplatz in der Innenstadt, auf dem für das Jubiläumsfest eine Bühne aufgebaut war. Die Tat trug sich einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur zufolge unmittelbar vor der Bühne zu.

Augenzeuge schildert Vorfall

Gegenüber dem «Solinger Tagblatt» hat ein Augenzeuge die dramatischen Momente der Messerattacke geschildert. Er sei vor der Bühne gestanden, als wenige Meter von ihm entfernt auf Menschen eingestochen wurde. Er selber sei unverletzt geblieben.

Dann habe er am Gesichtsausdruck der Sängerin Suzan Köcher bemerkt, dass etwas nicht stimme. «Und dann ist nur einen Meter neben mir ein Mensch umgefallen.» Dabei habe er zunächst an eine betrunkene Person gedacht, dann aber bemerkt, dass weitere Personen auf dem Boden lagen. Dabei seien ihm dann auch die Blutlachen aufgefallen.

Die Stadt hat das ursprünglich für drei Tage geplante Strassenfest komplett beendet. Auch die für diesen Samstag und Sonntag geplanten Programmpunkte wurden abgesagt.

Wahllos auf Passanten eingestochen

Laut Polizei schlug der Angreifer gegen 21.37 Uhr zu. Kurz darauf wurde Grossalarm ausgelöst. Mindestens ein Helikopter war in der Luft, zahlreiche Einsatzfahrzeuge mit Blaulicht und Rettungswagen waren unterwegs, Strassen weiträumig abgesperrt. Bewaffnete Beamte sicherten den Einsatzort.

Laut «Solinger Tageblatt» folgten tausende Besucher der Aufforderung, den Platz ruhig zu verlassen und nicht in Panik zu verfallen. «Die Menschen sind geschockt, aber friedlich vom Platz gegangen», wird Philipp Müller zitiert, einer der Mitorganisatoren des Festes. Später herrschte dann gespenstische Stimmung in der fast menschenleeren Innenstadt.