Das bleibt von Trumps Antrittsrede übrig

Das Ende von Donald Trumps Präsidentschaft ist Anlass, auf seinen Anfang zurückzuschauen: Welche Versprechen seiner Antrittsrede hat er gehalten? Was war gelogen? Und: Konnte man künftiges Unheil kommen sehen?
Wenn Donald Trump heute um 14 Uhr MEZ ein letztes Mal die Air Force One besteigt, um Washington Richtung Florida zu verlassen, wird er vielleicht an seine eigene Amtseinführung denken.
Vor vier Jahren war er es, der am Kapitol den Eid abgelegt und das Weisse Haus bezogen hat, das er nun für Joe Biden räumen muss. Hat der scheidende Präsident gehalten, was er der Nation an jenem 20. Januar 2017 in seiner Rede versprochen hat?
Trump sagte damals, Amerika habe «die Armeen anderer Länder subventioniert und gleichzeitig den sehr traurigen Raubbau an unserem Militär zugelassen». Unter seiner Ägide wird der Militäretat von 669 Milliarden im Jahr 2016 auf 738 Milliarden in 2020 steigen.
Mauer hoch, Steuern runter
Ausserdem ging Trump damals auf einen Punkt ein, der den ganzen Wahlkampf über Thema war: «Wir haben die Grenzen anderer Nationen verteidigt, aber unsere eigene nicht.»

Ende 2019 stehen an 597 Kilometern der südlichen Grenze Mauern, die insgesamt 3145 Kilometer lang ist. Nur acht Kilometer davon sind neu – und Mexiko hat für keinen Zentimeter davon gezahlt, wie es der New Yorker versprochen hatte.
«Wir werden unseren Wohlstand und unsere Träume zurückholen», hat Trump 2017 gesagt. Und Wort gehalten, als er damals im grossen Stil Steuern senkte – auch wenn die Wohlhabenden dabei etwas mehr profitiert haben als der Rest.
«America first»: Protektionismus und Isolationismus
Wenig Taten folgten dagegen im Bereich Infrastruktur, obwohl es vor vier Jahren hiess: «Wir werden neue Strassen und Autobahnen und Flughäfen und Tunnel und Eisenbahnen in unserer ganzen wundervollen Nation bauen.»
« America will start winning again, winning like never before.»
Versprochen hat Trump damals auch, er werde den «radikalen islamistischen Terrorismus vollkommen vom Antlitz der Erde tilgen»: Der sogenannte Islamische Staat ist zwar weniger präsent, aber immer noch aktiv.

Wahr gemacht hat der Republikaner dagegen den wirtschafts- und aussenpolitischen Kurs, den er damals angelegt hat. «Wir, die wir heute hier versammelt sind, erlassen ein neues Dekret, dass in jeder Stadt, in jeder fremden Hauptstadt und in jedem Machtapparat gehört werden wird. Von diesem Tag an wird eine neue Vision unser Land regieren. Von diesem Tag an heisst es nur noch ‹America first›.»
Mütter, Kinder und Fabriken
Bis dato fällt die Bilanz von Donald Trumps Antrittsrede gemischt aus, was jedoch ganz normal ist: Studien zufolge brechen US-Präsidenten durchschnittlich ein Drittel ihrer Wahlversprechen. Es ist auch legitim, die Zustände der Nation zu dramatisieren, bevor man Aufbruchstimmung verbreitet.

Doch die USA waren im Januar 2017 ein schauriger Ort, wenn man den frisch gewählten Präsidenten gehört hat. Denn: Viele Amerikaner lebten «in einer anderen Realität»: «Mütter und Kinder, die in den Innenstädten in Armut gefangen sind. Verrostete Fabriken, die wie Grabsteine über die Weiten unserer Nation verstreut sind [...]. Dieses amerikanische Blutbad muss hier und jetzt enden», tönte Trump.

Auf der einen Seite die «vergessenen Männer und Frauen unseres Landes», auf der anderen Seite das Establishment, der «Sumpf» in Washington, die da oben – der Deep State. «Und während sie in unserer Hauptstadt feiern, haben ums Überleben kämpfende Familien überall in unserem Land wenig zu lachen», sagte Trump. «Washington ist aufgeblüht, aber das Volk hatte nichts von dem Wohlstand.»
Der millionenschwere Freund des kleinen Mannes
«Das Establishment hat nur sich selbst geschützt und nicht die Bürger», sagte Trump 2017. Ausgerechnet Trump, der sein Vermögen von seinem Vater geerbt hat, spielte den Freund des kleinen Mannes, obwohl er da bereits Milliardärin Betsy DeVos zur Bildungsministerin gemacht hatte, den früheren Goldman-Sachs-Banker Steve Mnuchin zum Finanzminister und den früheren Öl-Baron Rex Tillerson zum Aussenminster ernannt hatte.

Der neue Herr des Weissen Hauses hat so getan, als wolle er gar keine Politik betreiben: «Wir werden nicht länger Politiker akzeptieren, die bloss reden und nicht handeln, die sich permanent beschweren, aber nichts dagegen tun», drohte Trump. «Die Zeit des leeren Geredes ist vorbei, jetzt kommt die Stunde der Taten.»
Das hinderte ihn aber nicht daran, wichtige Posten mit Familienmitgliedern zu besetzen, Parteispender mit lukrativen Posten zu belohnen und die Grenzen zwischen Amt und Geschäft zu verwischen wie kaum einer vor ihm – etwa wenn er sich die Nutzung seiner Hotels und Golfanlagen vom Staat bezahlen liess.
«Neuer nationaler Stolz»
«Jeder hört euch jetzt zu», wandte sich Trump vor vier Jahren an seine Anhänger, die Teil einer «historischen Bewegung» geworden seien, «die die Welt noch nicht gesehen hat». Und: «Ein neuer nationaler Stolz wird uns bewegen, unseren Blick emporheben und unsere Teilung überwinden.»
Diese Worte kann man im Nachhinein auch so deuten, dass sie die Abspaltung einer radikalen Rechten prophezeien: Der Sturm aufs Kapitol war zwar kein Versprechen von Donald Trump, wird aber auf ewig mit seinem Namen verbunden sein.
Dabei hatte der Präsident beim Amtsantritt noch gehofft: «Der 20. Januar 2017 wird als der Tag erinnert werden, als das Volk zum Führer der Nation wurde. Ihr werdet nie wieder ignoriert werden.» Nur galt das nicht für den Wählerwillen vom 20. November 2020 – auch dieses Versprechen hat Trump also gebrochen.
Bidens Amtseinführung
Bekannt wurde bisher nur der grobe Ablauf der Veranstaltung: Das offizielle Programm beginnt um 16 Uhr MEZ mit einem Livestream, der speziell an junge Amerikaner adressiert ist. Dabei soll es unter anderem eine Botschaft von der künftigen First Lady Jill Biden geben. Eine Uhrzeit für die Vereidigung und die Ansprache von Joe Biden wurde bisher nicht genannt, sie wird zwischen 17:30 und 18:30 Uhr MEZ erwartet. Sie wird unter anderem online gestreamt. Danach inspiziert Biden als Präsident neben dem Kapitol Einheiten des US-Militärs – und wird einen Kranz am Grab des Unbekannten Soldaten auf dem Nationalfriedhof Arlington niederlegen. Dabei sollen auch die früheren Präsidenten Barack Obama, George W. Bush und Bill Clinton anwesend sein. Anschliessend wird er vom US-Militär ins Weisse Haus eskortiert. Zum Abschluss gibt es ab 2:30 Uhr MEZ am Donnerstagmorgen eine rund 90-minütige Feier mit Konzertprogramm, bei dem unter anderem Bruce Springsteen, Justin Timberlake und John Legend für Auftritte zugeschaltet werden. Moderiert wird das Event von Hollywood-Star Tom Hanks.