Trumps «Big Lie»Keine Karriere für illoyale US-Republikaner
AP/toko
10.5.2021 - 20:58
Noch immer behauptet der Ex-Präsident, dass er die Wahl nicht verloren habe. Wer ihm widerspricht, dessen Karriereaussichten bei den Republik sind düster.
DPA, AP/toko
10.05.2021, 20:58
10.05.2021, 21:08
AP/toko
Treue zu einer Lüge ist für US-Republikaner zu einer Prüfung der Loyalität zum ehemaligen Präsidenten Donald Trump und einem Mittel der Selbsterhaltung geworden. Seine widerlegten Behauptungen, dass die Wahl gestohlen worden sei, verhalf ihm nicht zu einer zweiten Amtszeit, als niedrige wie hohe Gerichtsinstanzen, Regierungen von Bundesstaaten und letztlich der Kongress seine Niederlage bestätigten.
Obwohl die Behauptung einer «Big Lie» (Grossen Lüge) so falsch ist wie seit jeher, erhält sie nun erneut Auftrieb. Von Republikanerinnen und Republikanern wird erwartet, dass sie die Unwahrheit glauben, so tun als ob oder zumindest niemanden wissen lassen, dass sie sie nicht glauben. Republikanische Spitzenpolitiker in Bundesstaaten von Georgia bis Arizona haben von Trump oder seinen Anhängern wütende Kommentare dafür erhalten, dass sie sich den Lügen entgegengestellt haben.
Die Geschichte schaut zu
Nur einige wenige Republikanerinnen und Republikaner in Washington widersetzen sich ihm. Sie wissen, dass dies einen Preis hat. Liz Cheney, die ihr ganzes Leben eine Konservative war und die Tochter des einst bei rechten Republikanern beliebten ehemaligen Vizepräsidenten Dick Cheney (Spitzname Darth Vader) ist, war bereit, ihn zu bezahlen.
«Die Geschichte schaut zu», schrieb die Kongressabgeordnete, als Republikaner des Repräsentantenhauses sich darauf vorbereiteten, ihr diese Woche den dritthöchsten Posten in der Fraktion zu entziehen, weil sie sich Trump widersetzt hat. «Republikaner müssen für echte konservative Prinzipien stehen, und sich von dem gefährlichen und undemokratischen Trump-Persönlichkeitskult entfernen.»
Jeder, der von Trumps unablässigen Behauptungen zur Wahl betroffen ist, stimmt zu, dass eine «Grosse Lüge» im Zentrum der Angelegenheit steht. Präsident Joe Biden sagt es. Cheney hat es gesagt. Der Wahl-Dienstleister Dominion Voting Systems beschuldigt Trumps Anwalt Rudy Giuliani in einem riesigen Gerichtsprozess, «die «Grosse Lüge» geschaffen und verbreitet» zu haben.
Trump versucht, sich den Ausdruck anzueignen, indem er ihn gegen seine Widersacher richtet. «Die betrügerische Präsidentschaftswahl von 2020 wird von diesem Tag an als DIE GROssE LÜGE bekannt sein», schrieb er vor einigen Tagen. Damit folgte er dem Muster seiner Präsidentschaft, während der er gegen «fake news» wetterte, nachdem er seine eigenen ausposaunt hatte. Immer wieder holt er Behauptungen über die Wahl hervor, die längst widerlegt sind.
«Diese Botschaft funktioniert»
Trump führte seine Partei in eine Wahl, die die Republikaner die Präsidentschaft und Mehrheit im Senat kostete und in der es ihnen nicht gelang, eine Mehrheit im Repräsentantenhaus zu erringen. Doch der mit dem Brecheisen agierende Trump-Flügel innerhalb der Partei ist im Aufwind, da Republikaner im Vorfeld der Zwischenwahlen im kommenden Jahr auf die Energie und Leidenschaft seiner Kern-Unterstützer setzen.
Diese Wette erfordert, dass Zweifel ausgesetzt werden, wenn Trump seine irrealen Behauptungen über Wahlbetrug wiederholt. «Diese Botschaft funktioniert», sagt der ehemalige republikanische Repräsentantenhausabgeordnete Denver Riggleman, der im Rennen um die Nominierung für seinen Wahlbezirk einem mit Trump verbündeten Widersacher unterlag. Er verwies darauf, dass Trump gegenüber loyale Republikaner viele Spenden vor Ort erhielten und gute Umfragewerte hätten.
Man müsse Dinge sagen, die man nicht glaube – Hauptsache es helfe zum Erfolg, sagte er dem Sender MSNBC. «Wenn man denkt, man kann gewinnen, indem man diese Flammen der Desinformation anfacht, warum würde man dies nicht tun?», fragte er und fügte hinzu: «Wenn man keine Integrität hat.»
Im Rennen um den Ersatz für Cheney in der Fraktionsführung der Republikaner im Repräsentantenhaus hat die Abgeordnete Elise Stefanik in den vergangenen Tagen Trumps falsche Wahlbetrugs-Behauptungen und eine Nachzählung im Bezirk Maricopa durch eine Firma unterstützt, deren Chef unbegründete Verschwörungsmythen über die Wahl verbreitet hat.
In Florida führte Gouverneur Ron DeSantis am Donnerstag im Sender Fox News eine vorgetäuschte Unterzeichnungszeremonie für ein Gesetz auf, das er in Wirklichkeit woanders unterschrieben hat. Das Gesetz führt Wahlbeschränkungen ein, um Probleme zu lösen, die nicht wirklich aufgefunden wurden, wie Vertreter Floridas eingestehen, aber künftig auftreten könnten. Republikaner treiben in mehreren Staaten und US-weit Wahlbeschränkungen voran.
Mitt Romney ausgebuht
«Sie können die Wahl von 2020 nicht ändern, aber sie können sie als Begründung für neue, restriktive Wahlgesetze verwenden», sagte der Wahlrechtsforscher Richard Hasen von der University of California in Irvine über diejenigen, die Trump gegenüber loyal sind. «Es ist extrem beunruhigend für die amerikanische Demokratie und unterminiert das Wählervertrauen in die Integrität des Wahlprozesses. Sehr gefährlich.»
In Utah wurde Senator Mitt Romney vor einigen Tagen von Mitgliedern seiner Partei für Kritik an Trump ausgebuht, die Zwischenrufer als verräterisch bezeichneten. Ein Missbilligungsvotum überstand er allerdings. Romney stimmte in beiden Amtsenthebungsverfahren für eine Absetzung Trumps; Cheney in einem.
Vier Jahre lang verkörperte Mike Pence den loyalen Vizepräsidenten. Aber seine formale Bestätigung von Bidens Wahlsieg am 6. Januar führte dazu, dass er mit Trump im Clinch liegt, und liess Wolken über seiner politischen Zukunft aufziehen, obwohl weder die Verfassung noch die Regeln des Kongresses, das Gesetz oder Gepflogenheiten ihn berechtigt hätten, sich Biden in den Weg zu stellen.
Bei einer seiner Breitseiten in den vergangenen Tagen feindete Trump Cheney und Pence an und bezeichnete den Senator Mitch McConnell in einem Durchgang als «feige und ahnungslos». Der Fraktionschef der Republikaner im Senat hatte für einen Freispruch Trumps gestimmt, ihn aber als «praktisch und moralisch verantwortlich» für den Sturm seiner Anhänger aufs Kapitol am 6. Januar bezeichnet und damit die anhaltende Feindschaft des Ex-Präsidenten auf sich gezogen.
Trotz alledem ist Darth Vaders Tochter standhaft geblieben. Doch derzeit scheint die Macht bei den Republikanern mit Trump zu sein.