Strategischer Nachteil Trumps Schub am Wahltag kam vom Land

AP/toko

5.11.2020

Anhänger von US-Präsident Trump protestieren gegen die Abstimmung im Bundesstaat Nevada vor dem Clark County Election Department.
Anhänger von US-Präsident Trump protestieren gegen die Abstimmung im Bundesstaat Nevada vor dem Clark County Election Department.
Keystone/AP/John Locher

Eine hohe Wahlbeteiligung galt vielen als gutes Zeichen für die Demokraten. Aber nun zeigt sich: Die Republikaner hatten wohl bessere Karten, Wähler hinter dem Ofen hervorzulocken. Die Demokraten hatten nämlich einen strategischen Nachteil.

Das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump hat lange behauptet, es gebe Tausende neue Trump-Wähler- versteckt in den republikanischen Ecken des Landes, die hervorkommen und für den Präsidenten stimmen würden. Diese Einschätzung hat sich am Wahltag zum Teil bewahrheitet.

Das Rennen ums Weisse Haus ist am Donnerstagmorgen (MEZ) in mehreren wichtigen, umkämpften Staaten noch nicht entschieden. Dass die Wählerinnen und Wähler für Trump am Wahltag zugenommen haben, mag zwar nicht reichen. Denn die Demokraten haben ebenfalls viele bisherige Nichtwähler mobilisiert. Doch die Wahlbeteiligung hat die von 2016 bereits überschritten.



Ein so knappes Rennen und dass die Demokraten bei der Wahl für Senat und Repräsentantenhaus nicht die erwarteten Siege einfuhren, verdeutlicht Trumps Zugkraft. Bei der ländlichen, weissen Bevölkerung kann er nach wie vor punkten und geholfen haben dürfte ihm zudem die wachsende Polarisierung, die gegebenenfalls auch nach ihm anhalten könnte.

William Frey, Demograf an der Denkfabrik Brookings Institution in Washington, sagte, die Strategie von Trumps Wahlkampfteam sei auf Unterstützung in Orten mit Bevölkerungsschwund gebaut, während die Demokraten Rückhalt in wachsenden Städten und Vororten haben. «Die Uhr tickt», sagt Frey. «Aber bei dieser Wahl, so haben wir herausgefunden, tickt sie nicht schnell genug für die Demokraten.»

Auch wenn noch nicht feststand, wer die Präsidentenwahl gewonnen hat, konnten die Republikaner bereits einige Siege feiern und der weissen, ländlichen Bevölkerung dafür danken. In Iowa hatten die Demokraten gehofft, einen Sitz im Senat zu erobern, doch Trump gewann den Staat und die republikanische Senatorin Joni Ernst wurde wiedergewählt.



Stimmen der Demokraten werden häufiger spät ausgezählt

Die demokratische Abgeordnete Abby Finkenauer dagegen wurde nicht wiedergewählt, und Trump dehnte seine Spielräume in ländlichen Gegenden aus. Beispielsweise gewann Trump 2016 im Bezirk Buchanan, der zu 96 Prozent von Weissen bevölkert wird, mit einem Vorsprung von 15 Prozentpunkten. Dieses Mal konnte er seinen Vorsprung dort sogar auf 21 Prozentpunkte ausbauen.

In dem kleinen Bezirk Columbus in North Carolina holte Trump in diesem Jahr 2400 Stimmen mehr als 2016. Er wiederholte das in den ausgedehnten ländlichen Gebieten des Staates und dämpfte damit den Zuwachs bei den Demokraten. Diese hatten gehofft, dass Biden den Staat gewinnt und der republikanische Senator Thom Tillis verdrängt wird. Beide Rennen waren am Donnerstag (08.00 MEZ) noch nicht entschieden.

Auch die Demokraten mobilisierten ihre Wähler. Diese neigten eher dazu, vorzeitig oder per Briefwahl ihre Stimmen abzugeben, was dazu führte, dass ihre Stimmen häufiger später ausgezählt wurden. Während die Auszählung voranschritt, gewann Biden in mehreren wichtigen Staaten wie Wisconsin und Michigan, und Trumps Vorsprung in Pennsylvania und Georgia schwand.

Dennoch zeigte eine Analyse der Wahlergebnisse durch die Nachrichtenagentur AP, dass die hohe Wahlbeteiligung bisher eher zu Trumps Nutzen war. In Bezirken mit höherer Wahlbeteiligung als 2016 baute Trump seinen Vorsprung weiter aus, als Biden im Vergleich zur damaligen demokratischen Kandidatin Hillary Clinton. Die Unterschiede waren mit 0,2 Prozentpunkten zwar gering, aber gross genug: Es geht um Zehntausende zusätzliche Wähler und Wählerinnen.

Demokraten haben strategischen Nachteil

Eine davon war die 21-jährige Anastasia Longo, die sich freute, das erste Mal bei einer Präsidentschaftswahl abstimmen zu dürfen. «Ich glaube, Trump wird gewinnen und ich will Teil dessen sein», sagte sie, bevor sie mit ihrer besten Freundin am Wahltag ihre Stimme abgab.

Nach Ansicht mancher haben die Demokraten einen strategischen Nachteil: Ihre Unterstützer — weisse Hochschulabsolventen in Städten und Vororten — bilden eine Gruppe, die ohnehin wählen geht. «Man kann da nicht wirklich mehr rausquetschen» aus dieser Wählerschaft, meint Patrick Ruffini, ein republikanischer Datenanalyst. Anders als bei weissen Wählern ohne Universitätsabschluss, dem Kern von Trumps Wählerschaft. In Zukunft, glaubt Ruffini, «sieht es aus, als hätten die Republikaner einen Vorteil».

In vielen Gegenden lag die Wahlbeteiligung hoch, mindestens 140 Millionen Stimmen wurden insgesamt abgegeben, was die Wahlbeteiligung von 2016 übertraf. Diese Zahl wird wahrscheinlich noch zunehmen, insbesondere, da in Kalifornien Millionen zusätzliche Stimmzettel langsam ausgezählt werden, was Wochen dauern kann. Die Wahlbeteiligung wird wohl auch erst dann oder später genau feststehen. Experten halten es für möglich, dass die so hoch liegen kann wie noch nie seit Einführung des Frauenwahlrechts.

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