International Ukraine will das Zehnfache an Militärhilfe – Die Nacht im Überblick

SDA

23.4.2023 - 05:09

Ein ukrainischer Soldat geht durch ein Gebiet schwerer Kämpfe in Bachmut. Foto: Iryna Rybakova/AP/dpa
Ein ukrainischer Soldat geht durch ein Gebiet schwerer Kämpfe in Bachmut. Foto: Iryna Rybakova/AP/dpa
Keystone

Die Ukraine fordert im Kampf gegen die russische Invasion eine Verzehnfachung der westlichen Militärhilfe und härtere Sanktionen.

«Wir sind unseren Verbündeten dankbar für ihre militärische Hilfe. Aber das ist nicht genug», schrieb Vizeaussenminister Andrij Melnyk am Samstag auf Twitter. «Die Ukraine braucht zehn Mal mehr, um die russische Aggression dieses Jahr zu beenden.» Bisher hätten alle Verbündeten zusammen 55 Milliarden US-Dollar (50 Milliarden Euro) bereitgestellt. Es brauche aber das Zehnfache, betonte der Diplomat, der lange Botschafter in Deutschland gewesen war.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verlangte indes schärfere Strafmassnahmen sowie eine Durchsetzung der bestehenden Sanktionen gegen Russland. «Je härter die Sanktionen gegen Russland und gegen die gesamte russische Kriegswirtschaft sind, desto schneller wird der Krieg enden», sagte er in seiner täglich verbreiteten Videobotschaft. Dagegen behauptet Russland immer wieder, dass die Sanktionen unwirksam seien und weder den Krieg beenden noch die Wirtschaft der Rohstoffgrossmacht zerstören würden.

Vizeaussenminister Melnyk meinte, die Partner im Westen sollten endlich aufhören, künstliche rote Linien für ihre Unterstützung zu ziehen. Vielmehr sollten sie ein Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Waffenlieferungen an die Ukraine ausgeben, verlangte er. Das wären allein im Fall von Deutschland mehr als 35 Milliarden Euro. Der ukrainische Diplomat meinte, verglichen mit dem Zweiten Weltkrieg seien die Beträge gering. «Die Verbündeten sollten das Ausmass dieses Krieges begreifen», sagte Melnyk, der zu dem Thema auch in einer ukrainischen Fernsehtalkshow auftrat. Zur Militärhilfe kommen die Milliardenzahlungen westlicher Länder hinzu, mit denen die Ukraine ihren Staatshaushalt aufrecht erhält.

Die Ukraine verteidigt sich seit rund 14 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg, westliche Länder liefern ihr dafür benötigte Waffen und Munition. Im vergangenen Jahr gelang es der Ukraine auch, grössere Gebiete zurückzuerobern. Zurzeit bereitet sich die Streitkräfte auf eine neue Offensive vor, um noch mehr besetzte Territorien zu befreien. Auch Russland fährt seine Kriegswirtschaft hoch. Die Atommacht stellt sich auf einen langen Krieg gegen die Ukraine ein.

Selenskyj fordert Durchsetzung von Sanktionen gegen Russland

Selenskyj beklagte einmal mehr, dass Russland die im Zuge des Kriegs verhängten Sanktionen des Westens umgehe. Es sei eine zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft, das zu verhindern. Russland führt etwa viele Güter über Parallelimporte und Drittstaaten ein. Zudem verdient das Land trotz der Blockaden des Westens weiter Milliarden mit Öl- und Gasexporten und hält seine Kriegswirtschaft so am Laufen.

Selenskyj teilte mit, dass er neue Sanktionsdekrete unterzeichnet habe, um Russland und insbesondere dem militärisch-industriellen Komplex zu schaden. Details zur möglichen Wirkung dieser Schritte nannte er nicht. Selenskyj sieht nach eigenen Angaben indes Fortschritte beim Streben der Ukraine, auch Sanktionen gegen Russlands Atomindustrie zu erwirken. Er warf Russland erneut vor, die nukleare Kernkraft wie alle Energieformen als Waffe zu missbrauchen.

Konkret bezog sich der Staatschef auf das von russischen Truppen besetzte Atomkraftwerk Saporischschja, das Moskau für nukleare Erpressung benutze. Selenskyj meinte, eine Allianz westlicher Staaten, darunter die USA, Grossbritannien und Japan, könne sich dafür einsetze, den «Terrorstaat» Russland vom Weltmarkt für Atomenergie auszuschliessen. In seinem Video dankte Selenskyj einmal mehr auch einzelnen Staaten wie Deutschland für deren militärische Hilfe, etwa bei der Stärkung der Flugabwehr der Ukraine gegen russische Angriffe.

Brasiliens Präsident Lula fordert erneut Ukraine-Friedensgespräche

Dagegen setzte sich Brasiliens linker Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bei einem Besuch in Europa weiter für Friedensgespräche ein. Während eines Staatsbesuchs in Portugal kritisierte er am Samstag zwar erneut die Verletzung der staatlichen Integrität der Ukraine durch Russland. Daraus leitete er jedoch keine Forderung nach einem Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine ab, sondern forderte Friedensgespräche.

Indirekt setzte Lula Angreifer und Angegriffene auf eine Stufe. «Russland will nicht aufhören, und die Ukraine will nicht aufhören», zitierte ihn die staatliche portugiesische Nachrichtenagentur Lusa. Brasilien wolle mit Partnern Frieden zwischen Russland und der Ukraine ermöglichen. Details zu diesem Vorhaben nannte er nicht.

Bereits im Januar hatte Lula eine internationale Vermittlung mit Beteiligung Brasiliens und Chinas vorgeschlagen. Einen Vorschlag Brasiliens, die Ukraine solle um des Friedens Willen auf die von Russland annektierte Schwarzmeer-Halbinsel Krim verzichten, wies Kiew kategorisch zurück. Vor einigen Tagen kritisierte Lula dann die militärische Unterstützung der Ukraine durch die Nato und Länder ausserhalb des Bündnisses. Bei einem Besuch in China sagte er: «Die USA müssen aufhören, den Krieg zu fördern und anfangen, über Frieden zu reden. Die EU muss anfangen, über den Frieden zu reden.» Die USA reagierten brüskiert und wiesen Lula öffentlich zurecht.

Lulas Gastgeber in Portugal, Präsident Marcelo Rebelo de Sousa, betonte die Differenzen beider Länder in der Kriegs-Frage. Die Ukraine habe das Recht, sich zu verteidigen und ihr von Russland besetztes Territorium zu befreien, betonte er. Nur auf dieser Grundlage sei ein dauerhafter Frieden möglich.

Was am Sonntag wichtig wird

Im Osten der Ukraine konzentrieren sich die Kämpfe weiter auf das Gebiet Donezk. Dort ist die Stadt Bachmut am schwersten umkämpft. Trotz der jüngsten Fortschritte russischer Kampfeinheiten will Präsident Selenskyj die weitgehend zerstörte, aber strategisch wichtige Stadt nicht aufgeben, weil er andernfalls einen Durchbruch der Russen noch tiefer ins Landesinnere befürchtet.