«Verbrechen der Aggression» Ukraine will Putin vor internationales Tribunal stellen

Von Thibault Marschand, AFP/uri

25.8.2022

Ukraine will Putin vor internationales Tribunal stellen

Ukraine will Putin vor internationales Tribunal stellen

Sechs Monate nach Beginn der russischen Invasion arbeitet Kiew daran, Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seine Militär-Befehlshaber für den Angriffskrieg gegen die Ukraine vor Gericht zu bringen. Angestrebt wird von ukrainischer Seite ein in

25.08.2022

Die Ukraine will eine Untersuchung des russischen Angriffskriegs vor einem internationalen Strafgerichtshof erreichen. Kiews Ankläger haben bereits 600 Verdächtige identifiziert.

Von Thibault Marschand, AFP/uri

Sechs Monate nach Beginn der russischen Invasion arbeitet Kiew daran, Russlands Präsidenten Wladimir Putin und seine Militär-Befehlshaber für den Angriffskrieg gegen die Ukraine vor Gericht zu bringen. Angestrebt wird von ukrainischer Seite ein internationaler Strafgerichtshof, der Russlands «Verbrechen der Aggression» untersuchen soll.

Ein entsprechendes Tribunal sei «der einzige Weg, um sicher zu gehen, dass die Kriminellen, die den Ukraine-Krieg begonnen haben, schnell zur Rechenschaft gezogen werden», sagte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Smirnow, der Nachrichtenagentur AFP.

Die Definition eines «Verbrechens der Aggression» wurde 2010 im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs festgelegt. Eine ähnliche Auffassung von «Verbrechen gegen den Frieden» wurde in den Prozessen von Nürnberg und Tokio nach dem Zweiten Weltkrieg angewandt.

«Die Welt hat ein kurzes Gedächtnis»

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) ermittelt bereits wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermords in der Ukraine. Doch der IStGH kann nicht von sich aus die Vorwürfe der Aggression untersuchen, weil weder Russland, noch die Ukraine das Rom-Statut ratifiziert haben.

Die Ukraine will Russlands Präsident und seine wichtigsten Helfer vor ein Tribunal bringen. (Archiv)
Die Ukraine will Russlands Präsident und seine wichtigsten Helfer vor ein Tribunal bringen. (Archiv)
Bild: Keystone

Er wünsche sich, dass das Tribunal «nächstes Jahr» seine Arbeit aufnehme, sagte Smirnow. «Die Welt hat ein kurzes Gedächtnis», begründete er die Eile. Die Ukraine sei sich bewusst, dass die Angeklagten nicht erscheinen würden, doch ein solches Gericht «wird sicherstellen, dass diese Menschen als Kriminelle gebrandmarkt werden, und dass sie nicht in der zivilisierten Welt reisen können», erläuterte er.

Die ukrainischen Ankläger haben bisher 600 Verdächtige identifiziert, darunter hochrangige Militärvertreter, Politiker und Kommentatoren. Ein internationaler Vertrag zur Gründung des Tribunals wurde entworfen und steht zur Unterschrift bereit. Die Entscheidungen des Gerichts würden dann auf den Territorien der Unterzeichnerstaaten gelten. Verurteilte Straftäter könnten dort also verhaftet werden.

Unterstützung für Tribunal wächst

Laut Smirnow sind mehrere Länder bereit, noch vor Ende des Jahres das Dokument zu unterzeichnen. «Wir wollen, dass die Entscheidungen des Gerichts anerkannt werden», sagte er. Es dürfe keine Zweifel an der Legitimität des Tribunals geben.

Trotz einiger Reformen standen ukrainische Gerichte in der Vergangenheit wegen Korruption und mangelnder Unabhängigkeit in Verruf. Während es aus Polen und den baltischen Staaten grosse Unterstützung für den ukrainischen Vorschlag gibt, sind die Reaktionen aus Frankreich und Deutschland eher verhalten.

Der Grund dafür könnte in politischen Erwägungen liegen. «Einige Länder erkennen zwar die Aggression gegen die Ukraine an, versuchen aber, ein kleines Fenster für Verhandlungen mit Wladimir Putin offen zu halten», sagte Smirnow.

Doch auch in Westeuropa wächst die Unterstützung für die Idee eines Tribunals. So forderte das Europäische Parlament bereits am 19. Mai einen Sondergerichtshof für die Verbrechen der Aggression. Und auf einer internationalen Konferenz zu Kriegsverbrechen in der Ukraine in Den Haag sagte der niederländische Aussenminister Wopke Hoekstra vergangenen Monat, die Frage nach einem Sondergerichtshof sei «sehr berechtigt».