InternationalUkrainische Energie-Infrastruktur im Fokus russischer Angriffe
SDA
23.10.2022 - 16:36
Das russische Militär macht die lebenswichtige Infrastruktur in der Ukraine immer mehr zum Hauptziel seiner Angriffe und bringt so zunehmend die gesamte Bevölkerung in Not. Trotz der massiven Raketenangriffe gegen Energieanlagen sieht der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Truppen seines Landes in den von Moskau besetzten Gebieten aber weiter auf dem Vormarsch. Kein Schlag der «russischen Terroristen» könne das Land stoppen, sagte Selenskyj am Wochenende in einer Videobotschaft. Russland versuche, mit den Angriffen auf die Infrastruktur militärische Erfolge vorzutäuschen. Selenskyj warnte angesichts der Angriffe aber vor einer humanitären Katastrophe.
Keystone-SDA
23.10.2022, 16:36
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Der ukrainische Energieversorger beklagte angesichts der Angriffe schwere Schäden an den Hauptnetzen im Westen des Landes. Die Folgen seien sogar noch schlimmer als bei den russischen Angriffen zwischen dem 10. und 12. Oktober, teilte Ukrenerho am Samstag mit. Angesichts der Zerstörungen vor dem kommenden Winter warnte Ministerpräsident Denys Schmyhal vor einer Flüchtlingskrise. «Wenn es in der Ukraine keinen Strom, keine Heizung, kein Wasser mehr gibt, kann das einen neuen Migrationstsunami auslösen», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung».
Am Samstag gab es nach ukrainischen Angaben 40 Raketenangriffe, zudem habe die russische Seite 16 Drohnen geschickt. 20 Raketen und 11 Kampfdrohnen seien abgeschossen worden, hiess es in Kiew. Der Krieg in der Ukraine dauert bereits seit mehr als 240 Tagen an.
«Der einzige Weg, eine humanitäre Katastrophe zu stoppen, ist die schnelle Lieferung von Flugabwehrsystemen und zusätzlichen Raketen», sagte Selenskyjs Berater Mychajlo Podoljak. Angesichts der schweren Schäden an der Energie-Infrastruktur forderte Selenskyj die Bevölkerung erneut zum Stromsparen auf.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht im Wiederaufbau der Ukraine nach dem Ende des Kriegs eine jahrzehntelange Aufgabe der Weltgemeinschaft. Am Montag will er gemeinsam mit Schmyhal ein deutsch-ukrainisches Wirtschaftsforum eröffnen, bei dem Spitzenvertreter beider Länder über den Wiederaufbau sprechen wollen. Für Dienstag hat der Kanzler als derzeitiger Präsident der G7-Runde der führenden demokratischen Wirtschaftsmächte gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu einer internationalen Expertenkonferenz zu diesem Thema geladen.
Es sei «wichtig, dass wir jetzt nicht nur ganz konkret feststellen, was alles gemacht werden muss, wo überall investiert werden muss, wie man den Wiederaufbau organisieren kann, sondern dass wir auch darüber nachdenken, wie über viele, viele Jahre, ja, Jahrzehnte ein solcher Wiederaufbau auch finanziert werden kann von der Weltgemeinschaft», sagte Scholz in seinem am Samstag veröffentlichten Video-Podcast. Der ukrainische Ministerpräsident Schmyhal würde für den Wiederaufbau gerne auf im Ausland eingefrorene russische Vermögen zurückgreifen.
Russland auf dem Schlachtfeld weiter in Bedrängnis
Die ukrainischen Streitkräfte setzten ihre Offensive zur Befreiung der von Russland besetzten Gebiete fort. Nach Darstellung Selenskyjs kommt die Armee voran. Besonders gespannt ist die Lage in der südlichen Region Cherson, wo es aus ukrainischer Sicht immer mehr Erfolge gibt. Russland hatte eingeräumt, dass die Lage für seine Truppen dort schwierig sei.
Russland hat angesichts des Vormarschs Kiewer Truppen mehr als 20 000 Zivilisten aus der Stadt Cherson geschickt. «Wir haben allen Leuten, die uns heute gehört haben, vorgeschlagen, die Möglichkeit zu nutzen und in den linksufrigen Teil des Gebiets Cherson zu gehen», sagte Kirill Stremoussow, der Vizechef der russischen Besatzungsverwaltung, am Sonntag in einem Radiointerview.
Die Stadt Cherson liegt am rechten Ufer des Dnipro und war von Russland gleich zu Beginn des Angriffskriegs erobert worden. Die ukrainischen Truppen haben systematisch die Nachschubwege der Russen über den Dnipro zerstört und rücken bei ihrer Gegenoffensive auf die Stadt vor.
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste bereitet Russland mit grossem Aufwand die Verteidigung seiner besetzten Gebiete vor. Die berüchtigte russische Söldnereinheit «Wagner» wolle etwa eine Verteidungslinie in der besetzten Region Luhansk aufbauen, hiess es am Sonntag im Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums auf Twitter.
Russische Grenzregion: Tote nach Beschuss von ukrainischer Seite
Einmal mehr beklagte die russische Grenzregion Belgorod Beschuss von ukrainischer Seite. Zwei Menschen seien dabei am Samstag in der Grenzstadt Schebekino getötet worden, teilte Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow mit. Elf Menschen seien verletzt worden, vier von ihnen schwer. Gladkows Angaben zufolge wurde bei dem Beschuss auch Energie-Infrastruktur getroffen. Details nannte er nicht. Rund 15 000 Menschen seien zeitweilig ohne Strom, Heizung und Wasser gewesen.
Das Gebiet Belgorod beklagt mit anderen Grenzregionen wie etwa Kursk und Brjansk schon seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine immer wieder Feuer von der Gegenseite. Eingeräumt hat die Ukraine die Vorwürfe nicht. Russland hatte immer wieder gedroht, noch härter in dem Krieg vorzugehen und auch Kommandozentralen in Kiew ins Visier zu nehmen, wenn der Beschuss nicht aufhöre. Die Zerstörungen und Opferzahlen stehen allerdings in keinem Vergleich zu den massiven Kriegsschäden in der Ukraine.
In Sibirien stürzte derweil ein russsischer Kampfjet bei einem Testflug in ein Wohngebiet ab. Bei dem Unfall in der sibirischen Stadt Irkutsk starben zwei Piloten, wie der Zivilschutz am Sonntag der Nachrichtenagentur Interfax zufolge mitteilte. Die Maschine ist zwar in einem Wohngebiet zerschellt, nach ersten Behördenangaben gab es aber keine Opfer am Boden.
Deutsche Ministerin will in Kiew Winterhilfe übergeben
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist zu einem neuen Besuch in der Ukraine eingetroffen. Russlands Ziel sei es, die Energieversorgung zu treffen, damit die Menschen in der Kälte in der Dunkelheit sitzen.
«Deswegen haben wir hier noch einmal zusätzliche Mittel mobilisiert, die helfen, die Energieversorgung hier jetzt wieder aufzubauen»
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