Russland Ukrainisches Getreide für die Ärmsten – Die Nacht im Überblick

SDA

27.11.2022 - 05:10

Autos fahren an der Skulptur eines Flugzeugs vorbei, während sie Cherson verlassen. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa
Autos fahren an der Skulptur eines Flugzeugs vorbei, während sie Cherson verlassen. Foto: Bernat Armangue/AP/dpa
Keystone

Die Ukraine will nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj mit Hilfe der westlichen Industriestaaten Getreide für 150 Millionen Dollar an die ärmsten Länder der Erde liefern.

27.11.2022 - 05:10

«Ernährungssicherheit ist eines der Schlüsselelemente globaler Stabilität», sagte der 44-Jährige am Samstag in seiner täglichen Videoansprache. Das Programm «Getreide aus der Ukraine» – englisch unter dem klingenden Namen «Grain from Ukraine» vermarktet – präsentierte er als wichtigen Schritt zur Bekämpfung der weltweiten Lebensmittelkrise.

Nach dem Ende der russischen Seeblockade habe die Ukraine über ihre Schwarzmeerhäfen bereits 12 Millionen Tonnen Lebensmittel in 40 Länder verschifft. Laut Selenskyj bereitet das Land 60 Getreideschiffe für arme Länder vor. Finanziell unterstützt mit 150 Millionen Dollar werde Kiew dabei von mehr als 20 Ländern.

Kampf um die Deutungshoheit des Konflikts in der Welt

Russland und die Ukraine ringen nicht nur auf dem Schlachtfeld miteinander. Es geht auch darum, die eigene Lesart des Konflikts international durchzusetzen. Hierbei zielen beide Länder verstärkt auf die armen Länder in Afrika und Asien ab, die sich – im Gegensatz zu den Industriestaaten des Westens – noch nicht eindeutig positioniert haben. Selenskyjs Initiative dient dazu, die weitgehend neutralen Staaten Afrikas und Asiens auf Kiews Seite zu ziehen.

Moskau seinerseits hatte zuletzt dem Westen die Schuld an der weltweiten Lebensmittelkrise gegeben. Seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine stellte Kremlchef Wladimir Putin als Abwehr westlicher Hegemonieansprüche dar. Russland versucht nach Experteneinschätzungen so, sich an die Spitze der Antikolonialbewegung zu setzen und die Sympathien der ärmeren Länder zu gewinnen.

Scholz: Hunger darf nie wieder als Waffe eingesetzt werden

Unterstützung erhält die Ukraine dabei auch von Deutschland. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat diese zugesichert, um eine globale Hungersnot abzuwenden. Scholz erklärte in einem am Samstag verbreiteten Videostatement, Deutschland werde in Abstimmung mit dem Welternährungsprogramm weitere 15 Millionen Euro für Getreidelieferungen aus der Ukraine bereitstellen. Ein von Deutschland gesponsertes Schiff des Welternährungsprogramms sei auf dem Weg, um ukrainisches Getreide nach Äthiopien zu liefern.

«Heute sind wir uns einig, dass Hunger nie wieder als Waffe eingesetzt werden darf», sagte Scholz – auch im Hinblick auf den 90. Jahrestag des «Holodomor», einer vom damaligen Sowjetdiktator Josef Stalin gezielt herbeigeführten Hungersnot in der Ukraine. Dieser fielen 1932 und 1933 bis zu vier Millionen Ukrainer zum Opfer.

Scholz sieht Russland in der Ukraine nicht gewinnen

Scholz rechnet immer stärker damit, dass Russland in der Ukraine keinen Sieg erringen kann. Angesichts der Unterstützung der Ukraine auch durch Deutschland stelle sich immer mehr heraus, «dass Russland diesen Krieg nicht nur nicht gewinnen darf, sondern auch nicht gewinnen wird», sagte Scholz am Samstag beim Landesparteitag der SPD Brandenburg in Cottbus. Der Kanzler erneuerte sein Versprechen, die Ukraine solange wie nötig zu unterstützen.

Weber: Mehr europäische Solidarität für ukrainische Flüchtlinge

Angesichts eines möglichen weiteren Ansturms von Flüchtlingen aus der Ukraine im Winter fordert der Chef der Europäischen Volkspartei, Manfred Weber, mehr europäische Solidarität bei der Unterbringung ukrainischer Geflüchteter. «Wenn jetzt über den Winter hinweg weitere Ukrainer durch die russischen Bombardements und Angriffe gezwungen werden zu fliehen, dann muss das westliche Europa mehr Verantwortung übernehmen», sagte der CSU-Chef der «Bild am Sonntag». «Diese beispiellose Herausforderung muss von allen EU-Staaten solidarisch getragen werden.»

Dem UNHCR zufolge haben bislang rund 7,9 Millionen Menschen (Stand 22. November) aus der Ukraine wegen des Kriegs seit dem 24. Februar im Ausland Schutz gesucht. Davon sind laut Bundesinnenministerium 1 027 789 Menschen in Deutschland registriert. In Frankreich (rund 119 000), Italien (rund 173 000) oder Spanien (rund 154 000) sind laut UNHCR zufolge deutlich weniger gezählt worden, Polen hat mit mehr als 1,5 Millionen ukrainischen Geflüchteten die meisten aufgenommen.

Mindestens 13 Verwundete bei Beschuss der Millionenstadt Dnipro

In der Ukraine geht der Raketenkrieg derweil weiter. Bei erneuten russischen Raketenangriffen auf die ukrainische Industriestadt Dnipro wurden mindestens 13 Menschen verletzt. Das teilte der Militärgouverneur der Region Dnipropetrowsk, Walentyn Resnitschenko, am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Neben Dnipro traf es am Samstag auch die Kleinstadt Tschassiw Jar im ostukrainischen Gebiet Donezk. Auf der Gegenseite beklagten die von Russland unterstützten Separatisten einen Toten und einen Verletzten durch den ukrainischen Beschuss der Grossstadt Donezk.

Ukraine und Russland tauschen erneut Gefangene aus

Russland und die Ukraine tauschten bereits zum dritten Mal innerhalb einer Woche Kriegsgefangene aus. «Uns ist es gelungen, zwölf unserer Leute zu befreien», teilte der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, am Samstag auf seinem Telegram-Kanal mit. Das Verteidigungsministerium in Moskau bestätigte den Austausch von neun Soldaten mit russischer Staatsangehörigkeit.

Was heute wichtig wird

Duma-Chef Wjatscheslaw Wolodin besucht die ehemalige Sowjetrepublik Usbekistan. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat in den zentralasiatischen Ex-Sowjetrepubliken Sorge um die eigene Souveränität ausgelöst. Angesichts der weiter bestehenden Vormachtstellung Moskaus in der Region gibt es zwar keine offenen Proteste gegen Russlands Aggression in der Ukraine, doch angesichts der zunehmend auf Distanz gehenden regionalen Eliten muss die russische Führung auch hier um den Verlust ihres Einflusses fürchten.

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