UN-Klimagipfel geht zu Ende Ein kleines Pflaster auf einer «riesigen klaffenden Wunde»

SDA

20.11.2022 - 06:02

Westen enttäuscht über Ergebnisse von Klimagipfel

Westen enttäuscht über Ergebnisse von Klimagipfel

Westliche Länder sind enttäuscht über die Ergebnisse der Klimakonferenz im ägyptischen Scharm el-Scheich. Sie beklagen, dass die Klimaziele der einzelnen Länder zu wenig ambitioniert seien. Andere heben hervor, dass immerhin ein Fonds für ärmere L

20.11.2022

Die Weltklimakonferenz hat sich erstmals auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern geeinigt. Doch der Westen ist enttäuscht über die Ergebnisse, auch die Schweizer Umweltministerin Simonetta Sommaruga.

Zwei Tage länger als geplant, hat die der UN-Klimagipfel im ägyptischen Scharm el Sheich gedauert.  Am Sonntagmorgen endete die Konferenz mit einer Abschlusserklärung der rund 200 teilnehmenden Staaten.

Darin bekräftigt die Versammlung, sich schrittweise von der Kohle als Energieträger zu verabschieden. Öl und Gas wird darin aber nicht erwähnt. Damit bleibt die Erklärung hinter den Forderungen vieler Staaten, Klimaaktivisten und Umweltschützern zurück, die ein Ende der Abhängigkeit von schmutzigen Energieträgern als zwingend betrachten.

Neuer Entschädigungsfonds ist vage

Der neue Entschädigungsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung.

Die Frage hatte sich als grösster Streitpunkt durch die zweiwöchige Konferenz in Scharm el Scheich gezogen, die um mehr als 36 Stunden verlängert wurde.

In dem Beschluss werden keine Summen für den neuen Fonds genannt und auch nicht, wer genau einzahlen soll. Dies soll später geklärt werden. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Auf diese Eingrenzung hatte besonders die EU gepocht.

In der Abschlusserklärung werden die Staaten ausserdem aufgefordert, ihre grösstenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

Schleppende und chaotische Konferenz geht zu Ende

Die Konferenz, zu der etwa 34 000 Teilnehmer ans Rote Meer gereist sind, war am Freitagabend in die Verlängerung gegangen. In der Nacht zum Samstag war nach schleppenden und teils chaotischen Abläufen in Verhandlungskreisen Beunruhigung ausgebrochen. Nach zähen Beratungen folgte am frühen Sonntagmorgen schliesslich der Durchbruch.

Die USA hatten den neuen Entschädigungsfonds zunächst blockiert, während die als G77 bekannte Gruppe aus mehr als 130 Entwicklungsländern zusammen mit China Druck aufbaute. Die Europäische Union schwenkte nach anfänglicher Zurückhaltung schliesslich um.

UN-Generalsekretär António Guterres nannte den neuen Fonds für Klimaschäden einen wichtigen Schritt in Richtung Gerechtigkeit. «Sicherlich ist das nicht ausreichend, aber es ist eine dringend notwendiges Signal, um verloren gegangenes Vertrauen wieder aufzubauen.»

Umstritten bei dem Thema ist unter anderem die Rolle Chinas. Das Land, das beim Ausstoss klimaschädlicher Emissionen den ersten Platz belegt, will im internationalen Klimaschutz weiter als Entwicklungsland behandelt werden. So wurde es vor 30 Jahren im Kyoto-Protokoll festgelegt. Westliche Staaten wollen das Land wegen seiner Wirtschaftskraft und der Rolle als grösster Verursacher von Treibhausgasen aber nicht länger als Empfängerland einstufen. Chinas Unterhändler Xie Zhenhua sagte, Entwicklungsländer sollten das Geld erhalten, räumte «verletzlichen Staaten» aber Vorrang ein.

«Deprimierendes Ergebnis»

Bei der drängenden Eindämmung der Erderwärmung stellen Umweltorganisationen der Konferenz ein ungenügendes Zeugnis aus. Das «deprimierende Ergebnis» gehe darin nicht über die Klimakonferenz im vergangenen Jahr hinaus, kritisierte Klima-Experte Jan Kowalzig von Oxfam Deutschland. «Schwer enttäuscht muss man darüber sein, dass die zwingend notwendige Abkehr von allen fossilen Energien im Abschlusstext nicht vorkommt – obwohl zahlreiche Länder genau das gefordert hatten. Es sei letztlich nicht einmal gelungen, einen klaren Fokus auf den Ausbau erneuerbarer Energien zu legen – was insbesondere am Winderstand aus Saudi-Arabien gelegen habe. «Ohne einen zügigen und global gerecht organisierten Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas ist die Begrenzung der Erwärmung auf unter 1,5 Grad nicht zu schaffen», sagte Kowalzig.

Sommaruga: Bezüglich konkreter Massnahmen «kein Erfolg»

Laut der Schweizer Umweltministerin sei stets klar gewesen, dass die Uno-Klimakonferenz COP27 schwierig wird. Bezogen auf die konkreten Massnahmen habe es «kein Erfolg» gegeben.

Immerhin habe das Schlimmste verhindert werden können, teilte die Magistratin am Sonntag auf Twitter mit. Das 1,5 Grad-Ziel bleibe erreichbar. Positiv zu werten sei auch, dass die verletzlichsten Staaten, die am meisten unter dem Klimawandel litten, mehr Hilfe erhalten sollen.

Wenn es aber um die konkreten Massnahmen gehe wie den weltweiten Ausstieg aus der Kohle und die Abkehr von Subventionen für fossile Energien, «dann war diese COP27 kein Erfolg». Blockiert haben laut der Bundesrätin diesbezüglich «einmal mehr grosse Emittenten und die starke Öl- und Gas-Lobby».

Industriestaaten bleiben Hilfszahlungen schuldig

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, lobte den Beschluss zu Ausgleichszahlungen, mahnte aber an: «Nun müssen die Verursacher der Klimakrise zu ihrer Verantwortung stehen und den neuen Hilfstopf ordentlich befüllen.» Gerächt habe sich allerdings, dass die Industriestaaten den Entwicklungsländern seit Jahren die zusagten Hilfszahlungen bisher schuldig geblieben sind.

Eigentlich sollten Letztere mit 100 Milliarden US-Dollar jährlich unterstützt werden. Dass dies nicht passiert sei, habe verständliches Misstrauen ausgelöst, so Kaiser. «Hätten insbesondere die USA ihre Rechnung bezahlt, wären die G7 in einer besseren Verhandlungsposition gewesen, auch China und andere Schwellenländer schon jetzt zur Einzahlung in den Fonds zu verpflichten. Am Ende dieser Klimakonferenz klebt somit ein kleines Pflaster auf einer riesigen klaffenden Wunde.»