Politik USA pochen auf Israels Bekenntnis zu Gaza-Angebot – Nacht im Überblick

SDA

3.6.2024 - 06:13

ARCHIV - John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
ARCHIV - John Kirby, Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats im Weißen Haus. Foto: Andrew Harnik/AP/dpa
Keystone

Die USA halten nach einem Verhandlungsangebot zur Beilegung des Gaza-Kriegs den Druck auf ihren Verbündeten Israel aufrecht. «Wir haben die volle Erwartung, dass Israel Ja sagen würde, wenn die Hamas dem Vorschlag zustimmt, der ihnen als israelischer Vorschlag übermittelt wurde», sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrats, John Kirby, am Sonntag (Ortszeit) dem Sender ABC News. Auch US-Aussenminister Antony Blinken nahm Israel indirekt in die Pflicht. Im Gespräch mit dem israelischen Verteidigungsminister Joav Galant habe Blinken Israels Bereitschaft gelobt, ein Abkommen zu schliessen, teilte sein Sprecher am Sonntag mit.

US-Präsident Biden hatte am Freitag überraschend Details eines Entwurfs für einen Gaza-Deal präsentiert, dem Israel zugestimmt habe. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu beeilte sich jedoch gleich darauf klarzustellen, dass sich die Bedingungen seines Landes für ein Ende des Krieges nicht geändert hätten: die Zerstörung der islamistischen Hamas und die Freilassung aller Geiseln.

Israels Kriegskabinett berät Verhandlungsangebot

US-Beamte seien ermutigt gewesen, dass Netanjahu Bidens Rede nicht zurückgewiesen oder bestritten habe, dass sie einen israelischen Vorschlag widerspiegele, der der Hamas vor einigen Tagen unterbreitet wurde, berichtete das US-Nachrichtenportal «Axios» am Wochenende. Demnach hatte das Weisse Haus Netanjahus Büro etwa zwei Stunden im Voraus mitgeteilt, dass Biden Einzelheiten des Angebots in der Rede publik machen würde.

Rechtsreligiöse Koalitionspartner Netanjahus drohten prompt mit dem Platzen der Koalition, sollte sich Israel auf den Deal einlassen. Oppositionsführer Yair Lapid warnte am Sonntag auf der Plattform X, sollte Israel das bereits akzeptierte Angebot wieder zurückziehen, wäre das ein «Todesurteil» für die Geiseln und eine Vertrauenskrise gegenüber den Amerikanern und den vermittelnden Ländern. Vor dem Hintergrund dieses Wirrwarrs trat Israels Kriegskabinett am Sonntag zusammen, um über den von Biden publik gemachten Vorschlag zu beraten.

Israel behält sich Recht auf Fortsetzung der Kämpfe vor

Berater Netanjahus betonten gegenüber «Axios», dass sich Israel darin das Recht vorbehalte, die Kämpfe jederzeit wieder aufzunehmen, sollte die Hamas ihren Verpflichtungen aus dem dreistufigen Abkommen verletzen. Kirby machte deutlich, dass im Falle einer Einigung zunächst der Beginn der ersten Phase erreicht sei. «Das heisst, es kommen einige Geiseln frei (...), es kehrt etwas Ruhe ein, es gibt mehr humanitäre Hilfe, vielleicht bis zu 600 Lastwagen, und dann können die beiden Seiten mit Gespräche über die zweite Phase sprechen.»

Diese Phase sieht vor, dass die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen werden. Sollte Israel dabei den Eindruck gewinnen, die Hamas nutze die weiteren Gespräche nur, um Zeit zu gewinnen, könnte Israel die Kämpfe wieder aufnehmen, betonte einer der Berater von Israels Regierungschef Netanjahu laut «Axios».

Es sei nun die Pflicht der Hamas, das Angebot anzunehmen, sagte US-Aussenminister Blinken im Gespräch mit Israels Verteidigungsminister Galant. Blinken betonte nach Angaben seines Sprechers, dass der Vorschlag den langfristigen Sicherheitsinteressen Israels zugutekäme. In einer dritten Phase würde laut Angebot ein Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.

Berichte über tödlichen Luftangriff in Syrien

Unterdessen meldeten syrische Staatsmedien mehrere Tote und Schäden bei einem mutmasslich israelischen Angriff im Nordwesten des Landes. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Grossbritannien berichtete, Raketen hätten Stellungen einer proiranischen Miliz nördlich von Aleppo getroffen. Zwölf Milizionäre sollen Berichten zufolge getötet worden sein. Die Angaben konnten unabhängig zunächst nicht überprüft werden. Von israelischer Seite gab es zunächst keine Stellungnahme dazu.

Israels Luftwaffe bombardiert immer wieder Ziele im benachbarten Syrien. Der jüdische Staat will mit den Angriffen verhindern, dass sein Erzfeind Iran und mit ihm verbündete Milizen ihren militärischen Einfluss in dem Land ausweiten. Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten Syriens. Seit Beginn des Krieges im Gazastreifen vor rund acht Monaten haben die israelischen Angriffe, die von Israel meist nicht offiziell bestätigt werden, zugenommen.

Gezerre um Wiedereröffnung des Grenzübergangs Rafah

Die USA versuchen derweil, dass der Grenzübergang Rafah im Süden Gazas wieder für humanitäre Hilfe geöffnet wird. Zu diesem Zweck kamen Vertreter aus Ägypten, den USA und Israel am Sonntag in Kairo zu Beratungen zusammen. Es seien aber nur geringe Fortschritte erzielt worden, berichtete das «Wall Street Journal». Die Gespräche sollen demnach in den nächsten Tagen fortgesetzt werden. Der staatsnahe ägyptische TV-Sender Al-Kahira News hatte zuvor berichtet, Ägypten vertrete weiterhin die Position, Rafah erst wieder zu öffnen, wenn sich das israelische Militär vollständig von dort zurückziehe.

Unterdessen erklärte der israelische Verteidigungsminister Galant am Sonntag laut der «Times of Israel» bei einem Truppenbesuch, man arbeite daran, eine Alternative zur Hamas-Herrschaft im Gazastreifen zu schaffen. Zu diesem Zweck wolle man Gebiete in Gaza isolieren und nach Entfernung der Hamas «andere Kräfte» hineinbringen, damit sie künftig diese Gebiete verwalten können. Der Krieg ende erst dann, wenn die Hamas zerschlagen sei. Galant hatte kürzlich gesagt, dass der Regierung unter Netanjahu ein Plan dazu fehle, wer nach dem Krieg im Gazastreifen regieren solle. Die Hamas könne nur dauerhaft von der Macht verdrängt werden, wenn palästinensische Vertreter die Kontrolle übernähmen, begleitet von internationalen Akteuren, die eine Regierungsalternative zur Hamas-Herrschaft schaffen würden.