Lukaschenko in Erklärungsnot Vermeintliche Bombendrohung wurde zu spät verschickt 

tafi/Agenturen

28.5.2021

Alexander Lukaschenko gehen nach der Entführung eines Passagierflugzeugs die Ausreden aus. 
Alexander Lukaschenko gehen nach der Entführung eines Passagierflugzeugs die Ausreden aus. 
Bild: Keystone/POOL BelTa/AP/Nikolai Petrov

Mit einer Bombendrohung rechtfertigt Belarus die Umleitung eines Passagierflugzeuges. Doch die E-Mail wird erst verschickt, nachdem die Ryanair-Maschine abgefangen wurde. Diktator Lukaschenko hofft nun auf Rückendeckung im Osten.

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Nach der Verhängung von EU-Sanktionen gegen den Luftverkehr seines Landes trifft sich der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Bei einem Treffen in Putins Residenz in Sotschi soll es nach offiziellen Angaben des Kremls um engere Wirtschaftsbeziehungen gehen.

Wichtiger dürfte aber die Rückendeckung des mächtigen Nachbarn sein: Der Druck auf Alexander Lukaschenko wächst. Nach der erzwungenen Flugzeuglandung am Sonntag eskalieren die ohnehin angespannten Beziehungen zwischen Belarus und dem Westen. Belarus hatte eine Passagiermaschine der Fluggesellschaft Ryanair zur Zwischenlandung in Minsk gedrängt. Anschliessend wurde der in der Maschine sitzende Journalist und Regierungskritiker Roman Protassewitsch festgenommen.

Abenteuerliche Begründung

Die Umleitung des Flugzeuges hatte Minsk ziemlich abenteuerlich begründet. Belarussischen Angaben zufolge soll eine Bombendrohung der radikalislamischen Palästinenserorganisation Hamas von einer Mail-Adresse des Anbieters ProtonMail versendet worden sein.

An der offiziellen Version bestehen erhebliche Zweifel. So hat das Unternehmen Proton Technologies mit Sitz in Genf erklärt, die Nachricht sei erst nach der Umleitung des Flugzeugs verschickt worden.



Dies wurde inzwischen durch Dokumente bestätigt, die dem Londoner «Dossier Center» vorliegen. Die E-Mail mit der vermeintlichen Bombendrohung sei demnach erst geraume Zeit nach der ersten Kontaktaufnahme der belarussischen Flugaufsicht mit dem Piloten der Ryanair-Maschine beim Flughafen Minsk eingegangen.

«The Daily Beast» berichtet unter Berufung auf die originale E-Mail, dass die Nachricht erst 24 Minuten nach der Warnung der belarussischen Behörden vor einem Sprengsatz gesendet wurde.

Pikante Flucht nach Osten

Auch «Der Spiegel» hatte nach eigenen Angaben Zugang zu den Dokumenten. Demnach soll auch der Inhalt fragwürdig sein. Der Absender, ein vermeintlicher Hamas-Aktivist, fordert darin, dass Israel sofort das Feuer im Gaza-Streifen einstelle. Zu dem Zeitpunkt war der Waffenstillstand zwischen Israel und den Palästinensern bereits zwei Tage in Kraft. Die Hamas hatte bereits am Montag jegliche Beteiligung dementiert.

Die EU bezeichnet den Vorfall als Luftpiraterie und beschloss unter anderem, dass belarussische Fluggesellschaften nicht länger den Luftraum der Staatengemeinschaft nutzen dürfen und ihnen Starts und Landungen auf Flughäfen der EU verboten werden sollen. Flugzeuge aus der EU sollen den belarussischen Luftraum meiden.



Lukaschenko steht mit dem Rücken zur Wand, ihm bleibt nur die Flucht nach Osten. Russland hat die belarussische Wirtschaft in der Vergangenheit immer wieder mit billigen Energielieferungen und Krediten unterstützt. Pikant dabei: Lukaschenko hat Moskau wiederholt vorgeworfen, es strebe nach Kontrolle über wichtige Teile der belarussischen Wirtschaft und wolle letztlich die Unabhängigkeit seines Landes beenden. Dabei nutzte er die Möglichkeit einer Annäherung an den Westen als Druckmittel. Nach dem Vorfall vom Wochenende ist er jedoch isoliert.

EU verspricht Milliardenhilfe für Demokratisierung

Derweil hat die EU-Kommission einen Plan für ein drei Milliarden Euro starkes Unterstützungspaket für Belarus vorgelegt. Es soll aktiviert werden, «sobald Belarus einen demokratischen Übergang eingeleitet hat», teilte die Brüsseler Behörde am Freitag mit. Bereits beim EU-Gipfel Anfang der Woche war das Drei-Milliarden-Paket angesprochen worden.



EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte an die Behörden in Belarus gewandt: «Kein noch so grosses Mass an Repression, Brutalität oder Zwang wird Ihrem autoritären Regime irgendeine Legitimität verschaffen.» Man höre und sehe den Wunsch des belarussischen Volks nach Veränderung, Demokratie und einer guten Zukunft. Die EU sei bereit, einen friedlichen demokratischen Übergang mit einem umfassenden Hilfspaket zu unterstützen.