Tagelang hat die ganze Welt auf das Ergebnis der Wahl in den USA gewartet. Nun steht der Gewinner fest, doch bis zum 20. Januar ist Donald Trump weiter Präsident. So geht es jetzt bis zur Amtseinführung von Joe Biden weiter.
Donald Trump ist gerade wieder einmal in seinem Golfclub in Virginia, als US-Medien das Ende seiner Präsidentschaft melden. Tagelang hat die Zitterpartie nach der Schicksalswahl am Dienstag und der quälend langsamen Stimmenauszählung gedauert. Erst am Samstag ist klar, dass der 77-jährige Demokrat Joe Biden gewonnen hat. Für Biden ist es gleich in doppelter Hinsicht ein besonderer Tag: Am 7. November vor 48 Jahren wurde er erstmals in den US-Senat gewählt.
Bei einer gewöhnlichen US-Wahl würde der unterlegene Kandidat nun seine Niederlage einräumen. Gewöhnlich ist an Trumps Präsidentschaft aber gar nichts, und so ist es nicht verwunderlich, dass der Noch-Amtsinhaber umgehend mitteilt, dass er Bidens Sieg nicht anerkennen will.
Der Präsident will sich juristisch gegen seinen Auszug aus dem Weissen Haus wehren. Das kommt nicht unerwartet: Der 74-Jährige hatte vor der Wahl weder zugesichert, dass er das Resultat akzeptiert, noch hatte er eine friedliche Machtübergabe garantieren wollen.
Auch für schlechte Verlierer gibt es Regeln
Trump ist der erste Präsident seit George H.W. Bush, der nach nur einer Amtszeit abgewählt wird – und erst der vierte seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Trump wird sich aller Voraussicht nicht einreihen in die Riege an Verlierern, die Grösse zeigten. Wie eben George H.W. Bush, der seinem siegreichen Nachfolger Bill Clinton bei dessen Amtseinführung am 20. Januar 1993 einen Brief unter anderem mit diesen Worten hinterliess: «Ihr Erfolg jetzt ist der Erfolg unseres Landes. Ich drücke Ihnen die Daumen.»
Trump mag ein schlechter Verlierer sein. Das Räderwerk der amerikanischen Demokratie dreht sich aber weiter, auch wenn der Amtsinhaber noch versuchen kann, juristischen Sand ins Getriebe zu streuen. Und bis zur Vereidigung des neuen Präsidenten geht noch Zeit ins Land – und bis dahin ist Trump weiter im Weissen Haus.
Der Fahrplan zur Amtseinführung
Verlauf des Novembers: Die Bundesstaaten zählen die letzten Stimmen aus und zertifizieren gemäss ihrer Regeln die Wahlergebnisse. Die nächsten Wochen könnten ausserdem voraussichtlich von rechtlichen Auseinandersetzungen nach Klagen von Trumps Wahlkampfteam gegen die Stimmauszählungen bestimmt sein.
8. Dezember: Bis zu diesem Tag müssen die Rechtsstreitigkeiten in einzelnen Bundesstaaten über den Wahlausgang beigelegt sein, damit der US-Kongress das Ergebnis nicht zurückweisen kann. Diese in einem Bundesgesetz festgehaltene Regel wird als «safe harbour» (sicherer Hafen) bezeichnet.
14. Dezember: In den 50 Bundesstaaten sowie im Hauptstadtbezirk Washington DC kommen die gewählten Wahlleute zusammen und geben ihre Stimme für den siegreichen Kandidaten ab.
23. Dezember: Bis zu diesem Datum müssen die zertifizierten Wahlergebnisse aus den Bundesstaaten beim US-Kongress eingegangen sein.
3. Januar: In Washington D.C. wird der neugewählte Kongress vereidigt.
6. Januar: Bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat werden die Stimmen der Wahlleute ausgezählt und bestätigt. Erst dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat. Für einen Sieg braucht Biden die Stimmen von mindestens 270 der 538 Wahlleute.
20. Januar: Der Sieger der Präsidentschaftswahl wird vereidigt. Seine Amtszeit beginnt um Punkt 12.00 Uhr mittags. Normalerweise nimmt der scheidende Präsident an der Vereidigung seines Nachfolgers teil.
Was Donald Trump jetzt noch darf
Trump gilt jetzt als lahme Ente (Englisch: «lame duck»): Er wird bis zum 20. Januar weiterregieren, wird weiter im Weissen Haus leben und mit seinem Regierungsflugzeug Air Force One fliegen dürfen. Politisch ist er aber ein Relikt der Vergangenheit mit begrenztem Einfluss.
Die Regierung kann allerdings weiter Ausführungsbestimmungen für bestehende Gesetze ändern, dazu gehört etwas die Begrenzung der Vergabe bestimmter Visa oder die Lockerung von Vorschriften für den Umweltschutz. Zudem kann Trump weiterhin Führungspositionen der Regierung besetzen – manche der Ernannten würden dann noch lange unter seinem Nachfolger amtieren.
Trump darf auch weiterhin Begnadigungen aussprechen. Von diesen Rechten haben auch frühere Präsidenten wie Barack Obama bis zu ihrem letzten Tag im Amt Gebrauch gemacht.
Bis zum Ende seiner Amtszeit bleibt Trump Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Auch auf der internationalen Bühne vertritt Trump die Vereinigten Staaten weiterhin. Seinen letzten grossen Auftritt auf der Weltbühne könnte er in zwei Wochen beim G20-Gipfel haben, den Saudi-Arabien ausrichtet – der wegen der Corona-Krise allerdings nur online stattfindet.
Wie funktioniert (normalerweise) die Amtsübergabe?
Ziel ist es, dass der neue Präsident am Tag seiner Vereidigung in der Lage sein muss zu regieren. Dafür gibt es die sogenannte Transition: Die neue Regierungsmannschaft soll nicht unvorbereitet ins kalte Wasser springen müssen. Bereits Monate vor der Wahl leitet die US-Regierung normalerweise Schritte ein, um den Übergang zum nächsten Präsidenten vorzubereiten. Nach der Wahl kommt es dann gewöhnlich auch zu vielen Treffen der Mitarbeiter beider Seiten, um alles konkret zu planen.
Der neue Präsident bekommt unter anderem eine 1000-seitige Handreichung, das «Handbuch der Regierung». Hinzu kommt noch das gut 200 Seiten dicke Pflaumenbuch («plum boo»), in dem alle rund 9000 Top-Positionen aufgelistet sind, die der Präsident in der Regierung und nachgeordneten Behörden neu besetzen können. Dazu gehören zum Beispiel die Stellen im Weissen Haus sowie leitende Beamte in Ministerien.
Ob die Transition auch im chaotisch regierten Weissen Haus von Trump so ordentlich laufen wird, ist ungewiss – zumal der Amtsinhaber seine Wahlniederlage wohl bis zuletzt abstreiten dürfte. Biden, der acht Jahre lang unter Barack Obama Vizepräsident war, hat aber den grossen Vorteil, die meisten Abläufe schon zu kennen.
Als er 2008 mit dem damaligen Präsidenten Barack Obama ins Weisse Haus eingezogen war, war die grösste Herausforderung die Bewältigung der globalen Finanzkrise. Nun dürfte ab dem 20. Januar das Eindämmen der in den USA weiter verheerenden Coronavirus-Pandemie für Biden oberste Priorität haben.
Zurück zur Startseite